Es ist der 8. September 2019, ein Sonntag. Viele Wolken am Himmel, aber trocken.
Im Internet habe ich für diesen Tag eine Einladung zum 5. Oberbarnimer Feldsteintag mit verschiedenen Veranstaltungen gefunden. Das klang interessant, insbesondere die geführte Wanderung auf der Via Vetus.
Die Wanderung startet erst um 10.30 Uhr in Ernsthof. Da ist genug Zeit, auf der Hinfahrt schon mal ein paar „steinreiche“ Dörfer zu besichtigen. Man kommt ja schließlich nicht so oft in diese Gegend hinter Strausberg - höchstens mal auf der Fahrt nach Buckow in der Märkischen Schweiz.
Schwierig ist es momentan überhaupt nach Strausberg zu kommen, weil die Straße zwischen Altlandsberg und Eggersdorf schon einige Zeit und noch lange gesperrt ist.
In Hohenstein trifft man gleich am Ortseingang auf Feldsteinhäuser, die heute zusammen mit den Feldstein­kirchen im Mittelpunkt der Begierde stehen sollen.
In der letzten Eiszeit konnte oder wollte das Eis hier im Oberbarnim nicht weiter und hat sich seiner aus dem fernen Skandinavien mitgeführten Steine entledigt.
Die Steine liegen hier überall rum und immer wieder treten auf den Feldern neue zu tage. Dort stören sie, aber als Baumaterial sind sie begehrt.
Und deshalb trifft man hier auf den Dörfern viele alte Feldsteinbauten an.
Am Tag zuvor war Erntefest in Hohenstein. Ein großer Traktor aus verzierten Strohballen und Banner an den Zäunen künden noch davon. Auf dem Dorfplatz ist man gerade dabei die Fahrgeschäfte und Buden abzubauen.
Die LKWs, die auf dem Dorfplatz rangieren, um ihre Anhänger an den Haken zu bekommen, müssen hier nicht nur auf die Bäume achten, sondern auch auf die monströsen Findlinge, die am Rand des Platzes verstreut liegen.
Die Dorfkirche, die selbstredend aus Feldsteinen errichtet ist, versteckt sich auf der gegenüber liegenden Straßenseite auf dem Friedhof hinter der ehemaligen Gaststätte.
Die Pfeiler beidseits des Westgiebels der turmlosen Kirche waren mal kunstvoll mit verschieden farbigen Feldsteinchen verziert, jetzt ist deren Anblick nur noch traurig.
Weiter geht es nach Klosterdorf, einem Ortsteil der Gemeinde Oberbarnim, wo man offenbar nicht mit großen Festen, sondern mit einem sehr gepflegten Ortskern, Sitzbänken sowie vielen Wegweisern und Info-Tafeln um Besucher wirbt.
Das Klosterdorfer Wappen mit drei Kreuzen und drei Ähren findet sich an vielen Stellen im Dorf - gern auch zusammen mit dem Jahr der Ersterwähnung: 1247 - das war 80 Jahre vor der ersten Erwähnung Mehrows!
Dafür war Mehrow zwei Jahre länger selbständig. Klosterdorf wurde bereits 2001 mit Bollersdorf, Grunow, Ernsthof und Pritzhagen zur Gemeinde Oberbarnim fusioniert, bei uns hat die Gemeindegebietsreform erst 2003 zugeschlagen.
Gut erhaltene bzw. wieder hergerichtete Feldsteinbauten flankieren den Dorfteich, dessen Ufer zum Verweilen einlädt.
Die recht große Kirche schaut zwar immer mal durch Baum- und Hauslücken durch, aber der Zugang ist gar nicht so leicht zu finden. Da orientiert man sich am besten an dem stattlichen Bild, das sich jemand an seine Hauswand hat malen lassen - natürlich mit Wappen.
Das Bild ist richtig gut gelungen.
Rechts daneben ist der Zugang zum gepflegten Friedhof, der die Kirche umgibt. Diese ist unter Zisterziensern des Klosters Zinna, denen „Closterdorp“ einst gehörte, gebaut worden.
Glaubt man den Wiederentdeckern der Jakobswege durch Ostbrandenburg, dann führte einer dieser Pilgerwege durch Klosterdorf. Die Tafel am Friedhofseingang informiert darüber.
Die exakte Schichtung der zu Quadern geschlagenen Feldsteine deutet schon darauf hin, dass die Kirche sehr alt ist. Zu Zeiten, da es noch keinen ordentlichen Mörtel gab, mussten die Steine sich gegenseitig halten.
Offenbar waren auch damals schon Jungfrauen knapp, die man für den besseren Halt hätte einmauern können.
Keinen Mangel gibt es im Dorf an Infotafeln und Wegweisern. Wenn man die umklappen könnte, gäbe es bei Regen einen guten Regenschutz für größere Reisegruppen.
Aber lieber ein bisschen zu viel Information, als gar keine - man muss ja nicht alle Tafeln beim ersten Besuch lesen. Lesenswert sind sie allesamt.
Große Tafeln, die in allen Ortsteilen zu finden sind, geben allgemeine Informationen über die steinreiche Gemeinde Oberbarnim und stellen die Oberbarnimer Feldsteinroute vor.
In der Mitte der Orte und an besonderen Sehenswürdigkeiten finden sich fünfeckige Tafeln mit Lageplan, geschichtlichen Daten und einer kurzen Beschreibung. Eine gute Idee.
Nun wurde es aber Zeit, nach Ernsthof aufzubrechen - einem ehemaligen Vorwerk von Grunow, das 1833 entstand und hundert jahre später aufgesiedelt wurde. Auf dem Weg von Klosterdorf ostwärts muss man kurz vor Grunow rechts in die B 168 abbiegen und nach ein paar Metern ist man schon da.
Der größte Teil von Ernsthof liegt auf der rechten (westlichen) Seite der 168 und wird von nur zwei Straßen durchschnitten: der Mittel- und der Ringstraße.
Da die Namen der Straßen deren Lage beschreiben, sollte man ohne Stadtplan auskommen: Die Ringstraße verläuft im Halbkreis durch den Ort und die Mittelstraße mittendurch. Theoretisch. Gleich hinter dem Ortseingang steht man an einer Gabelung, wo zweimal die Mittelstraße abgeht ...
Endlich angekommen, war der Wanderleiter schon in Aktion.
Manfred Ahrens, der hier (und in Grunow) Ortsvorsteher war, dem Strausberger „Akanthus-Verein für Stadt- und Regionalgeschichte“ vorsteht, als Ortschronist agiert und nicht ganz schuldlos an der „Oberbarnimer Feldsteinroute“ ist, gab ein paar Erklärungen zur Tour und schon ging es los.
Zwischen den Wirtschaftsgebäuden des ehemaligen Vorwerks schilderte er die noch nicht so lange Geschichte des Ortes, die durch Krieg und Wende geprägt wurde.
Und dann ging es raus in die Natur - rüber über die 168 und schon standen wir zwischen gerade abgemähten und schon wieder bestellten Feldern. Auf staubigem Weg ging es zum Sophienfließ, das in diesem heißen, trockenen Sommern nicht als solches zu erkennen ist.
Die endlosen Felder auf leicht gewelltem Boden werden an vielen Stellen durch kleine Baumgruppen oder Solitäre geschmückt.
Es ist erstaunlich, dass die sich auf diesem trockenen Boden behaupten können.
Immer wieder wurde Halt gemacht und auf die Erklärungen von Manfred Ahrens gelauscht. Obwohl (oder weil) er ein Zugereister ist, weiß er bestens über diese Gegend und ihre Geschichte Bescheid. Und er versteht es, bei seinen Zuhörern das Interesse an ihrer unmittelbaren Heimat zu wecken bzw. zu befördern.
Als Vorsitzender des Akanthus-Vereins kennt er viele Wissenschaftler, die sich mit der Brandenburger Geschichte befassen und lässt auch deren Thesen und Gedanken in seine Erläuterungen einfließen. Man hat da also nicht das Gefühl, dass jemand nur seine eigene Meinung gelten lässt.
Dass man bei Erforschung der Heimatgeschichte vielfach auf Vermutungen angewiesen ist und auf strittigen Meinungen stößt, sollte sich am Ziel der Wanderung zeigen: am Bollersdorfer Stein, auch „Näpfchenstein“ genannt.
Nach erneuter Überquerung der 168 ging es eine Weile entlang eines Feldrains, bis auf die Höhe einer Bauminsel mitten auf dem riesigen, staubigen Feld. Dieses wurde nun mutig überquert, wobei der Wanderführer wie schon mehr­fach an diesem Tag unter Beweis stellte, dass er nicht nur was im Kopf hat, sondern auch leistungsfähige Beine besitzt.
Die lieben Wandersleut' hatten mitunter Mühe, auf dem Acker mit seinem Tempo mitzuhalten.
An der Baumgruppe angelangt gab es die Erklärung, was es gleich zu sehen gibt und warum der Weg sich gelohnt hat.
Gebückt kroch die Gruppe über Feldsteinhaufen kletternd in das Innere der Baumgruppe und fand sich dort auf einem riesigen, flachen Findling wieder. Mit 18 m Umfang ist er der größte Findling in der Märkischen Schweiz und angeblich der sechstgrößte in Brandenburg. Auch er ist vermutlich vom Eis aus Skandinavien hier her geschleppt worden.
Auf dem Stein hatte nicht nur die aus etwa einem Dutzend Leuten bestehende Wandergruppe Platz - da hätte locker auch noch eine Schulklasse 'rauf gepasst.
Das Mysteriöse an diesem Stein sind die „Näpfchen“, die sich auf seiner Oberfläche befinden: kreisrunde, sehr gleich­mäßige Vertiefungen mit vielleicht 10 cm Durchmesser und 1...2 cm Tiefe. Die sind vermutlich künstlich geschaffen worden - von wem und warum, ist nicht bekannt.
Zurück ging es wieder im Gänsemarsch, möglichst unter Benutzung der Fußstapfen der Hinweges. Weiter ging es dann am Feldrain, um eine Kurve und weiter auf Trampel­pfaden am Feldrand bis endlich ein halbwegs befestigter Weg erreicht war, der für mich Objekt der Begierde war. Das soll ein Teil der Via Vetus sein, von deren Existenz ich vor ein paar Tagen noch nichts wusste.
Die Via Vetus („Alter Weg“) ist ein alter Handelsweg, der etwa im 13. Jahrhundert die Slawenfestung in Köpenick mit Wriezen, dem nächst gelegenen Hafen an der Oder verband. Sie führte vermutlich über Tasdorf, Hennickendorf, Hohen­stein, Grunow, Reichenow und zwischen Hohenstein und Grunow halt durch Ernsthof, das es damals noch nicht gab.
Der ganze Weg ist knapp 60 km lang - das müsste zu Fuß in zwei Tagen zu schaffen sein. Ein neues Projekt ist geboren ...
Auf der Via Vetus ging es zurück nach Ernsthof, wo es galt, Abschied zu nehmen. Der größte Teil der Gruppe und ein paar hinzugekommene Interessierte unternahmen nun eine Besichtigung der Dahlienpracht in Ahrens' Garten und versammelten sich später im Siedlerheim zum Kaffeetrinken.
Ich habe mich hier „abgeseilt“, weil an diesem Tag die sonst meist verschlossenen Kirchen in Grunow und Ihlow wegen Veranstaltungen offen standen und zu besichtigen waren.
Bis Grunow sind es nur ein paar hundert Meter. Dort erwarten den Besucher nicht nur sehenswerte Feldsteinbauten wie das Spritzenhaus fast mitten auf der Dorfstraße, sondern auch Hinweistafeln und Bänke zum Ausruhen.
In diesem Ort heißt übrigens jede Straße „Dorfstraße“, egal in welche Richtung sie führt. Man findet also viele Dorfstraßen vor, aber nirgendwo im Dorf ist eine Kirche zu finden. Die liegt ein Stückchen außerhalb des Ortes in Richtung Ihlow.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass damals die (natürlich aus Feldsteinen bestehende) Kirche außerhalb des Ortes errichtet wurde, denn die Dorfkirchen gehörten immer in die Mitte der Siedlung. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich das Dorf einst rings um die Kirche befand, dann aber durch Krieg oder Brand zerstört und an anderer Stelle wieder errichtet wurde.
Hier die Kirchentür mal offen zu finden ist ein großes Glück. Für diesen Sonntag-Nachmittag war ein Gottesdienst im Freien („Gottesdienst To Go“, wie man heute sagt) mit anschließendem Kaffeetrinken angesagt. Da steht doch sicher die Tür offen und man kann mal reinschauen.
Und so war es auch: Die Tür stand einladend weit offen und man konnte sich in Ruhe umsehen. Das Innere der Kirche ist sehr einfach, aber in gutem Zustand. Alles macht einen gepflegten und wirklich einladenden Eindruck.
Ein paar Besonderheiten der Kirche kann man aber auch bestaunen, wenn die Tür geschlossen ist. Da ist zum einen das sogenannte „Jerusalemer Kreuz“ auf einem Stein in etwa 4 m Höhe an der Innenseite des Stützpfeilers links neben der Tür: Ein großes Kreuz und in den vier von ihm gebildeten Quadranten je ein kleines Kreuz.
Dieses Kreuz wurde einst von den Kreuzrittern benutzt, die das Königreich Jerusalem schufen und verteidigten.
Viel rätselhafter als der Stein mit dem Jerusalemer Kreuz, zu dem man sich einen Reim machen kann, sind die sogenannten „Schachbrettsteine“, von denen sechs in der nordwestlichen Ecke verbaut sind und einer über der zugemauerten Pforte auf der Nordseite zu finden ist.
In unserem Nachbardorf Hönow, wo es einen solchen Stein gibt, hält man das Schachbrettmuster für ein Zunftzeichen. Aber wer bringt davon schon sieben an einem Bauwerk an?
Die kleine Schar an Gottes­dienstbesuchern ließ an diesem Tag die Kirche hinter sich und begab sich mit der Kinderwagen-schiebenden Pfarrerin und einem Trompeter aus der Jungen Gemeinde in die Feldmark.
Den ganzen Tag über zogen Wolken über den Himmel - mal kleine weiße, die das Herz jedes Fotografen schneller schlagen ließen, mal dunkle schwarze, die bestenfalls der Meteorologe liebt. Alle blieben aber samt Regen oben, so dass die Grunower Kirchgänger trocken an die Kaffeetafel gelangten und ich heil nach Ihlow kam.
Hier war wieder keine Kirche zu entdecken - dieses Mal aber, weil sie von hohen, dichten Bäumen umstanden ist.
Zwischen den Dorfteichen fiel dann der Blick auf ein großes Gemäuer. Hier konnte man gut parken und da das Tor zum Friedhof offen stand, brauchte man über die Mauer klettern.
Die Einladung zum Feldsteintag hatte für 16 Uhr ein Konzert in der Kirche angekündigt - da aber kurz vor vier kein Mensch zu sehen war, ahnte ich Schlimmes.
Wie befürchtet hatte das Konzert der Kneip-p-Sisters nicht wie angekündigt um vier, sondern schon um drei begonnen. Ich kam also pünktlich zu den Zugaben. Zum Glück waren die Frauen so gut, dass es davon viele gab und man fast noch ein ganzes Konzert mitbekommen hat.
Laut eigener Webseite sind die 20 Kneip-p-Sisters um Chorchefin Sandra Hoffmann „mit- und hinreißende Frauen - schwungvoll & vielseitig - bunt & überraschend“. Das stimmt.
Kaum hatten die Damen die Bühne verlassen, machte ich mich an die Inspektion es Altarraumes, der zwar keinen Altar, aber im Boden eine große Grabplatte und an den Wänden teilweise freigelegte alte Bemalungen aufweist.
Seit wann das so aussieht, weiß ich nicht - ich kannte die Kirche bisher nur eingerüstet und mit verschlossener Tür.
Apropos Tür: Bei aller Freude über die Sanierungserfolge - die Tür hinten rechts im Kirchenschiff ist für einen großen neugierigen Jungen das Beste, was die Kirche zu bieten hat. Hinter ihr führt nämlich eine schmale Treppe im Mauerwerk des Kirchturms hinauf in den ersten Stock des Turms.
Früher waren die Kirchen auch Zufluchtsstätten für die Dorfbewohner, wenn Unheil nahte: fremde Krieger, Raubritter und vielleicht auch Leute vom Finanzamt. Wer durch die Tür passte, zwängte sich in den Kirchturm, der Rest musste sich im Wald verstecken. Die schmale Treppe war gut zu verteidigen. Dumm war es nur, wenn die Eindringlinge zu kokeln anfingen.
Zum Glück gab es an diesem Tag noch nicht viel zu essen, so dass es gelang, das Obergeschoss zu erklimmen.
Im Dunkeln, denn die Lichtschalter sind gut versteckt.
Im ersten Stock angekommen fällt der Blick erst mal wieder in die Tiefe. Es sieht aus, als hätten Bombentreffer oder Baufehler das große Loch im Gewölbe des Turms verursacht.
Das ist dem Vernehmen nach nicht so. Man hat das Loch jetzt mit einer Ab­sperrung versehen, so dass man von oben nach unten und umgekehrt schauen kann. Für eine Kirche durchaus symbolhaft. Und sicher ist jetzt unten auch die Glocke besser zu hören, zu der ich noch kurz hochsteige.
Wieder unten angekommen fällt im Turmraum der Blick auf eine Gedenktafel aus dem Deutsch-Dänischen Krieg:
Ehrentafel
für den aus hiesiger Gemeinde am 18. April 1864 vor den Brückenkopf bei Düppel in Schleswig-Holstein gefallenen Füsilier
Johann Julius Emil Dräger
von der 6. Comp. des Königl.-Brandenburgischen Füsilier-Regiments Nr. 3, welcher sein Blut und Leben im Dienst ... auf dem Feld der Ehre gelassen hat. gewidmet ... Ihlow
Auf der anderen Seite steht eine große Tafel, auf welcher mit erhabenen Buchstaben der Toten und Vermissten des Ersten Weltkrieges aus Ihlow und Pritzhagen gedacht wird:
Es starben
den Heldentod für ihr Vaterland:
Aus Ihlow:
Ers. Res. Konr. Pförtner verm.
Kan. Reinh. Pförtner
Lastrm. Wilh. Paul
Lastrm. Karl Lenz
Lastrm. Emil Lenz verm.
Lastrm. Paul Haase
Gefr. Theod. Lehmpfuhl
Ers. Res. Otto Heinrich
Kan. Max Hanne
Kan. Karl Hanne
Aus Pritzhagen:
Uttfz. Ernst Krause
Gefr. Theod. Willmer verm.
Gewidmet vom Kriegerverein Ihlow 1914 + 1919
Nun, da drinnen das Wichtigste angeschaut ist, kann man sich die Kirche in Ruhe von draußen ansehen. In den letzten Jahren hat man sie immer nur mit Gerüst und Planen behängt gesehen. Nun ist die Rekonstruktion wohl abgeschlossen.
Es ist ein schöner, stattlicher Bau, ähnlich der Kirche in Klosterdorf, aber mit einem schmaleren Turm.
Verlässt man den Kirchhof wieder durch die Hintertür und geht zwischen den Teichen zum Ihlower Ring, sieht man links das alte Gutshaus, das ich heute tatsächlich „links liegen“ lasse, da dort aus der Ferne kein Feldstein zu erkennen ist.
Ein paar Meter nach rechts gelangt man hingegen zu Feldsteinbauten, die zum ehemaligen Gutshof gehören.
Wunderschön hergerichtete alte Häuser stehen hier dicht neben halbwegs brauchbaren Scheunen und einsturzgefähr­deten Gutsarbeiterhäusern.
Hier ist schon eine Menge passiert, aber noch viel zu tun. Das Ensemble ist es wert.
Es fällt schwer, hier Abschied zu nehmen. Eigentlich könnte man sich hier ans Ufer setzen und das Ende des Tages genießen. Es ist hier ein schönes Fleckchen und die Ihlower haben bestimmt ganz bewusst ihren Festplatz am Ufer eines der Teiche angelegt.
Ich will aber auf dem Rückweg über Strausberg nach Mehrow noch in 2...3 Orten Halt machen und wenigstens einen Blick auf die Dorfkirchen werfen. Der erste Ort ist Reichenberg.
Reichenberg gehört zur Gemeinde Märkische Höhe und ist wie seine Nachbarorte steinreich. „Mächtig gewaltig“ ist auch hier die Dorfkirche, die zwar schon von weitem zu sehen, aber dann doch nicht so einfach zu finden ist.
Hier kommen offenbar nur selten Fremde vorbei, weshalb am Wochenende die Kirchen-Zufahrt gnadenlos zugeparkt wird.
Reichenberg wurde 1335, also nur wenige Jahre später als Mehrow (1327) erstmals urkundlich erwähnt - und zwar im Zusammenhang mit dem Zisterzienserkloster Chorin.
Später hatten hier bekannte Brandenburger Adelsfamilien das Sagen: zunächst die Familie von Pfuel und später (1484 bis 1777) die Familie von Barfus.
Der nächste Ort auf dem Heimweg ist Bollersdorf. Hier würde man abbiegen, wenn man nach Buckow will. Die ehemalige Gaststätte „Bollersdorfer Höhe“ mit der herrlichen Aussicht auf dem Weg dorthin ist vielen noch ein Begriff.
Die kleine, gedrungene Feldsteinkirche mit dem mächtigen, teilweise verputzten Turm ist sehr schön anzusehen.
Ich komme bestimmt noch mal wieder, um mir die in Ruhe anzuschauen - vielleicht kann man mal einen Tag abpassen, an dem man sie auch innen besichtigen kann.
Heute geht es eilig weiter, da langsam die Dämmerung aufzieht. Ein Ort liegt noch auf der Strecke über Strausberg nach Hause, das ist Ruhlsdorf. Hier landet man leicht, wenn man an den Ruhlsdorfer Kiessee bei Prenden will und im Navi nicht das richtige Ruhlsdorf wählt.
Der kleine Ort, der wie Hohenstein, wo ich die Tour begonnen habe, zu Strausberg gehört, ist es durchaus wert, dass man sich hierher verirrt. Einen See gibt es hier auch und dazu noch einen Findlingshof und den Pferdehof „Ewaldshof“.
Auf der gegenüber liegenden Straßenseite steht auf einer winzigen Anhöhe die Dorfkirche von Ruhlsdorf.
Es ist ein wohl proportionierter Bau aus teilweise verputzen Feld- und Ziegelsteinen. Aber der Zustand ist sehr übel.
Es ist schade, dass ausgerechnet die letzte Kirche auf der kleinen Oberbarnim-Rundfahrt so bejammernswert aussieht und die Erinnerung an die aufwändig restaurierten Kirchen in der Nachbarschaft überschattet. Es ist zu hoffen, dass auch hier engagierte Bürger, großzügige Spender und willige Behörden zueinander finden, damit die Kirche erhalten bleibt und recht bald wieder zu einem Schmuckstück wird.
Eine gute Möglichkeit, den Baufortschritt zu überprüfen bietet eine Fahrt oder Wanderung auf der 41,5 km langen Oberbarnimer Feldsteinroute, die von Strausberg-Nord über Klosterdorf, Kähnsdorf, Prädikow, Ihlow, Pritzhagen, Bollersdorf, Grunow, Ernsthof, Klosterdorf wieder nach Strausberg-Nord führt.
Informationen dazu findet man in einem Flyer des Kultur- und Tourismusamtes Märkische Schweiz, aus dem diese Karte stammt. (www.maerkischeschweiz.eu).
Dort wird auch auf eine Webseite www.feldsteintour.de verwiesen - die Seite www.oberbarnimer-feldsteinroute.de, auf der man landet, enthält wie der Flyer Informationen über die Orte an der Strecke sowie Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten.
Benedikt Eckelt, Mehrow, September 2019