Zu den vielfältigen Angeboten, die Altlandsberg zu bieten hat, gehören die Vorstellungen des „Theaters im Gutshaus“.
Eine Laienspielgruppe unter Leitung von Dr. Werner Stephan hat immer wieder neue Programme zu bieten, von denen wir schon einige miterleben konnten und stets begeistert waren.
Wie der Name der Gruppe nahelegt, finden die Vorstellungen üblicherweise im Altlandsberger Gutshaus statt. Da in diesem Jahr (2016) aber ein Märchen auf dem Programm stand und deshalb großer Andrang durch Kinder zu erwarten war, fand die Premiere am 1. Dezember in der Schlosskirche statt, die aber leider auch nicht alle kleinen Besucher fassen konnte.
Die nachfolgenden Vorstellungen fanden dann wie üblich im Schwerin-Saal des Gutshauses auf dem früheren Domainen­hof statt, der in diesem Jahr bereits Veranstaltungsort einer interessanten Vortragsreihe über den früheren Altlandsberger Schlossherrn, Otto von Schwerin, war.
Wir waren am Sonntag, den 11. Dezember, nachmittags bei der letzten Vorstellung des musikalischen Märchens
„Das tapfere Schneiderlein“ nach Motiven der Gebrüder Grimm, für das Gabriele Stave den Text, Helmut Frommhold die Musik und Otto Edel das Bühnenbild geliefert haben.
Bunt gemischt saßen Kinder und Erwachsene im Saal und verfolgten die Handlung auf und vor der kunstvoll dekorierten Bühne. Die Kinder waren von der spannenden Handlung fasziniert und die Erwachsenen haben vor allem den professionellen Vortrag von Text und Gesang bestaunt.
Die Handlung war nicht ganz aus der Luft gegriffen: Ein ehrlicher, fleißiger Handwerker, in diesem Fall ein Schneider, ackert rund um die Uhr und kommt trotzdem nicht recht auf den „grünen Zweig“. Etliche schöne Sachen hat er schon geschneidert, aber viele davon sind nicht abgeholt und nicht bezahlt worden. Und das wunderhübsche, reich verzierte Brautkleid, das er für seine „Zukünftige“ geschneidert hat, ist auch noch ohne Inhalt ...
Damals wurde zwar noch keine Jagd auf potentielle Handy-Kunden gemacht, aber an Händlern, die mehr oder weniger verlockende Angebote hatten, mangelte es auch zu Zeiten unseres Schneiderleins nicht.
Viele ließen ihn kalt, aber die Marktfrau, die regelmäßig kam, um ihren köstlichen Mus und alle Neuigkeiten an den Mann zu bringen, ließ er gern zu sich ins Haus.
Zwar reichte sein Geld längst nicht, um der Dame eine handelsübliche Menge abzunehmen, aber während sie redete und redete hatte er Zeit, all ihre Mus-Sorten zu probieren. Eine war leckerer als die andere, aber alle waren derzeit für ihn unbezahlbar. Die Marktfrau war zwar reichlich enttäuscht, dass sie hier nichts absetzen konnte, aber da das Schneiderlein ihr so geduldig zugehört hat, spendierte sie ihm eine dick mit Pflaumenmus beschmierte Stulle.
Die Pflaumenmus-Stulle roch so lecker und seine Zungen­spitze sagte ihm, dass sie auch genau so lecker schmeckt. Am liebsten hätte er sie gleich verschlungen, aber was sollte er dann zum Abendbrot essen? Also kam der Teller mit der Stulle erst mal auf den Schrank.
Doch oh Schreck: als er sich über die Stulle hermachen wollte, hatte schon eine Vielzahl dicker Fliegen Geschmack daran gefunden und sich am Stullenrand platziert.
Da hilft nur ein Schlag mit der Fliegenklatsche. Dann spritzt zwar Einiges vom leckeren Mus durch die Schneiderstube, aber man ist die lästigen Mitesser los. Genau so kam es: Mus war nach dem Schlag kaum noch auf der Stulle, aber sieben tote Fliegen lagen neben dem Teller.
Sieben auf einen Streich! Das glaubt ihm keiner. Aber das wird ja leider auch niemand erfahren.
Und weil des damals noch kein Facebook oder Twitter gab, womit man das hätte der Menschheit mitteilen können, schrieb er es auf seinen Gürtel und zog in die Welt hinaus.
Der erste, den er traf, war der Räuber Hau, der sich freute, wieder mal jemand verprügeln zu können. Als ihm der Schneider aber seinen Gürtel zeigte, wurde er ganz kleinlaut.
Und auch der Bruder von Räuber Hau, der berüchtigte Räuber Klau, konnte beim tapferen Schneiderlein nichts ausrichten. Der war ja so arm, dass Räuber Klau ihm am liebsten was von dem Geld abgegeben hätte, das er gerade einem „hohen Tier“ samt Köfferchen an der luxemburgischen Grenze abgenommen hat. Die Steuerflüchtlinge sind ja heutzutage so raffiniert, dass sie nicht mehr schwarze Geldkoffer benutzen, sondern ganz unauffällige.
Auf seiner Abenteuerreise war das tapfere Schneiderlein inzwischen im Reich der Königin Walburga angekommen. Bei dieser Königin handelt es sich um eine (nicht nur, was die Stimme betrifft) tragische und wahrlich leidgeprüfte Person.
Die Räuber Hau und Klau gefährden schon seit einiger Zeit den Geldtransfer in Koffern durch ihr Land - wie sollen da Kneiper und Händler am Wegesrand zu den Einnahmen kommen, die Walburga ihnen als Steuer abnehmen möchte? Außerdem treibt ein Einhorn sein Unwesen im Königreich und zerstört nicht nur die Blumenrabatten vorm Schloss.
Den größten Kummer bereitet ihr aber die Prinzessin, die nichts von standesgemäßen Lebenswandel hält, nicht auf die Lehrerin in roten Knickerbockern hört, ständig zickt, sich nicht waschen will und auch die für sie auserwählten Prinzen, wie z. B. den großohrigen aus England, nicht heiraten will.
Unter all den schönen Blumen im Schlossgarten stößt die Prinzessin auf den, welcher „Sieben auf einem Streich“ erledigt hat und sicher auch in Mutters Königreich für Ruhe, Ordnung (und störungsfreien Geldtransfer) sorgen könnte.
Für den würde sie sich vielleicht sogar wieder waschen und hübsch anziehen - und eventuell auch brav sein.
Also wird der arme Kerl ins Schloss geschleppt und der misstrauischen Königin Walburga vorgestellt. Die ist gar nicht „amused“ beim Anblick dieses kleinen Mannes, aber all die Recken, die sich vorher angeboten hatten, konnten ihre Probleme auch nicht lösen.
Warum soll einer, der 7 auf einen Streich erledigt hat, nicht auch zwei Räuber festsetzen können? Der Schneider hat tatsächlich keine Mühe, die Räuber Hau und Klau zu fangen.
Viel größere Mühe hat er, das Versprechen der Königin einzuklagen, ihm die Prinzessin als Braut zu überlassen. Nun soll er zuvor auch noch das Einhorn unschädlich machen.
Sieben Einhörner würden vielleicht seinen vollen Einsatz fordern - aber ein einzelnes?
Schnell ist das seltsame Tier ins Nachbarreich (Fabelreich) verjagt und der Walburgische Schlossgarten wieder frei von einhörnigem Getier.
So wie der Chef, der sich seit Jahren mit immer neuen Ausreden vor einer Bonuszahlung an die Mitarbeiter sträubt, hat Walburga immer wieder neue Gründe parat, warum sie die Tochter trotz aller Versprechen nicht hergeben kann.
Da platzt der Prinzessin der Kragen. Obwohl sie im Falle einer Verheiratung Besserung versprochen hat, stellt sich die Mutter quer. Sie gönnt ihr wohl nicht das schöne Hochzeits­kleid, das sie im Gepäck des Schneiders entdeckt hat.
Endlich knickte die Königin ein und stimmte der Hochzeit ihrer Tochter mit dem so erfolgreichen Helden zu. Zählt man die beiden Räuber und das Einhorn zu den Sieben auf dem Gürtel hinzu, dann hat er schon 10 Bösewichte geschlagen!
Die Prinzessin sieht im blauen Hochzeitskleid wundervoll aus! Der Spiegel meinte gar, sie wär die Schönste im Land!
Dass es auf dem Schloss eine große Hochzeitsparty geben wird, hat sich schnell herum gesprochen.
Und dass es „da oben“ mit Saus und Braus zugehen wird, auch wenn es denen „da unten“ nicht sonderlich gut geht, war auch damals schon selbstverständlich. Da kann man nur versuchen, „ein Stück vom Kuchen“ abzubekommen.
Und so macht sich auch die uns bereits bekannte Marktfrau mit ihrem Mus auf den Weg ins Schloss: Die Hochzeitsgäste wollen doch sicher leckeren Mus essen!
Fast hätte sie noch dem Bräutigam Probleme bereitet, weil sie ihn als armes Schneiderlein erkannte und dies natürlich nicht verheimlichen wollte oder konnte.
Aber nun gab es kein Zurück mehr. Lieber einen Schneider als Schwiegersohn, als eine zickige Tochter im Schloss!
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann feiern sie noch heute!
Das war wieder ein wirklich gelungenes Theaterstück mit glänzenden Schauspielern (v.l.n.r.):
Gabriele Gujjula, Gisela Lehmann, Inge Starke, Gabriele Stave, Gabriele Käß, Brigitte Hildenbrand, Werner Stephan
Lob und Dank sei auch denen gesagt, die für einen reibungslosen Ablauf der Vorstellung gesorgt haben.
Das waren Torsten Krause als Licht- und Ralf Thaler als Tontechniker sowie Renate Thaler als Souffleuse.