Am 5. bzw. 6. März 2016 fand bundesweit der „8. Tag der Archive“ statt. Der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) hat diese Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, um alle zwei Jahre einem möglichst breiten Publikum die Arbeit der Stadt-, Kreis-, Landes- und sonstigen Archive vorzustellen. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Titel „Mobilität im Wandel“ - ein Thema, das wohl für jeden Interessantes bereithält, da wir ja alle mehr oder weniger von den Entwicklungen im Verkehrswesen betroffen sind.
Darüber gibt es viel zu erzählen und wohl jedes Archiv enthält reichlich relevantes Material. Da ist es schade und unverständlich, dass viele Archive im Land sich nicht beteiligt haben und andere Archive Vorträge boten, die weit vom Thema entfernt waren.
Anders sah es in dem für uns zuständigen Kreisarchiv in Eberswalde aus. Brigitta Heine (links), die Leiterin des Archivs, hat ein Vortragsprogramm zusammengestellt, das so ziemlich alle Facetten des Verkehrs in unserer Region abdeckt: Schiffs-, Straßen- und Eisenbahnverkehr. Und zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie für einen sehr angenehmen Nachmittag im Kreisarchiv gesorgt.
Das Angebot ist wirklich gut angenommen worden. Weit über 50 Gäste aus dem ganzen Kreis waren gekommen und haben den Vortragsraum bis auf den letzten Platz gefüllt - wer nicht pünktlich war, musste bis zu Pause warten und darauf hoffen, dass jemand vorzeitig gehen muss.
Den Anfang machte Jörn Lehmann vom Liebenwalder Heimat- und Geschichtsverein e.V. mit Passagen aus seinem gerade erschienenen Buch
„Die obere Havel und der Finowkanal“.
Im Hintergrund lief eine Diashow mit vielen historischen Bildern des Kanals und der anliegenden Orte. Herr Lehmann hat als ehemaliger Kriminalkommissar für sein Buch akribisch recherchiert und viele Details zur Planung und zum Bau des einst so bedeutenden Finowkanals zusammengetragen.
Nicht nur als Hobby-Historiker, sondern vor allem auch in seiner Funktion als Bürgermeister der Stadt Liebenwalde verfolgt er die Arbeiten zur Reaktivierung des Kanals und die Pläne für dessen künftigen Betrieb, an denen er mit beteiligt ist. Er ist übrigens auch für das sehr sehenswerte Liebenwalder Stadtmuseum zuständig, das im ehemaligen Gefängnis unter­gebracht ist und viele Ausstellungsstücke und Dokumente zur Stadtentwicklung zeigt.
Im Anschluss daran hat Frank Wruck, der Geschäftsführer der Barnimer Busgesellschaft mbH (BBG), über
„Die Geschichte des Obusverkehrs in Eberswalde“
referiert. Da konnte man erfahren, dass 1901 schon einmal versuchsweise O-Busse in Eberswalde fuhren, aber wegen der vielen aufgetretenen Probleme von ihrer Einführung Abstand genommen wurde. Von 1910 bis 1940 fuhren dann Straßenbahnen in der Stadt und erst ab 1940 kam es zum Einsatz der O-Busse im Linienverkehr.
Natürlich gab es viele Bilder historischer, aber auch moderner O-Busse zu sehen - und dazu das klare Bekenntnis, beim O-Bus-Verkehr in der Stadt zu bleiben. Zur ohnehin günstigen Schadstoffbilanz kommt hinzu, dass der in der Region gewonnene Ökostrom nicht auf die Reise nach Süddeutschland geschickt werde muss, wenn es hier genug Abnehmer gibt. Interessant war übrigens auch zu erfahren, dass die derzeit 12 O-Busse der BBG 40% des Fahrgastaufkommens bewältigen, die restlichen 60% entfallen auf über 100 Dieselbusse.
Nach einer Pause mit Kaffee und köstlichem Kuchen hat der Mehrower Ortschronist, Benedikt Eckelt, in seinem Vortrag
„Maut vor 150 Jahren“,
der in ähnlicher Form schon einmal auf dem Geschichts­nachmittag 2104 im Ahrensfelder Rathaus gehalten wurde, den „Chausseebau und die Chausseegelderhebung in der Umgebung von Ahrensfelde im 19. Jahrhundert“ beleuchtet.
Gleich im Anschluss sprach Olaf Grell von der Forschungsgruppe Meilensteine e. V. über die
„Geschichte des Straßenwesens
im Bereich des heutigen Landkreises Barnim“
.
Die Gefahr war groß, dass es zu vielen Überschneidungen der beiden Vorträgen kommt, aber Herr Grell hat als souveräner Redner ganz geschickt Dopplungen umschifft und sich vorallem auf die technische Ausführung und die Markierung der Straßen in unserer Region konzentriert.
Da war viel Interessantes über die einst prachtvoll geplante, aber dann meist sehr schlichte Ausführung der Meilensteine zu erfahren, und darüber, dass diese nach der Einführung des metrischen Systems teils versetzt und teils übermalt wurden (oder ganz verschwanden), weshalb sie an vielen Chausseen nicht mehr in regelmäßige Abständen stehen.
Der letzte Redner des Tages war aus dem fernen Rheinland angereist, erwies sich aber als ein exzellenter Kenner der hiesigen Eisenbahngeschichte. Günter Krause, von der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e. V. zeigte in seinem erfrischend locker gehaltenen Vortrag
„Eisenbahnen im Nordosten Brandenburgs
(Landkreis Barnim)“
anhand von Karten, wie sich das hiesige Eisenbahnnetz von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verdichtete.
Natürlich gab es auch Bilder damaliger Schienenfahrzeuge, alter Bahnhöfe und anderer baulicher Anlagen zu sehen. Zum Beispiel von der einst spektakulären Unterquerung des Oder-Havel-Kanals durch die Eisenbahnlinie nahe Eberswalde.
Den ganzen Nachmittag über gab es die Gelegenheit, sich im Foyer und in den Gängen des Kreisarchivs eine lehrreiche Ausstellung zum Finowkanal anzusehen oder in Archivalien zum Thema Verkehr zu stöbern, die von den Mitarbeitern des Archivs zu diesem Zweck herausgesucht und bereit­gestellt wurden: Karten, Bauakten, Verträge, Bilder usw.
Dabei konnte man auch mal einen staunenden Blick in die großen Archivräume werfen, in denen dicht beieinander fast bis an die Decke reichende Regalen stehen.
Frau Heine und ihrem Team (das auf dem Bild nicht ganz vollzählig ist), sei herzlich Dank gesagt für den angenehmen Nachmittag im Kreisarchiv: Für die interessanten Vorträge, die Ausstellung zum Finowkanal, den Einblick ins Archiv und nicht zu vergessen die liebevolle Bewirtung in den Pausen.
Wer es in diesem Jahr nicht zum „Tag der Archive“ nach Eberswalde geschafft hat, der kann damit getröstet werden, dass es in zwei Jahren den nächsten „Archivtag“ geben wird.