Unser Reporter macht gar keinen Hehl daraus, dass er Altlandsberg mag und gern durch diese alte, mit Stadtmauer und Türmen bewehrte Stadt streift. Es ist ja auch schon der eine oder andere Bericht hier auf www.mehrow.de gelandet. Am liebsten zieht er mit sachkundiger Begleitung durch die Stadt, weshalb er sich schon des öfteren dem Nachtwächter angeschlossen hat, der einmal monatlich (Freitag-Abend) mit Laterne und Hellebarde bewaffnet durch die Stadt zieht.
Neben diesen Touren bietet der Heimatverein monatlich eine 2-stündige Stadtführung an, meist am Sonntag nachmittags - zu Ostern ausnahmsweise am Ostermontag.
Da hat sich der Reporter dieses Mal angeschlossen.


Treffpunkt war wie üblich am "Info-Dreieck" auf dem Markt­platz. Wer die Führung halten wird, war der Ankündigung im Internet und auf den Aushängen nicht zu entnehmen, nur dass der oder die bei schönem Wetter in historischem Kostüm erscheint. So richtig schönes Wetter war eigentlich nicht, eher trübe, kalt und windig.
Aber in Anbetracht der Klimakatastrophen, von denen wir laufend hören, zählt das noch zu gutem Wetter und folgerichtig war zum angekündigten Termin eine Dame in feiner alter Tracht am Treffpunkt - im Gespräch mit einem Paar, das auch zur Stadtführung kam. Der Mann stammte aus Altlandsberg und wollte mal sehen, was sich da in letzter Zeit getan hat.

Bei dieser kleinen Runde blieb es dann - zur Freude der insgesamt drei Zuhörer, denen sich die Stadtführerin widmen konnte. Das war an diesem Tag Frau Christina Preis, die seit 1972 bis zu ihre Pensionierung Lehrerin in Altlandsberg war - ausgenommen die letzten 5 Jahre, die sie am Gymnasium in Strausberg unterrichtet hat.
Sie hätte sich bestimmt ein paar Besucher mehr gewünscht, auch weil der eher symbolische Beitrag von 3 Euro pro Teilnehmer dem Heimatverein zu Gute kommt. Es waren zwar ein paar Leute unterwegs und einige davon auch mit Fotoapparaten. Aber eine spontane Umfrage ergab, dass einige gerade vom Essen kamen (und nun auf dem Weg zur Eisdiele waren), andere zum Essen wollten, und die Auswärtigen alle keine Zeit hatten, weil noch andere Orte an der Ausflugsstrecke abzuhaken waren.

Die ersten Erklärungen gab es noch auf dem Marktplatz, der ursprünglich keiner war, sondern erst nach einem der vielen Stadtbrände durch Abriss niedergebrannter Häuser entstanden ist. Er hatte in der Folgezeit die verschiedensten Namen und Funktionen. Nach dem letzten Krieg hat die Rote Armee den Platz umzäunt und nur zu sowjetischen Feiertagen Zutritt gewährt, da dort viele ihrer Soldaten begraben waren. Nach der Wende wurden die Toten in eine Ecke des Platzes umgebettet und ihre Gräber mit neuen Namenstafeln versehen. Das ursprüngliche Denkmal der Roten Armee auf dem nun wieder zugänglichen Platz wurde in den 90er Jahren abgebaut und ist seitdem verschollen.


Seit der Freigabe des Platzes ist das Jahn-Denkmal zu bewundern, das 1935 anlässlich des 75-jährigen Bestehens des M.T.V. Altlandsberg 1860 errichtet und durch Steine mit den Namen befreundeter Sportvereine verziert wurde:
M.T.V Müncheberg 1881, T.V. Bahn Frei Kalkberge, M.T.V. Germania Kl. Schönebeck / Schöneiche, M.T.V. Werneuchen 1884, M.T.V. Woltersdorf 1888, Turn-Verein Jahn Biesdorf, M.T.V. Strausberg, T.V. Neuenhagen e. V., T.S.V. Altlandsberg Süd 1926.


Eine Stadtführung ohne Besuch der Uhlig-Plastik "Kleinstadtgeschichte" in der Kirchstraße ist undenkbar. Und so lenkte auch Frau Preis ihre Schritte als Erstes dorthin.


Die Plastik ist mit unheimlich vielen Details zur Stadtgeschichte versehen und insbesondere die in den Himmel schauenden Gestalten, deren miteinander verwachsenen Körpern die Hülle der Plastik bilden, lassen die vielfältigsten Interpretationen zu.
Je nachdem, ob man den Altlandsbergern wohlgesonnen ist oder nicht, kann man die Herrschaften als "weitsichtig" oder "hochnäsig" beschreiben. Halten wir uns mal an die Beschreibung der Plastik, die im Info-Dreieck auf dem Marktplatz aushängt:
"Die Bürger sind Gestalter der Geschichte und deren Symbole zugleich.
Da ist der Bürger der Kaiserzeit ebenso wie der brave deutsche Michel, der Zopfträger des 18. Jahrhundert oder die Bauersfrau.
Umgeben sind die Figuren der Zeitgeschichte mit der typischen Architektur Altlandsberg, den Kirchtürmen, bekannten Hausfassaden und Mauertürmen. ..."

Und auch ein paar witzige Tierköpfe und Bauernsprüche sind auf der Plastik zu finden:

Das Schaf auf dem Berge
hält die Ochsen unten für Zwerge.
Der Fisch, den man nicht fängt,
ist immer der größte.
Die Ente lacht
über das Watscheln der Gans.

Noch gibt der riesige Baum neben der Stadtkirche den Blick frei auf das um 1250 entstandene Gotteshaus. Wenn der Baum erst begrünt ist, muss man sich einen anderen Standort suchen, wenn man das imposante Bauwerk fotografieren will.
Den Schlüssel in der Hand steuert Frau Preis mit ihrer kleinen Truppe auf die Tür an der Seite des Kirchturmes zu, die vermutlich erst nachträglich geschaffen wurde. Denn bei dem Kirchturm handelte es sich um einen Wehrturm, in den sich die Bürger retteten, wenn die Stadt bedroht wurde. Als Zugang zum Turmraum diente vermutlich eine Leiter an der jetzt zugemauerten Öffnung über dem Hauptportal.
Die Verbindung zwischen Erd- und Obergeschoss im Turm bildete eine enge Treppe in der dicken Feldsteinwand. Das Bild unten rechts zeigt den oberen Zugang zu dieser Treppe, die durch ein paar schmale, jetzt verglaste Öffnungen im Mauerwerk beleuchtet wird.


Im Obergeschoss angekommen findet man einen sehr ordentlich restaurierten Raum mit neuer Dielung vor, der gelegentlich als Ausstellungsraum dient - hier war z. B. auch die Wanderausstellung über den Jakobsweg "vor der Haustür" zu sehen. Im Moment stehen da nur etwas schüchtern ein paar Tafeln mit Fotos der Kirche herum. Der goldene Engel, der von der Decke herab hängt, ist zwar offenbar durch eine dicke Staubwolke geflogen, schaut aber trotzdem sehr freundlich auf die seltenen Besucher herab.


Ein echter Hingucker ist der neue Dachstuhl mit dem Laufsteg über dem Gewölbe!

Den Denkmalschutz hat es vermutlich Überwindung gekostet, einem Ersatz der maroden Balken durch Stahlträger zuzustimmen. Aber was hier realisiert wurde, ist bestimmt die beste aller Lösungen. Nicht nur, dass das Stahlgerüst sicher viel stabiler und langlebiger als eine Balkenkonstruktion ist. Es ist auch viel filigraner und erlaubt den Verzicht auf senkrechte Stützen, so dass der Blick ungestört durch den ganzen Dachboden schweifen kann. Und der stabile Laufsteg ermöglicht es, in alle Ecken des Gewölbes zu sehen.


Frau Preis führt die Besucher noch ein paar Etagen höher in den Glockenstuhl, wo neben stählernen Stundenglocken noch zwei alte Bronzeglocken ihren Dienst tun - die dritte hat im ersten Weltkrieg zur Kanone umgeschmolzen irgendwo an der Front ihren letzten Dienst getan.
Im Raum darüber kann man das mechanische Uhrwerk bewundern, das durch schwere Gewichte in Gang gehalten wird, die immer mal wieder hochgekurbelt werden müssen. Ein Plexiglas-Deckel gewährt den Blick ins Innere, so dass man praktisch den Sekunden zuschauen kann, wenn sie durchs Uhrwerk wandern. Getriebe und Gestänge treiben im Übrigen nur drei Zeigeruhren an: Auf der dem ehemaligen Schloss zugewandten Seite hat der Kirchturm keine Uhr! Der Schlossherr hatte einst darauf bestanden, dass keine Uhr zum Schloss hin zeigt, denn "der Adel lässt sich von den Bürgerlichen nicht die Zeit vorschreiben" (oder so ähnlich).

Wenn man sich dort oben etwas genauer umsieht, kann man in den Fensterleibungen viele eingeritzte Jahreszahlen, Initialen und ganze Sprüche aus alten Zeiten entdecken - hier hat sich z.B. jemand 1631 verewigt, mitten im Dreißigjährigen Krieg. Vielleicht musste derjenige hier oben Wache schieben und nach dem Feind Ausschau halten - man hat ja von hier einen wunderbaren Blick. Aber beim derzeitigen Wetter hat kein Besucher das Verlangen die schützenden Fensterläden zu öffnen. Da kommt man lieber im Sommer nochmal her.

Die Kirche selbst ist üblicherweise Bestandteil der Stadt­führungen, aber aus unerfindlichen Gründen war sie trotz des Feiertages geschlossen. Ein weiterer Grund, nochmal wiederzukommen! Da derzeit das Kircheninnere aufwändig saniert wird, lohnt es eh, öfter mal reinzuschauen, da es stets Neues zu entdecken gibt.
Hier kann man übrigens über der Tür, den vermeintlichen Einstieg in den Fluchtturm sehen und anhand der schmalen Fenster rechts verfolgen, wo die geheime Treppe verläuft!

Ein paar Meter weiter findet sich schon die nächste Kirche. Nicht dass die Altlandsberger einst so fromm waren - das ist die ehemalige Schlosskirche, denn die Schlossherren brauchten natürlich ihre eigene Kirche. Dass hier die Tür geschlossen ist, war zu erwarten, denn noch harrt die schöne Kirche mit der tollen Akustik einer neuen Verwendung.


Wenn man hinter der Kirche auf dem ehe­maligen Schlosshof steht und von dem 1757 abgebrannten Schloss nur noch kümmerliche Reste sieht, kann man sich kaum vorstellen, was für ein prächtiges Schloss hier stand und wie eindrucksvoll dessen Umgebung war. Den Kreuzteich im Park kann man aber jetzt noch auf Google's Satellitenbildern ausmachen!

Das Gutshaus auf dem Schlossgelände ist nun schon seit ein paar Jahren restauriert und bietet einen guten Blickfang - und im Innern Platz für Kunst, Kultur und schöne Feiern.
Zusammen mit Stadtkirche, Schlossruine und Schlosskirche ergibt das ein eindrucksvolles Ensemble. Das hat schon für viele Stadtfeste eine tolle Kulisse gegeben.


Wenn man hier durch das mit Löwen verzierte Tor tritt und zweimal die Straße überquert, ist man schon auf dem Stadtmauerweg, auf dem man schnell zum Strausberger Tor gelangt, vorbei am "Armenhaus", das in die Stadtmauer gebaut ist und eine gemütliche Gaststätte beherbergt. Auf der anderen Seite fällt der Blick auf die Scheunen vor der Stadt.


Der Turm des Tores, der im Volksmund "Storchenturm" heißt, wird seit Kurzem wieder voll diesem Namen gerecht: Ein Storch kam schon vor einigen Tagen und zu Ostern kam nun noch der zweite. Und es sieht aus, als würden sie sich gut vertragen.

Von hier aus geht es weiter entlang der Stadtmauer, vorbei an der Rückseite der früheren Kolbenring-Fabrik am ehemaligen Bahnhof und an einem verwunschen aus­sehenden Erlenwald. Ein Stück weiter auf dem mit Bäumen bestandenen Weg steht man mitten in den Wallanlagen, die hier früher in drei Ringen vor der Stadtmauer lagen.


Im Gegensatz zur Berliner Mauer hat diese hier schon seit Jahrzehnten viele Türen. Die unten links hat ein Herr Zahl in die Mauer schlagen lassen, um sich den täglichen Weg zum Grab seines Sohnes auf dem hier gelegenen Friedhof zu verkürzen. Der Weg heißt seitdem "Zahlscher Weg". Mit dieser und vielen anderen kleinen Geschichten wusste Frau Preis die Zeit zu verkürzen (stets bemüht, ihr Tuch zu retten) und schon war die kleine Gruppe am Berliner Tor angelangt.


Hier im Turm, gleich neben dem Haus des Heimatvereins war ein anderes Vereinsmitglied am Schaffen: Herr Hübner, der interessierte Besucher auf den Turm klettern ließ - innen auf einer endlos langen, steilen Leiter. Wer da hoch und wieder runter kommt, hat eigentlich ein Türmer-Diplom verdient.
Aber schön ist der Blick von da oben und man sollte deshalb wirklich mal die Angst überwinden, einen Euro in die Vereinskasse geben und dort hochklettern! Und auch mal einen Blick in das Vereinshaus und dessen Garten werfen ...

Weiter ging es dann durch die Hirtengasse - wie der Name andeutet, früher nicht gerade die vornehmste Ecke. Aber die Mehrzahl der Häuser ist da schon prima hergerichtet.


Am Ende der Straße trifft man auf eine der bunten Figuren, die über die ganze Stadt verteilt sind und im Bezug zum jeweiligen Standort stehen. Diese Figur hier ist unschwer als Mönch zu erkennen und sie steht hier, weil auf dem rechter Hand liegenden Gelände einst ein Kloster stand. (unten rechts) Ein Kloster des Serviten-Ordens, der sich der Pflege alter und bedürftiger Menschen verschrieben hatte.
Zu dem Kloster gehörte eine eigene Kirche, die sogar schon über eine Orgel verfügte - am Anfang des 16. Jahrhunderts. Um 1540 ist das Kloster dann eingegangen - vermutlich wurde es von den Hussiten eingeäschert, die in jener Zeit hier ihr Unwesen trieben.
Der Vorsitzende des Heimatvereins, Herr Professor Niedrich, hat lt. Frau Preis auf dem Gelände noch einige Überreste des Klosters bis hin zu einem alten Brunnen gefunden. Es wird Zeit, dass auch dieses Gelände mal in einen ordentlichen Zustand gebracht und den Bewohnern und Besuchern der Stadt zugänglich gemacht wird.
Hier am Standort des früheren Klosters beginnt die Klosterstraße, die sich durch die ganze Stadt zieht (unten Mitte). An diesem Ende ist sie so breit, weil sich hier früher der Viehmarkt befand. Recht stattliche Häuser stehen in der Straße, die Fassaden schön hergerichtet und die Mauern der Hofgebäude wenn nötig durch Balken gesichert.


Am Haus Nr. 12 fallen sofort die liebevoll restaurierten Details auf: Der Löwe mit dem Wappen über dem Tor und auf den Torflügeln zwei Damen mit jeweils einem Wappen in der Hand: Das Eine mit einem Schwan, das Andere mit einem Bär.


Ein Stück weiter in der Klosterstraße steht die Altlandsberger Schule, die neben dem alten Schulhaus aus verschiedenen Anbauten besteht, die teils in DDR-Zeit, teils nach der Wende gebaut wurden und sich bis zur Ecke Poststraße hinziehen. Auch gegenüber, da wo zwei bunt gekleideten Kinder am Straßenrand turnen, befindet sich ein weiteres Schulgebäude mit ein paar Klassen­zimmern und einer großen Turnhalle auf dem Hof, der sich bis zur Stadtmauer erstreckt.

Wenn man die Klosterstraße weiter in Richtung Bernauer Straße schaut, sieht man ebenfalls viele schön restaurierte Häuser, aber auch noch ein paar Bruchbuden, die noch hergerichtet werden müssen. Da bleibt zu hoffen, dass der Drang zur Verschönerung ansteckend ist. Altlandsberg hat schon sehr viel von seinem Charme als Ackerbürgerstadt zurückgewonnen und manche Ecke sieht jetzt vermutlich schöner aus, als in der "guten alten Zeit".
Wie schön wäre es, wenn es lückenlos so aussähe!

Der Rundgang geht nun zu ende. Nach paar Schritte durch die Poststraße steht man vor der Apotheke, die früher mal einen Synagogen­raum beherbergte. Nun fällt der Blick schon wieder auf den Marktplatz und eines der ehemaligen Rathäuser.

Frau Preis verabschiedet sich hier von Ihren Gästen und lässt drei Besucher zurück, die zwei erlebnisreiche Stunden hinter sich haben und viel dazu gelernt haben. Und ganz bestimmt werden sie bald wiederkommen, um sich auch noch andere Ecken der schönen Stadt anzuschauen. Gelegenheiten dazu gibt es viele, z. B. das Sattelfest am 29. April 2012 oder den Vogelscheuchenmarkt mit dem "Tag der offenen Höfe" am ersten September-Wochenende.
Später im Jahr gibt es dann noch den Lichterlauf, den historischen Markt und den Weihnachtsmarkt.
Machen Sie sich doch auch mal auf den Weg nach Altlandsberg! Sie werden viel Schönes finden!