Jedes Jahr am ersten Wochenende im September findet in Altlandsberg der traditionelle Vogelscheuchenmarkt statt.
Da ist die ganze, mit unzähligen Vogelscheuchen geschmückte Innenstadt den Fußgängern vorbehalten.


Das besondere an diesem Tag ist, dass nicht nur viele Höfe ihre Tore geöffnet haben, sondern auch einige sonst verschlossene Gebäude ihre Türen offen stehen haben. Auch der Berliner Torturm, der inzwischen fast jedes Wochenende zugänglich ist, lädt wieder zur Besteigung ein. Mit etwa 18 Metern ist das zwar kein Riese, aber da diese Höhe nur mittels zweier steiler Leitern im Innern über­wunden werden kann, ist der Aufstieg schon eine kleine Herausforderung.

Eine Informationstafel im Turm erzählt dessen Geschichte und der freundliche Herr am Eingang, der die Vorbei­kommenden zur Besichtigung des Turmes einlädt, lässt auch keine Frage unbeantwortet.
Und wenn er eine tolle Aussicht verspricht, dann hat er reichlich untertrieben, denn die Aussicht ist fantastisch!





Vom schmalen Umgang um die quadratische Turmspitze, auf den man nur durch eine ziemlich kleine Luke gelangt, kann man die Berliner Straße entlang bis zur Stadtkirche schauen und in den anderen Richtungen über die Dächer der Altstadt und in Richtung Berlin.

Da oben und an den Schießscharten im Turmschaft bedarf es keiner großen Fantasie, um sich vorzustellen, wie hier früher Männer mit Pfeil und Bogen und später mit Flinten standen, um die Stadt gegen Angreifer zu verteidigen.


Das Gebäude nebenan hat auch nicht jeden Tag geöffnet, aber natürlich bei solchen Stadtfesten. Hier hat der Altlandsberger Heimatverein sein Domizil, der bei solchen Anlässen nicht nur gern seine Sammlungen zeigt, sondern die Gäste im Garten auch freundlich bewirtet. An diesem Tag hat Frau Hildenbrand im Garten "Dienst" gehabt und Kaffee und Kuchen unters Volk gebracht.


Vor dem Haus sitzt eine hübsch hergerichtete Vogel­scheuche und verströmt ihren Charme. Vermutlich hat die nicht mal Hemd und Schlüpfer an, denn in der Waschküche, an der man auf dem Weg zum Hof vorbei kommt, hängt die Damenwäsche sauber aufgereiht auf der Leine.
Der Wäschemangel steht daneben und auf dem Flur sind alte Ofenkacheln und -türen aufgereiht.

Im Haus trifft man auf ein nobel eingerichtetes Esszimmer mit einem gewaltigen Kachelofen in der Ecke, der bestimmt nicht aus einer Arme-Leute-Stube stammt. Der Tisch ist eingedeckt und macht den Eindruck, als wären die Wohnungsinhaber nur mal kurz aus dem Zimmer gegangen. In der angrenzenden Küche steht der Wasserkessel noch auf der Kochmaschine und alte Küchengeräte stehen rum, als wären sie gerade benutzt worden.




Wenn man die unscheinbare Bodentreppe hochsteigt und die Tür aufmacht, dann fühlt man sich urplötzlich einige Jahrzehnte zurück versetzt. Unzählige, mühevoll gesammelte und liebevoll drapierte Alltagsgegenstände aus Nachkriegs- und DDR-Zeit zeigen Wohn- und Arbeitsstätten, wie sie überall im Land üblich waren und die jetzt bei den Besuchern viele Erinnerungen und manche Emotion wecken.



Besonders interessant ist eine ziemlich komplette Arztpraxis, die mit Gerätschaften aufwartet, deren Sinn und Zweck man kaum noch ergründen kann.


Auf der anderen Straßenseite setzt ein Blumenladen Maß­stäbe in Punkto Dekoration: wunderbare Blumensträuße und -gestecke und natürlich jede Menge Vogelscheuchen. Auf dem Weg zum Marktplatz laden links und rechts immer wieder offene Tore dazu ein, die überwiegend sehr schön hergerichteten Höfe zu besichtigen.



Oft sind auch die Türen und Tore selbst wahre Kunstwerke und beim näheren Hinsehen entdeckt man manches interessante Detail und schöne Ornamente.




Der mit Blumen geschmückte Hof der Sparkasse, die niedlichen Scheuchen auf der Hecke und der dahinter liegende Garten (Bilder oben) haben schon im Vorjahr unser Interesse geweckt. Inzwischen können viele benachbarte Höfe mithalten.


Dort wo die Poststraße auf die Berliner Straße stößt, lädt eine große goldene Brezel in die Gaststätte "Brot und Salz". So schön wie das Innere ist - bei diesem (noch) schönen Wetter sitzen fast alle draußen auf dem Hof unter Sonnen­schirmen rings um den Brunnen. Hier kommt nicht nur das Brot, sondern auch die Bratwurst aus dem Backofen.


Eine Band in der Durchfahrt heizt den Gästen ordentlich ein und lässt sich vom Publikum zu Höchstleistungen treiben. Für's Auge gibt es Holzkunst, die schön anzusehen ist und den Hof belebt. Freunde alter Backsteinbauten finden hier an jeder Wand interessante Details - wie schön wird das aussehen, wenn alles neu verfugt sein wird!


Auf anderen Höfen geht es mehr ums Mitmachen und Sich-Beschäftigen, als ums Rumsitzen und Sich-Bedienen-Lassen. So findet hier jeder das, was ihm zusagt und kann wählen zwischen ruhigen Eckchen und turbulenten Plätzen.
Und wer ganz schlau ist, nimmt alles mit:
Auf dem einen Hof Action und auf dem nächsten Relaxen. Hier ein kühles Bier, dort einen heißen Kaffee. Auf dem einen Hof eine Schmalz­stulle, auf den nächsten leckere Torte. Dort einen Blumen­strauß und hier ein paar alte Bücher oder Schall­platten. Die Frage ist nur, ob es derjenige wenigstens bis zum Marktplatz schafft ...




Auf dem Marktplatz gab es den ganzen Tag über ein buntes Bühnenprogramm. Und um die Bühne herum warben viele Verkaufs-, Info- und "Fress"-Stände um die Gunst der Besucher. So vielfältig wie dieses Angebot waren auch die Türen und Tore der angrenzenden Häuser: Manche fast luftdicht verrammelt und andere so weit offen, dass man bis zum nächsten Straßenzug schauen konnte.


Der Weg vom Markt bis zur Stadtkirche und weiter zur ehemalige Schlosskirche war gesäumt von Ständen, in denen ansprechendes Handgewerbe angeboten wurde: Körbe, Keramik, Gestecke usw. Und als Deko Vogelscheuchen ...


Die Stadtkirche stand wie immer an den Wochenenden offen und lud dazu ein, sich mal ein paar Minuten hinzusetzen, zur Ruhe und Besinnung zu kommen und das interessante Innere des Gotteshauses auf sich wirken zu lassen. Neben vielen alten Einrichtungsstücken trifft man dort auch auf manches moderne Detail.



Den Turm und das Innere des gerade neu hergerichteten Daches hätte man auch noch besichtigen können (und eigentlich müssen!), aber das musste in diesem Jahr aus Zeitgründen entfallen. Schade, denn vom Turm hat man nicht nur einen schönen Blick auf die Stadt und den Trubel rings um die Kirche, sondern man findet dort auch interessante Sachen, wie Kritzeleien in den Steinen und Balken, die noch aus der Zeit des 30jährigen Krieges stammen. Beim Vogelscheuchenmarkt 2009 haben wir ein paar davon fotografiert.

Da es in der Kirche noch unendlich viel zu sanieren und zu reparieren gibt, bemüht sich ein "Freundeskreis Stadtkirche" das dafür erforderliche Geld zusammen zu tragen - unter anderem durch den Verkauf des leckeren Altlandsberger Bieres, das leider nicht mehr in einer der einst unzähligen Brauereien der Stadt, sondern auswärts gebraut wird.

Die nur wenige Schritte entfernte Schlosskirche, die einst die französisch-reformierte Gemeinde beherbergte, träumt gerade noch die letzten Tage ihres Dornröschen-Schlafes. Der Glasermeister, der viele Jahre seine Werkstatt darin hatte und die Kirche dadurch vor dem Verfall bewahrt hat, ist im vorigen Jahr ausgezogen und bald werden die Bauarbeiter anrücken, um aus diesem letzten erhaltenen Teil des ehemaligen Altlandsberger Schlosses einen attraktiven Konzertsaal zu machen.



Wenige Schritte weiter steht man schon auf dem früheren Schlosshof, der umrahmt von alten Mauern und den Ruinen der früheren Wirtschaftsgebäude zu vielen Aktivitäten einlädt. Einmal im Jahr gibt es hier Ritterspiele, aber beim Vogelscheuchenmarkt ist hier Sport, Spiel und Unterhaltung angesagt - und Futtern, was das Zeug hält.

Unter dem Pappstorch, der das auf dem Weg nach Afrika befindliche Original ersetzen muss, gibt es ein buntes Bühnenprogramm und lecker zu essen. An einem Ende des Platzes, wo vormittags die inzwischen schon wieder verpackte Kanone gedonnert hat, ist am Nachmittag Traktor-Wettziehen und am anderen Ende des Platzes schnitzt einer mit der Kettensäge lustige Figuren für den Garten.


Auf dem Weg durch die Kirch­gasse zurück zum Markt­platz trifft man wieder auf jede Menge Vogel­scheuchen und sogar auf Leute, die sich als solche verkleidet haben - zum Beispiel, um für die Stadt­bibliothek zu werben.

Gleich im ersten Haus auf der linken Seite haben sich die Bewohner regelrecht ausgetobt und kaum ein Stück Zaun Scheuchen-frei gelassen.


Vor der Bronze "Altstadtgeschichten" in der Kirchgasse haben wir schon oft gestanden und dieses originelle Kunstwerk mit Zeugnissen der Stadtgeschichte bestaunt.


Aber bisher waren wir meist abends in mit dem Nachtwächter unterwegs durch Altlandsberg. Viele Details erkennt man erst jetzt bei Sonnenschein.
Unzählige kleine Bildchen und Sprüche sind in die Skulptur eingraviert, darunter so sinnreiche Sprüche wie
'Ein Schaf auf dem Berge hält die Ochsen unten für Zwerge'
oder 'Die Ente lacht über das Watscheln der Gans'.
Man müsste sich mal mit einem Stuhl ans Denkmal setzen und alles genau studieren.


Auf dem Weg zum Storchenturm stehen wieder ein paar Tore offen und geben den Blick frei auf große Wandbilder auf dem Hof oder in der Tordurchfahrt. Eins davon hat es bisher jedem angetan, der es sich genauer angesehen hat. Das Bild in der Einfahrt zeigt genau diesen Straßenteil und mehr oder weniger bekannte Figuren, die aus den Häusern treten.

Man sollte den Narren, der üblicherweise auf die oben beschriebene Bronze-Skulptur schaut und sich über die fünf Himmelsgucker amüsiert, mal ein paar Tage hier vor dem Bild platzieren und ihn sein Urteil hinsicht­lich der Attraktivität der dargestellten Damen fällen lassen. Das wäre spannend!


Staunen würde er wie viele Besucher über die schicken Gebäude, die auf den Höfen entstanden sind.
Da kann man schon neidig werden, wenn man sieht, wie schön hier manche neue Wohnung ist - und welche Stille auf den Höfen herrscht, selbst wenn vorn auf der Straße die Autos über's Kopfsteinpflaster donnern.

Am Ende der Straße präsentiert sich Altlandsbergs polnische Partnerstadt Krzeszyce - mit einladenden Puppen und einigen Ständen, umgeben von einer Blumenpracht.


Hier in der Gegend wimmelt es auch wieder an Vogel­scheuchen, die offenbar untereinander im Wettstreit um die schönste Scheuche stehen. Zum Vögel-Verjagen sind die viel zu schade.


Das Nest auf dem Storchen­turm ist längst leer, dafür ist es (und nicht nur bei solchen Festen) im Armenhaus voll. Hier kann man in einer tollen Umgebung preiswert essen.


Nun wird die Zeit für den Reporter langsam knapp, schließlich findet gerade auch im heimischen Mehrow ein kleines Fest statt, über das berichtet werden soll.
Der Besuch der Kulturmanufaktur am früheren Bahnhof, der sicher wieder sehr interessant geworden wäre, muss deshalb leider ausfallen.


Es bleibt gerade noch Zeit, einen Blick auf den Hof hinter dem Gebäude zu werfen. Da stehen locker verstreut Tische und Bänke und um das alte Fabrikgebäude, in dem jetzt Künstler ihre Ateliers haben, und wo die Tür fast immer offen steht, sind Bier-, Wurst- und Crepes-Buden gruppiert.

Hier treffen wir auf den Mann, nach dem wir auf der Tour durch die Stadt stets Ausschau gehalten haben:
Horst Hildenbrand, der ehrenamtliche Nachtwächter der Stadt, der des Öfteren am Freitagabend mit einer Traube interessierter Bürger und Besucher der Stadt durch die Straßen zieht und Ihnen alles Sehenswerte zeigt und erklärt. Er hat sich hier bei ein paar Altlandsbergern am Tisch niedergelassen, kommt aber auch dabei nicht zu der verdienten Ruhe, weil immer wieder lästige Fotografen ein Bild von ihm machen wollen.


Auch auf dem Weg zurück durch die Klosterstraße stoßen wir auf lustige Vogel­scheuchen, darunter auch den "Wilden Waldemar", der Besucher auf ein Gehöft lockt, auf dem man einem Steinmetz bei der Arbeit zuschauen kann.
Ob der Waldemar die gegenüber vor der Tür sitzende, allein erziehende Vogelscheuchenmutter hat sitzen lassen? Oder ist er erst dabei, mit der flotten Biene anzubändeln?


Kurz vor der Poststraße werfen wir rechts einen Blick auf ein Gehöft, wo umgeben von Musums­stücken und in Sichtweite des Schmiedes historisch gewandete Literaten wie in jedem Jahr Gedichte und alte Geschichten vortragen.

Zurück auf der Berliner Straße bekommt der Reporter erst mit, welch dicke Wolken da aus Berlin heran ziehen und den weiteren Verlauf des Festes gefährden.


"Der Garant der Einheit" (so nennen wir mal das schwarz-rot-goldene Gefährt, das wir schon in Hirschfelde bestaunt haben), wird nur noch eines kurzen Blickes gewürdigt und die Trödelangebote auf einem Hof vor dem Tor müssen ignoriert werden.

Jetzt heißt es schnell ins Auto zu springen und nach Mehrow zu düsen, bevor der Regenschauer runterkommt.

Wir winken noch mal den Puppen, die auch jenseits des Berliner Tores die Grundstücke zieren, und rufen ihnen zu, dass es hier in Altlandsberg ein schönes Fest mit vielen neuen Eindrücken war und dass wir ganz bestimmt im nächsten Jahr wiederkommen.
Also: Bis September 2011!