Seitdem alles nach amerikanischem Vorbild ablaufen muss, ist am letzten Tag im Oktober Halloween angesagt. Und so ist es auch in Mehrow. Die Kinder lauern schon auf diesem Tag, an dem sie sich verkleiden und andere erschrecken können.

Und es finden sich dann auch immer ein paar Erwachsene, die sich darum bemühen, dass dieser Tag zu einem echten Erlebnis für die Kinder wird.

Seit einigen Jahren ist es üblich, dass im Gemeindezentrum eine Halloween-Party für die Kinder steigt und dazu alles recht gruselig dekoriert wird. In diesem Jahr war sogar von draußen zu erkennen, dass im Gebäude Spuk und Gruselei angesagt ist. Die Fenster waren gegen neugierige Blicke abgedichtet und ins "Geisterschloss" kam nur, wer einigermaßen gespenstig aussah. Darüber hat unter anderem eine Hunde-Mumie gewacht, die auch das Umfeld inspizierte, aber nur selten einen Gruselgast gewürgt hat.


Wer eingelassen wurde, fand sich in einem schaurigen, mit schwarzen Tüchern behangenen Foyer wieder. Überall waberten riesige Spinnweben und an den Wänden schaukelten Gespenster. Denen sah man allerdings an, dass sie schon seit ein paar Jahrhunderten nicht mehr im aktiven Dienst sind und nur hervorgeholt werden, wenn ihre lebenden Kollegen auf Tour sind.

Bei manchen Figuren, die da herumstanden, war man sich aber nicht gleich sicher, ob die echt sind oder im Wachsfigurenkabinett ausgeborgt wurden.


Die Kinder haben früher als mancher Erwachsener herausgefunden, dass es sich um lebende Deko handelte und sich von dem in Wirklichkeit gar nicht so gruseligen Herrn sogar am Buffet bedienen lassen. Apropos Buffet: Es gab kaum eine Scheußlichkeit, die da nicht zu finden war: Spinnenbeine, Leichenfinger, Blutgeschwüre usw.



Aber was wäre Halloween ohne die übliche Kürbis-Schnitzerei. Eine ganze Transporterladung hatte jemand gespendet und am Abend vorher vorgefahren. Da hat sich für jedes Kind ein prächtiges Exemplar gefunden und mit fachkundiger Anleitung und Hilfe waren da bald die schönsten und gruseligsten Gesichter entstanden.



Eigentlich wäre ja ein Kürbiskopf-Wettbewerb angebracht gewesen, aber davon hat man Abstand genommen, da man dann allen Kindern einen ersten Preis hätte geben müssen. Völlig zu recht waren die Kinder auf ihre Kunstwerke stolz und sicher haben alle Köpfe Asyl im Garten der Eltern gefunden - als Deko und um fremde Geister fern zu halten.

Obwohl viele Kinder gekommen waren und fast alle eifrig an den Kürbissen geschnippelt und Mund und Augen ausgestochen haben, hat der Vorrat bestens gereicht.


Zu Halloween gehören auch die passenden Kostüme - ohne Maskerade geht hier gar nichts! Und so fanden sich unter den Gruselgestalten jede Menge Gespenster, Gerippe, Vampire usw. Sicher waren auch reichlich Geister unter den Besuchern, aber die kann man ja nicht sehen ...
Durch den zunehmenden Ferntourismus hat sich auch die Anzahl der Mumien bei solchen Branchentreffen schlagartig erhöht. Früher waren die hier eher selten und nur in Ägypten zwischen den Pyramiden in größeren Populationen anzutreffen.


Ganz ohne Glücks- und Geschicklichkeitstest ging aber auch diesmal nichts.


Während Hexe Spinnebein und ein schwarzes Engelchen vergiftete Gummibärchen verlosten, hat eine Mumie, die als Pyramidenbewohnerin schon in früher Kindheit großartige Baumeister kennengelernt hat, sinnvollerweise die Endabnahme der beim Geschicklichkeitstest zu errichtenden Bauwerke übernommen.

Der mumifizierte ägyptische Hütehund hat derweil das Terrain gesichert und manchen verwegenen Gruselfreund in den Gespenstertunnel getrieben.


Finster schauende Gestalten haben stets darüber gewacht, dass sich niemand aus dem Gespensterschloss entfernt. Und so wurde es auch wirklich richtig voll im Haus.


Aber eigentlich sah es auch gar nicht danach aus, als ob irgendeine der Gruselgestalten vorzeitig das Schloß verlassen wollte - mal abgesehen von ein paar pfiffigen Mädchen, die vor dem Ansturm der Konkurrenz ihre "Süßes - sonst gibt's Saures"-Tour von Haustür zu Haustür machen wollten. Und die haben eine Menge verpasst!


Ein junger Mann im grün-schwarzen Kostüm, das ihm offenbar Flugfähigkeit verleihen sollte, hat anschaulich demonstriert, was herauskommt, wenn man Batman und Arthur den Engel kreuzt. Und ein bisschen was von Biene Maja hatte das Kostüm auch.

Das schwarze Engelchen, das Mädchen, das beim Wattebausch-Pusten die eigene Oma besiegt hat, und die Hunde-Mumie haben das alles interessiert beobachtet.


Aber dann wurde es plötzlich still im Saal. Nur ein paar Vampir-Gebisse klapperten noch, sonst war alles erstarrt. Sogar die Spinne an der Wand hielt inne.
Da war sie wieder: Die Gestalt, die sich lautlos durch das Haus bewegte und urplötzlich aus dem Nichts auftauchte, so dass einem das Blut in den Adern gefror.


Der Mann hielt etwas in der Hand, was nicht gleich zu erkennen war. War es ein Computer, ein Gameboy oder doch ein Handy? Angeblich sollte es doch was Spannendes sein. Aber nichts davon war richtig und trotzdem war das, was der Mann die ganze Zeit unter seinem Arm getragen hat, unglaublich spannend: ein Buch!

Und dann sind der Mann, das Buch und die Kinder in einer schummrigen Ecke des Geisterschlosses verschwunden und durch die Ritzen der Tür konnte man hören und durch das Schlüsselloch mit ansehen, wie das Gruseligste vom Gruseligsten aus dem Buch und durch den Mund des Vorlesers an die gespitzten Ohren der Zuhörer gelangte und von dort aus den direkten Weg zu den Haarwurzeln nahm, um die Haare in senkrechte Position zu bringen.

Wenn vor den Kindern nicht noch die Aufgabe gestanden hätte, mit möglichst wenigen Worten und unter Vermeidung von Gedichten und Liedern möglichst viele Einkaufsbeutel von Süßigkeiten zu erbetteln, würden sie bestimmt jetzt noch in der Leseecke hocken und Gruselgeschichten hören.

Aber bis zum nächsten Halloween sind es ja jetzt nicht mal mehr 12 Monate. Hexe Spinnebein wartet schon!