Es ist Sonnabend, den 30. April 2016. Nach ein paar lausig kalten Tagen scheint es ein schöner Frühlingstag zu werden.
Die Ahrensfelder Dorfkirche leuchtet in der Morgensonne und auf dem Pfarrgrundstück ist man schon dabei, Gleise und Fahrzeuge der „Ahrensfelder Kirchenbahn“ für das Eisenbahnfest am 28. Mai 2016 herzurichten.
Die zehn Leute, die sich hier zusammengefunden haben, wollen aber nicht mit dem Zug, sondern mit dem Rad fahren.
Es ist die alljährliche Radtour der Kirchengemeinden Ahrensfelde und Mehrow angesagt. Üblicherweise findet die am 1. Mai statt, aber das ist in diesem Jahr ein Sonntag und Frau Pfarrer hat sonntags andere Verpflichtungen.
Die Tour soll dieses Mal über Blumberg, Löhme, Werneuchen nach Altlandsberg und zurück über Mehrow gehen, fernab stark befahrener Straßen. Keine riesige Strecke, sondern ein gemütliches Radeln vor der Haustür.
Von der Total-Tankstelle geht es auf dem sogenannten „Schleifweg“ quer übers Feld nach Blumberg.
Das Kopfsteinpflaster am Ortseingang stellt die Räder auf eine harte Probe, aber im Ort gibt's tadellose Straßen.
Unsere Pfarrerin darf jetzt zwar (neben Ahrensfelde und Mehrow) auch hier und in Eiche die Kanzel bedienen, hat aber leider keinen Schlüssel, um uns mal das Innere der überaus sehenswerten Kirche zu zeigen.
So muss es bei einer kurzen theoretischen Abhandlung der Dorf-, Guts- und Kirchengeschichte Blumbergs blieben.
Es geht vorbei am Dorfteich, an den Wirtschaftsgebäuden des früheren Schlosses und an der neuen Privatschule, die etwa dort seht, wo einst das Arnimsche Schloss stand.
Im Park finden die Reste des alten Eiskellers Interesse.
Weiter geht es durch den ehemaligen Schlosspark, der viele Sichtachsen hat, die der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné schuf. Über seine Lebensdaten gab es unter den Radfahrern Unsicherheit. Die lauten: 29.9.1789 bis 23.1.1866.
Dicht an der Straße findet sich dann noch das Denkmal für Otto von Arnim, der hier 1813 im Befreiungskrieg gefallen ist.
Weiter geht es vorbei an der Kartoffelhalle in Richtung Norden bis zur „Christinenheide“ und von dort gen Osten nach Löhme. Hier herrscht Ruhe pur. Felder ringsum und zwischendrin nur immer mal ein paar Rehe oder Kraniche.
Eine Ruine am Wegesrand weckt Neugier. Es lässt sich nicht ermitteln, was das mal war, aber alle sind sich einig, dass es bei Regen ein prima Unterstand ist. Bald erreichen wir Löhme, und zwar da, wo die Gaststätte „Bei Muttchen“ war.
Alle vorher und vor Ort ange­stellten Versuche, in die Löhmer Kirche zu kommen, sind leider fehl­geschlagen.
So musste es bei einer äußeren Inspektion bleiben.
Vor der Kirche verläuft der Jakobsweg, der in manchen Karten auch „ökumenischer Pilgerweg“ genannt wird.
Ihm werden wir später noch ein Stück folgen.
Uns interessiert jetzt aber erst mal die Große Wiese zwischen der Kirche und dem bis rüber nach Seefeld reichenden See, denn es ist Mittag durch und damit beste Zeit für ein Picknick.
Die Decken sind schnell ausgebreitet und vollgestellt mit dem, was sich an Ess- und Trinkbarem in Satteltaschen und Rucksäcken findet. Und das ist sehr, sehr viel.
Noch ist die Sonne rar, da lässt man sie sich beim Festmahl gern auf den Pelz scheinen - bald wird mal wohl lieber ein paar Meter weiter unter dem riesigen Baum rasten
Gut gestärkt geht es weiter durch riesige, stark riechende Rapsfelder in Richtung Werneuchen. Kurz vor der Stadt macht der Weg aber einen scharfen Knick und führt über die Bahnlinie und die im Ausflugsverkehr kaum überquerbare B158 ins Werneuchener Gewerbegebiet.
Welcher Tourismusexperte herausgefunden hat, dass die Pilger im Mittelalter durch die heutigen Gewerbegebiete statt durch die Stadt gestapft sind, ist leider nicht bekannt.
Uns entgeht also eine Besichtigung der Sehenswürdigkeiten, die Werneuchen zu bieten hat: Die Kirche mit dem Pfarrhaus, in dem der Pfarrer „Schmidt von Werneuchen“ lebte, sein Grab, ein Mausoleum und der Gedenkstein an der Kirche.
Als Mehrower hätte man auch gern das Schloss gezeigt, das sich 1913 die mit einem Mehrower (Hans Müller) verheiratete älteste Tochter (Frieda) unseres Gutsbesitzers (Robert Stock) gebaut hat. Es ist vor über zehn Jahren aufwändig und liebevoll restauriert worden, hat aber noch immer keine Verwendung gefunden.
Es hat aber auch sein Gutes, dass wir stattdessen zügig nach Altlandsberg weiterfahren, denn dort wartet schon der Nachtwächter alias Horst Hildenbrand auf uns. Das ist eine große Überraschung, denn eigentlich hatten wir nur sachte angefragt, ob an diesem Tag was in der Stadt los sei.
Ohne dass ein Treffen, geschweige denn Ort und Uhrzeit vereinbart wurden, erwartet uns der Nachtwächter bereits am Brau- und Brennhaus. Das wurde erst ein paar Tage zuvor eröffnet und ist derzeit die größte Attraktion der Stadt. Da konnte er sich sicher sein, dass wir das nicht auslassen.
(Schon wegen des „Cupfers“ muss man hier Halt machen ...)
Nun haben wir also den sicher kompetentesten Stadtführer Altlandsbergs unter uns und der lässt sich auch nicht lange bitten, von seiner Stadt zu erzählen.
Es ist toll, was hier geschaffen wurde und was noch ansteht.
Wenn bald die Brauerei im Gange ist und auch Bier „außer Haus“ anbietet, dann wird man hier hoffentlich auch den Nachtwächterschnaps zu kaufen bekommen.
Bisher gibt's den nur nach mehrstündiger Stadtführung.
Auch wenn der Nachtwächter seinen „Beruf“ sehr ernst nimmt, ist er froh, wenn sich mal ein Ersatzmann findet, damit er Kopf und Arme frei hat, um sich zum Beispiel um die junge Chefin und das Personal der Gaststätte zu kümmern.
Dank seiner guten Beziehungen dürfen wir uns dann mit ihm das ganze Haus anschauen, obwohl überall geräumt wird.
Den tollen Kamin im Foyer, der extra aus England heran­geschafft wurde, kann man schon einige Zeit be­wundern, neu ist aber das Bild im Treppenhaus, das Personen aus der Altlandsberger Geschichte, vom Schlossherrn bis zum Sowjetsoldaten, friedlich vereint an einer Tafel sitzend zeigt.
Diese Bild hing vor einer Woche noch nicht hier.
Auch im großen Saal im Obergeschoss hängen plötzlich an den Wänden schön anzuschauende farbenprächtige Bilder mit überlebensgroßen Figuren aus der Stadtgeschichte.
Diese genau zu studieren und die beigefügten Texte zu lesen, ist heute leider keine Zeit.
Das ist ein prima Grund bald mal wiederzukommen.
Es gibt eh viele Gründe, in kurzen Abständen nach Altlands­berg zu kommen. Da gibt es nicht nur stete Veränderungen im Brau- und Brennhaus, das nun bald die technischen Einrichtungen zum Brauen und Brennen erhalten wird.
Da gibt es außerdem die vielen Baumaßnahmen auf dem ehemaligen Gutshof und im ehemaligen Schlosspark. Das auf dem Bild zu sehende Schloss wird leider nicht wieder aufgebaut, aber der Schlosspark wird wieder erstehen.
Auf diesen Park wird man künftig aus der Hochzeitssuite schauen, die am hinteren Ende des Brau- und Brennhauses eingerichtet wird. Der darunter befindliche 4-Gewölbe-Raum wird indes schon eifrig gastronomisch genutzt.
Der Nachtwächter zeigt und erklärt vor dem Haus noch einige Stellen, wo gebuddelt und Historisches gefunden wird.
Dann geht es gemeinsam in die Schlosskirche, wo bis vor ein paar Minuten noch eine Trauung stattfand.
Vor einem Jahr wurde die Kirche, die als einziger Teil des 1757 abgebrannten Schlosses erhalten geblieben ist, nach aufwändiger Sanierung wieder eingeweiht - nicht als Kirche, sondern als Konzert- und Veranstaltungsort.
Neben dem barocken Stuck und den überwiegend durch Spenden finanzierten großen Leuchter in der Kirche ist ein besonderer Hingucker die auf der Empore im Original erhaltene Wand, vor der sich einst die Orgel befand.
Die Jungen, die beim Orgelspiel den Blasebalg hinter der Orgel treten mussten, haben sich dort in den Pausen mit Graffitis verewigt. Trotzdem ist aus allen was geworden.
Wir nehmen hier vom Nachtwächter, der uns einen sehr interessanten Nachmittag in der Stadt beschert hat, Abschied und machen noch einen kurzen Abstecher in die Stadtkirche.
Die ist außen hervorragend restauriert und mit einem neuen Dach versehen worden. Im Innern gibt es aber noch sehr viel zu tun und das muss leider Schritt für Schritt passieren.
Viel, viel mehr wäre in der Stadt noch anzuschauen, aber wir waren ganz bestimmt nicht das letzte Mal hier.
Was man keinesfalls auslassen darf, ist ein Besuch der Eisdiele in der Berliner Straße. Und das, obwohl die ihre Preise „drastisch“ von 50 auf 60 Cent pro Kugel erhöht haben - bei gleichbleibender Qualität (denn besser gehts nicht)! Hier vor der Rückfahrt einzukehren, ist ein sehr guter Abschluss unsere in jeder Hinsicht gelungenen Radtour.