Am Sonnabend, den 5. November 2016 fand in der Kaulsdorfer Jesus-Kirche unter dem Thema
„Zur Kirchengeschichte von Marzahn-Hellersdorf“
der diesjährige „Tag der Regional- und Heimatgeschichte Marzahn-Hellersdorf“ statt.
Die Veranstaltung in einer Kirche des Stadtbezirks stattfinden zu lassen, war naheliegend. Und dass die Wahl dabei auf die Kaulsdorfer Dorfkirche fiel, war sicher kein Zufall. Kaulsdorf ist wie die Dörfer Biesdorf und Mahlsdorf nunmehr Ortsteil von Marzahn-Hellersdorf und die Kirche auf dem Anger ist eine der ältesten und prächtigsten Kirchen des Bezirks.
Die Kirche hat sich schon oft als geeigneter Ort für Vorträge und Tagungen bewährt - und mit dem Turmmuseum leistet sie zudem einen wertvollen Beitrag zur Heimatgeschichte.
Veranstaltet wurde die Tagung vom Heimatverein, der in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen feierte. Herr Brauer, der Vorsitzende des Vereins, streute sich bei seiner Begrüßung reichlich Asche aufs Haupt, weil der Verein sich erst jetzt, angestoßen durch die Reformationsfeierlichkeiten, umfassend mit der Kirchengeschichte des Bezirkes befasst.
So wie die Kirchen als Bauwerke über Jahrhunderte die Silhouetten der Städte und Dörfer bestimmt haben, so haben auch die dahinter stehenden Religionsgemeinschaften sowie die Pfarrer und Kirchengemeinden vor Ort die Geschichte der Städte und Dörfer maßgeblich geprägt.
Das war auch aus den Grußworten herauszuhören, die zum Tagungsbeginn verlesen wurden - sowohl in dem von Bischof Dr. Markus Dröge, als auch im Schreiben der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksstadträtin für Kultur, Frau Juliane Witt von den Linken.
Prof. Wolf R. Eisentraut (links), der als Mitglied des Heimatvereins die Moderation dieser Veranstaltung übernommen hatte, meinte in seiner Einleitung, dass die lila Farbe der Einladungskarten wohl eine Anspielung auf Kardinals-Gewänder sei. Pastorin Steffi Jawer (Mitte), die als „Hausherrin“ die Gäste in „ihrer“ Kirche begrüßte, wusste aber gleich zu kontern: Lila oder Violett ist durchaus eine typisch evangelische Farbe. Die Schilder mit dem Gottesdienstzeiten, die vielerorts an den Ortseinfahrten stehen, zeigen meist zwei oder neuerdings auch drei Kirchen, je eine lila, gelb und grün - und das Lila steht dabei für die evangelische Kirche ... Joachim Klee vom Gemeindekirchenrat (rechts) setzte da nicht nach, sondern beschränkte sich darauf, den Gästen kurz die Kirche vorzustellen, in der sie sich befinden, und auf das Museum im Kirchenturm zu verweisen, das unter seinen Fittichen ist.
Dann ging es mit den eigentlichen Vorträgen los:
Wolfgang Brauer hielt einen sehr interessanten, inhaltlich und umfänglich bedeutsamen Vortrag über „Die Reformation in Brandenburg“ und Pfarrer Ingolf Göbel referierte über ein weniger bekanntes Thema, „Die Marzahner Kirchenunion von 1832/35“.
Horst Rubin stellte in seinem Vortrag den Biesdorfer Pfarrer Adalbert Hosemann vor.
Als Superintendent der Diözese Berlin Land I (zu der auch Mehrow gehörte) begegnet der uns oft in Akten und Zeitungsartikeln.
In der Mittagspause war nicht nur ein leckerer Imbiss im Pfarrhaus zu bekommen, sondern auch ein genüsslicher Blick auf die vielen schönen Details der Kirche, die allesamt sehr liebevoll und aufwändig restauriert wurden.
Während die Patronatsloge im Altarraum meist unbesetzt bleibt, findet das Taufbecken hier erfreulich oft Verwendung.
Dann stellte Karin Satke die katholische St. Martins-Kirche in Kaulsdorf vor.
Dabei ging es sowohl um die einst schnell wachsende Gemeinde, als auch um die Architektur der Kirche in Stile der „Neuen Sachlichkeit“.
Dr. Christa Hübner zeigte im Vortrag „Die evangelische Kirche und das NS-Regime“, wie der Staat die Kirche unterwanderte.
In vielen Gemeinden gab es daraufhin „bekennende“ und „deutsche“ Christen.
André Gaedecke zeigte dann anhand von „Jesuiten-Prozessen“ den „Staatlichen Umgang mit den Kirchen in den 1950er Jahren“.
Und Harald Kintscher stellte das einstige Kaulsdorfer Pfarrerehepaar Tietsch vor.
Die Pastorin Tietsch hat sich besonders um die evangelischen Christen in den an Kaulsdorf grenzenden Großsiedlungen gekümmert, die lange ohne eigenes Gotteshaus und eigene Kirchengemeinde waren und deren Gemeindeleben sich in Hauskreisen abspielte.
Den Abschluss des Tages bildete ein Vortrag von Pfarrer Hartmut Scheel, der „Die evangelische Kirchengemeinde Hellersdorf in den 1980er/1990er Jahren“ betraf. Kirchen waren in den Plattenbausiedlungen nicht vorgesehen und so mussten die Gläubigen dort weite Wege hinnehmen oder sich in Wohnungen zu Gottesdiensten versammeln.
Rettung brachte Erichs Devisen-Not, die Baugenehmigungen bescherte, wenn der Bau in West-Mark bezahlt wurde.
So kamen auch die Hellersdorfer zu einem Kirchenbau. Vom Standort zwar ganz am Rande der Plattenbausiedlung, aber irgendwie doch mittendrin. Nach einem Auf-und-Ab der Mit­gliederzahl kurz nach der „Wende“ ist diese jetzt recht stabil.
Mit diesen Vorträgen war ein weiter Bogen von der Reformation bis in die allerjüngste Zeit gespannt, der viele Facetten des Miteinanders von Kirche und Gesellschaft im jetzigen Bezirk Marzahn-Hellersdorf beleuchtete.
Dem Heimatverein Marzahn-Hellersdorf als Veranstalter, der evangel. Kirchengemeinde Kaulsdorf als Gastgeber und den Referenten sei sehr herzlich für diesen interessanten Tag der Regional- und Heimat­geschichte gedankt.
Die an diesem Tag gehaltenen Vorträge sollen wie in den Vorjahren als Sammelband in der Reihe „Beiträge zur Regionalgeschichte“ erscheinen, auf den man sich schon freuen kann.