Wenn Frankreich wieder von einem blutigen Attentat erschüttert wird oder ein Jahrestag ansteht, dann richten sich vermutlich in Bernau besonders viele Gedanken dorthin, denn die Stadt pflegt seit vielen Jahren eine Partnerschaft mit einer Stadt vor den Toren von Paris: Champigny sur Marne.
Vor einiger Zeit gab es die Gelegenheit, sich in dieser Stadt umzuschauen, leider bei scheußlichem Wetter, weshalb hier nicht mit Reklame-Fotos aufgewartet werden kann.
Die 75000-Einwohner-Stadt liegt etwa 15 Kilometer südöstlich von Paris in einer Schleife der Marne, die von Osten kommend den Ort einschließt und am Pariser Stadtrand in die Seine mündet. Bei schönem Wetter macht es sicher Spaß, am Ufer des Flusses zu spazieren oder sich dort in ein Gartenrestaurant zu setzen. Aber bei diesem Regen ...
An den Ortseingängen verweisen große Schilder auf die Partnerstädte von Champigny - neben Bernau sind das Städte in Schottland, Italien, Portugal und Nikaragua.
Die Städtepartnerschaft zwischen Bernau und Champigny sur Marne besteht seit 1962 und ist all die Jahre gepflegt worden. Man besucht sich gegen­seitig und es gibt laut Internet gemeinsame Veranstaltungen.
Das Zentrum der Stadt gibt sich recht kleinstädtisch - dort findet man das frühere Rathaus und ein paar Geschäfte.
Zum Flanieren kommt hier bestimmt keiner her. Die vielen Einwohner leben überwiegend in Großsiedlungen wie wir sie kennen und versorgen sich da in Supermärkten.
Deutsche Touristen sind hier selten - In den letzten 150 Jahre sind zwar wiederholt tausende Deutsche gleichzeitig "eingeritten", aber nicht aus touristischen Gründen ...
Im Krieg 1870/71 sind deutsche Truppen bis Champigny dur Marne gekommen und erst hier, kurz vor Paris in erbitterten Kämpfen gestoppt worden.
Ein (leider nicht zugängliches) Denkmal auf einem Plateau mitten in der Stadt gedenkt der Opfer dieser Kämpfe:
"In diesem Ossarium ruhen unbekannte französische und deutsche Soldaten, gefallen im Verlauf der Schlacht bei Champigny-sur-Marne während der Belagerung von Paris 1870-71"
Vom gegenüber liegenden "Parc de Plateau" hat man theoretisch einen guten Blick über die Stadt, wenn nicht Wolken und Regen dieses Erlebnis verhindern.
Da müssen wir wohl nochmal wiederkommen.
Heute haben wir noch ein anderes Ziel, die "Rue du Bernau", die sich lt. Google Maps quer durch die Stadt zieht, aber trotzdem gar nicht so leicht zu finden ist, wenn man ohne Stadtplan und Navigationsgerät unterwegs ist.
Auf der Suche kommt man durch die Wohnviertel, in denen offenbar die Mehrzahl der 75000 Einwohner lebt - da das dreimal so viele Einwohner sidnd, als wie Bernau hat, sind die Wohnblocks auch dreimal so hoch.
Und dann taucht plötzlich das Schild "Rue du Bernau" auf, das eine Straße ziert, die sich tatsächlich fast durch die gesamte Stadt zieht und große Wohnsiedlungen, Industriegebiete und Eigenheimsiedlungen durchquert.
Kein Vergleich zum Platz "Champigny-sur-Marne" in Bernau, der nichts als ein kleiner, abgelegener und vollgeparkter Parkplatz ist.
Die Eigenheimsiedlungen sehen eigentlich nicht viel anders aus, als bei uns, aber die unzähligen Freileitungen fallen einem ins Auge.
Es scheint, als wären hier Erdkabel und Mobilfunk noch völlig unbekannt. Aber:
Hier verkehrt sogar ein Bus und mehrere Haltestellenschilder beinhalten den Straßennamen. Dort findet man mitunter auch die bei Google übliche Schreibweise: "Rue du Bernaü".
Wie man das ausspricht, weiß leider kein nicht-französischer Mensch, aber das geht einem ja dort bei jedem zweiten Straßen- oder Ortsschild so ...
Wie viele der hiesigen Einwohner mögen schon einmal in Bernau oder überhaupt in Deutschland gewesen sein? Vermutlich nicht viele, denn die Franzosen bleiben im Urlaub am liebsten im eigenen Land, wo in der Urlaubszeit alles überfüllt und saumäßig teuer ist. Ja, nach Berlin verirrt sich schon mal jemand, aber nach Bernau? Und das, obwohl die Stadt viel Besuch verdient hat.
Damit trotzdem niemand auf Deutschland-Gefühl verzichten muss, haben sich Lidl und andere Anbieter geopfert und unsere (Kauf-) Kultur nach Frankreich getragen, auch ins Gewerbegebiet auf dem Plateau von Champigny-sur-Marne.