Wie in jedem Jahr war auch 2014 am Sonnabend vor dem zweiten Advent in Eiche Adventsmarkt angesagt.
Der ist immer wieder einen Besuch wert: nicht so riesig groß und laut, sondern sehr gemütlich und familiär.
Auf dem Anger stehen im Halbkreis Buden und Stände, in denen hübsche Kunstgewerbeartikel sowie Herzhaftes und Leckereien angeboten werden. In der Mitte steht ein hübsch geschmückter Weihnachtsbaum und wenn es dunkel wird, brennt dann oft noch auf dem Platz ein wärmendes Feuer.
Hier ist manches anders, als in der Stadt und in den umliegenden Dörfern. Hier läuft nicht der Nikolaus umher, sondern Frau Ruprecht, und statt Rudi, dem Rentier mit der roten Nase, steht hier ein Esel namens Hermann im Stall.
Zusammen mit ein paar kleinen Ponys trägt der auch ganz geduldig Kinder über die Wiese, wenn denen das kleine Karussell auf dem Platz nicht ausreicht.
Die größte Attraktion ist aber in jedem Jahr das für 15 Uhr angesagte Theaterspiel auf dem Markt.
Dort, wo der Anger durch die Gaststätte begrenzt wird, steht die Bühne und davor sind Stühle und Bänke aufgereiht, die schon lange vor Beginn der Vorstellung besetzt sind. Und auch die Fotografen haben sich da längst postiert.
Derweil das Publikum mehr oder weniger geduldig auf den Beginn der Vorstellung wartet, posieren hinter der Bühne Königspaare, Ballerinen und Schlagerstars für besonders aufdringliche Fotografen, wie den von mehrow.de.
So viel Prominenz, darunter zwei Königshäuser, bekommt man hier schließlich nicht oft zu sehen.
Noch während die Königspaare und die verschiedensten Märchenfiguren ihren Platz auf der Bühne einnehmen, treibt ein Herr sein Unwesen: Der Schürzenjäger.
Der Mann in grünen Jägerrock darf in Eiche in keinem Theaterstück fehlen - unlängst fiel ihm die Rolle zu, Groß­mutter und Rotkäppchen aus dem Wolf herauszuschneiden.
In diesem Jahr gab's weder Großmutter, noch Wolf im Theaterstück, da musste eine neue Jäger-Rolle her: Schnäppchenjäger oder Schürzenjäger. Er hat sich für letzteres entschieden und Jagd auf Schürzen gemacht.
Dass er dabei von dutzenden Augenpaaren beobachtet wurde, hat ihn nicht gestört.
Nach diesem Einstieg wurde das Publikum ohne Umschweife mit der Tragik des Stückes konfrontiert. Ein verklemmter junger Mann aus gutem Hause (früher wurden die „Prinzen“ genannt) findet einfach keine passende Partnerin. Die Eltern schicken ihn nun in die weite Welt, das heißt, durchs Dorf und in die Nachbardörfer, um diesen Übelstand zu beheben.
Aber unter allen Bekanntschaften, die er machte, war nie was Passendes dabei.
Am Backofen von Frau Holle (sie selbst war unterwegs, weshalb kein Schnee lag) traf er neben verbrannten Broten auch zwei Mädchen, die sein Interesse weckten. Das eine hatte zwar sehr reizvolle Proportionen, war aber furchtbar faul. Das andere war zwar sehr fleißig, hatte aber leichten Bartansatz und stammte offenbar trotz güldenem Kleidchen nicht aus wohlhabendem Hause, wie man leicht an den billigen Kopfhörern erkennen konnte.
Der Schürzenjäger war da weniger wählerisch und nahm alles mit, was er kriegen konnte - bis hin zur Dederon-Kittelschürzen und dem den zeit- und trägerlosen Stück aus „Malimo“.
Zurück zum wählerischen Prinzen. Wenn er dann mal auf eine echte Prinzessin stieß, dann hatte er wieder was anderes auszusetzen. Bei einer störte ihn zum Beispiel die verwilderte hundertjährige Rosenhecke rings ums Haus - hier wollte er dann doch lieber dem Gärtner den Vorrang lassen. Außerdem war das Mädchen ziemlich schläfrig ...
Als er dann auf ein reizvolles, weiß gefiedertes Wesen traf und schon „mein liebes Schwänchen“ ausrufen wollte, kamen da noch vier Schwestern (oder Brüder?) angeschwommen und mittendrin ein stolzer Gockel, der die Schar verteidigte.
Mit rhythmischem Flügelschlag setzte sich das schnatternde (auf Neudeutsch „chattende“) und gackernde Geflügel jedem Annäherungsversuch zur Wehr, so dass der Prinz ergebnislos dem Schwanensee den Rücken kehren musste.
Obwohl alle sechs äußerst graziös aussahen und sich zauberhaft bewegten, hingen die Augen der Zuschauer stets am Gockelhahn. Der kam einem irgendwie bekannt vor.
Kein Wunder, denn der hat ja auch schon in den Vorjahren mitgespielt. Der ist bei den weihnachtlichen Theaterstücken in Eiche einfach nicht wegzudenken und kein Drehbuchautor würde es wagen, ein Stück vorzulegen, bei dem der Hahn keine herausragende Rolle spielt.
Selbst bei einer theatralischen „Starwars“-Umsetzung wäre der Hahn dabei, und wenn auch nur als Bordverpflegung für einen intergalaktischen Ausflug.
Und auch Aschenputtel ist nicht mehr das was sie mal war. Die bestellt sich ihre Schuhchen bei Zalando, statt darauf zu warten, dass ihr ein Prinz neue Treter ins Haus bringt.
Ihre Schwestern machen's auch so: Im Versandhandel kann man reklamieren und muss sich nicht Zehen oder hacken abschneiden, wenn die Schuhe nicht passen.
Die Eltern sind verzweifelt. Wer soll denn mal von ihrem Sohn die Krone und die Kohle erben, wenn der nicht mal eine Braut findet?
Beim gemeinen Volk haben sich in solchen Fällen mitunter Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ bewährt, aber bei „Prinz sucht Frau“ sind Fernseher und PC überfordert.
Doch da passiert es: Auf der Flucht vor einem Jäger, der auch das Innere von Schürzen zu schätzen weiss, läuft ein hübsches Mädchen „atemlos durch die Nacht“ - und dem Prinzen direkt in die Arme. Die hat es ihm gleich angetan und lt. Selbstauskunft haben ihre Alten auch was auf der Kante. Aber wird sie auch den strengen Maßstaben von Mutti genügen?
Also, Mutti ist wie erwartet recht skeptisch und noch nicht so recht davon überzeugt, ob das Mitbringsel ihres Sohnes die richige Mutter für ihre Enkelkinder ist. Außerdem steht noch die Bonitätsprüfung der Eltern und die Schufa-Anfrage aus.
Und: Es gibt Zweifel am vorgelegten Stammbaum. Handelt es sich bei dem im Wald herumspringenden Mädchen wirklich um eine Prinzessin? Zu Zeiten, als es noch keine Gen-Test gab, hatten die angehenden Schwiegermütter eine ganz einfache Methode, das herauszufinden: drei Erbsen unter der Schlaraffia-Matraze mit einzeln aufhängehängten Taschenfedern und kreuzweiser Schaumstoffauflage.
Doch woher am Samstagabend drei Erbsen nehmen? Seit dem Sommer fährt samstags fährt kein Bus mehr. Wie soll man da in einen Supermarkt kommen, vielleicht noch einen mit Obst- und Gemüseabteilung?
Wie gut, dass es Tiefkühlkost gibt und das Burgverlies so kalt ist, dass man davon reichlich einlagern kann. Ein Schächtelchen Mischgemüse ist das schnell gefunden und aufgetaut. Drei Erbsen kommen in das Bett und den Rest bekommt der Esel Hermann.
Und jetzt kommt das Unfassbare: Eine Bettszene mitten auf dem Anger und das auch noch kurz vor Weihnachten!
Aber den Kindern mussten nicht die Augen zugehalten werden, denn die erste Nacht beim Prinzen in der Bude ist völlig anders gelaufen, als in Fernsehserien üblich.
Die aufgetauten Tiefkühlerbsen waren noch so frisch und knackig, dass sie am Po der Prinzessin Dellen hinterlassen und jeden erotischen Gedanken vertrieben haben.
Der Bläser auf dem Turm verkündete darauf, dass die Prinzessin echt und Tiefkühlgemüse zu empfehlen ist. Aufgetaut hat man auf dem Schloss bei der Gelegenheit auch ein vor Jahrzehnten eingefrorenes nordisches Schlagerquartett in Originalverpackung.
Nun wurde gefeiert. Die Brauteltern, die so mächtig sind, dass selbst der Eicher Ortsvorsteher auf sie hört, wurden mit der Kutsche abgeholt. Wegen der schlechten Busverbindung hat man darauf verzichtet, Vertreter fremder Königshäuser einzuladen, sondern stattdessen alle verschmähten oder durch's Fahndungsraster gefallenen Bräute kommen lassen.
Das gab eine tolle Party und für den Schürzenjäger ein ganz neues Betätigungsfeld.
Als feststand, dass die Speisenfolge bei der Hochzeit kein Geflügel enthalten soll, gesellten sich auch die Schwäne und der Hahn zur Hochzeitsgesellschaft.
Trotz drohender Vogelgrippe durften sie im Freien tanzen!
Nach den obligatorischen Hochzeitsfotos kam das nordische Gesangsquartett nochmal zum Einsatz.
Mit dem auf Englisch gesungenen Lied „Geld, Geld, Geld“ sollte es das Konsumverhalten der Besucher beeinflussen und diese zu reichlichem Kauf und Verzehr an den Buden auf dem Adventsmarkt bewegen.
Nach reichlichem Beifall sind die Besucher gern der Einladung gefolgt, sich mit Herzhaftem oder Süßem zu versorgen und nach ein paar ausgefallenen Geschenken Ausschau zu halten - oder zunächst in der Dorfkirche ein paar Weihnachtslieder zu hören und zu singen.
Den Theatermachern, vom Kulissen- und Kostümbastler über die Darsteller bis hin zum exzellenten Vorleser haben alle Großartiges geleistet. Man kann sich schon auf die Vorstellung im nächsten Jahr (am Samstag vor dem zweiten Advent um 15 Uhr) freuen und ganz fest darauf vertrauen, dass auch der Hahn wieder mit dabei ist!