Damit im Kulturprogramm keine Sommerlücke entsteht, hat der Altlandsberger Heimatverein am Sonntag, den 1. Juli 2012 Haus und Hof geöffnet und zum "Tag der offenen Tür" geladen. Ein kleines aber feines Gartenfest mit einem Kulturprogramm hatten die Männer und Frauen des Vereins vorbereitet und mussten dabei stets mit dem Schlimmsten, nämlich Regen, rechnen. Der Sommer will ja in diesem Jahr nicht richtig in Gang kommen und alle Veranstalter von Dorf- und anderen Festen haben schon tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. Aber Petrus zeigte sich gnädig und hat an diesem Nachmittag nur ganz zaghaft ein paar Tropfen fallen lassen. Die Notfallvarianten konnten also im Schubfach bleiben.
Das als Regenschutz gedachte Zelt konnte viel sinnvoller als Bierzelt genutzt werden, der junge Mann vom Nabu brauchte sich mit seinen Nistkästen nicht unter einer Plane verkriechen und der Musikant konnte ohne Regenmantel aufspielen. Sogar der eine oder andere Sonnenstrahl wurde an diesem Tag wahrgenommen - da machte es einfach Spaß, auf dem Hof zu sitzen und das Treiben zu beobachten.
Wo gefeiert wird, darf der Nachtwächter nicht fehlen. So ist das zumindest in unserem Nachbarort Altlandsberg. Nach­dem die Hussiten, Wallensteins Truppen und später immer wieder heimische und fremde Lausbuben hier ihr Unwesen getrieben haben, hat man sich einen Nachtwächter zugelegt, der nicht nur des Nachts Ausschau und Wache hält. Der hatte aber an diesem Tag nicht viel zu tun, denn alle Besucher waren brav - und feurig und flammend war nur der Vortrag verschiedener Gedichte durch zwei Damen des Vereins.
Dass es beim Heimatverein leckeren Kuchen und ordent­lichen Kaffee gibt, hat sich längst herumgesprochen und ist Vielen ein zusätzlicher Anreiz, mal vorbeizuschauen, wenn der Verein sein Haus geöffnet hat oder bei Festen mit einem Stand auf dem Marktplatz vertreten ist. Ziemlich einmalig und sehr erfreulich ist auch, dass man in Altlandsberg nicht die schönen Töchter wegschließt, wenn Fremde kommen, sondern diese am Kuchenstand postiert, damit der Gast auch Labsal für sein Auge findet.
Und es ist auch zu loben, dass es hier immer Essen und Trinken für einen schmalen Taler gibt und man nicht mit Papptellern und Plastebechern, sondern mit gutem Geschirr und Besteck konfrontiert wird. Sicher hoffen die Damen am Stand, dass nach Abzug der Kosten ein paar Groschen für den Verein übrig bleiben, aber im Vordergrund steht doch immer das Bestreben, die Besucher gut zu bewirten.
Wo es Töchter gibt, da gibt es meist auch Mütter. Einige davon schmücken sich in Altlandsberg bei kleinen und großen Festen mit historischen Gewändern und schicken die Besucher damit auf eine Zeitreise. Mal trifft man sie als keifende Marktweiber, dann wieder als Interpreten tiefsinniger Tschechow-Gedichte und ein paar Minuten später schwirren sie, wie das Müttern so im Blute liegt, wieder mit Kaffee­kannen und Kuchenblechen durch die Gegend.
Und sie behalten auch ihre Tricks, Weisheiten und Lebens­erfahrungen nicht für sich, sondern zeigen zum Beispiel den Besuchern und vor allem dem eigenen Nachwuchs, wie schon seit Jahrhunderten das "Männerangeln" funktioniert.

Die drei folgenden Bilder zeigen die wesentlichen Schritte eines organisierten Vorgehens:
  1. Beraten ("Ich hab' da einen Plan ...")
  2. Ausschau halten ("Die Umgebung scannen ...")
  3. Zugreifen und siegreich strahlen.
Das klappt immer - zumindest bei den gewandeten Damen in Altlandsberg beim Tag der offenen Tür.
Wenn der Altlandsberger Ortsvorsteher und frühere Bürger­meister seine indische Verwandtschaft mitbringt, bilden sich auf solch einem Fest gleich Grüppchen. Auf der einen Seite die Leute mit Fotoapparat und auf der anderen Seite der Linse alle irgendwie außergewöhnlich gekleideten Menschen bunt durcheinander gewürfelt. In Indien wird man sich wundern, wie altertümlich wir hier noch herumlaufen.
Sobald hier in Altlandsberg gefeiert wird, sei es das Sattelfest im Frühjahr, der Vogelscheuchenmarkt Anfang September (unbedingt vormerken!) oder solch ein kleines beschauliches Fest, bietet sich meist die Gelegenheit, den Berliner Torturm zu besteigen. Das darf man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Der ist nicht weit entfernt von der Eisdiele, zu der es an jedem Sommerwochenende (völlig zu Recht) Heerscharen von Ausflüglern zieht. Direkt neben dem Haus des Heimatvereins ragt der Turm aus der Stadtmauer heraus, das Stadttor selbst ist leider nicht mehr zu erkennen. Wenn man den dort Aufsicht führenden Herren einen Taler Treppengeld für die Vereinskasse gibt, oder verspricht, ein paar Bilder von da oben zu liefern, darf man hochklettern. Die steilen Treppen und engen Luken stellen dabei aber eine gewisse Begrenzung für den Leibesumfang dar, weshalb man unbedingt vor dem Besuch der Eisdiele aufsteigen sollte.
Das Bild oben links sieht nur so aus, als ob der Turmwächter da einen Strafzettel ausgestellt bekommt ("Parken eines roten Fahrzeugs unter dem Falltor" oder "... auf der Zugbrücke"), nein der Herr mit dem spitzen Stift ist von der Presse und nicht vom Ordnungsamt. Statt einer Politesse schleicht hier eine andere Schnecke rum: Seit 1984 versucht die oben rechts gezeigte, die damals im Innern des Turms aufgerichtete Treppe zu erklimmen.
Wenn man es schafft, seinen Leib über viele Leitersprossen bis in Schwindel erregenden Höhe und dann noch durch eine enge Luke zu bugsieren, wird man durch einen tollen Ausblick und den Überblick über den Geschehen auf dem Hof belohnt.
Da unten ist das Leben derweil weitergegangen. Niemand hat am waghalsigen Aufstieg des Fremden Anteil genommen. Keiner hat den Atem angehalten und, als es geschafft war, Beifall geklatscht oder Hurra! gerufen. Keinerlei Anteilnahme! Die auf festem Boden gebliebenen haben sich stattdessen vom Fortgang des Festes berauschen lassen oder sich tief ins eigene Innere zurück gezogen, wie diese beiden Herren, die Caspar David Friedrich zu seinem Bild "Zwei Männer in Betrachtung einer Blumenvase" inspiriert haben.
Der Herr vom Nabu war inzwischen wie die Belegschaft seiner Nistkästen ausgeflogen, drei Herren im Bierzelt mussten noch ein Problem erörtern, das offenbar keinen Aufschub erlaubte, sondern noch am Sonntags vor 18 Uhr zu lösen war. Aber mittendrin war unverändert das freundliche Lächeln hinterm Kuchenstand. Da lässt man sich gern zu einer weiteren Tasse Kaffee hinreißen.
Und dann noch mal schnell durch's Haus. Das schicke alte Wohnzimmer im Erdge­schoss hat sich nicht verändert, auch nicht die tolle kleine Offenklappensammlung auf dem Flur.
In einem kleinen Raum, der gerade als altes Schulzimmer hergerichtet wird, gibt es aber für viele was Neues zu sehen. Dort hat man beim Legen des neuen Fußbodens im Fundament den vermeintlichen Eckstein eines Vorgänger­gebäudes gefunden. Der wird nun ordentlich illuminiert unter einer Klappe verwahrt und stolz den Besuchern gezeigt. Die Klappe muss auch deshalb noch ein bisschen offen stehen, weil bei der letzten Renovierung niemand daran gedacht hatte, an den Rändern der Dielung ein paar Lücken zu lassen, weshalb über Jahre die Luft unterm Fußboden stockte. Nun muss der Hohlraum auslüften, um Schaden von den neuen Dielen abzuwenden und den Raum nutzen zu können.
Obwohl der Mehrower Freund der Altlandsberger Sammelleidenschaft nun schon mehrmals auf dem Dachboden des Vereinshauses war und über das dort befindliche kleine Museum berichtet hat, ist er auch an diesem Tag nochmal die enge Treppe dorthin hoch gestiegen.
Neu war dieses Mal allerdings die fachkundige Beratung durch eine anfangs ziemlich fotoscheue Dame, die gerade dabei war, Klystiere, Spritzen und Gebärzangen abzustauben und ganz offensichtlich Ahnung davon hatte, was sie da in den Händen hält und woher die ganze Praxiseinrichtung stammt.
Das war ein ebenso lehrreicher wie vergnüglicher Abschluss des ohnehin schon angenehmen Tages. Dankeschön!