Zum 6. Oberbarnimer Feldsteintag am 6. September 2020 hatte Manfred Ahrens, einer der Initiatoren der „Oberbarnimer Feldsteinroute“ nach Ernsthof (nahe Grunow) geladen, um von dort aus ein Stück auf der „Via Vetus“ zu laufen und Hinterlassenschaften des letzten Krieges zu besichtigen.
Ich war im Vorjahr dabei und mit vielen interessanten Eindrücken nach Hause gekommen. Deshalb habe ich auch in diesem Jahr das Angebot gern angenommen.
Die Oberbarnimer Feldsteinroute ist übrigens ein gut 40 km langer Rundkurs durch einige „steinreiche“ Dörfer im Oberbarnim, den man gut per Rad oder mit dem Auto abfahren kann. Er startet in Strausberg und führt durch Klosterdorf, Kähnsdorf, Prädikow, Ihlow, Pritzhagen, Buckow, Bollersdorf, Grunow, Ernsthof und zurück über Klosterdorf nach Strausberg.
Näheres dazu auf www.maerkischeschweiz.eu und (theoretisch) www.feldsteinroute.de.
Treffpunkt war um 10.30 Uhr vor dem Ernsthofer Siedlerheim, einer Baracke des früheren Reichsarbeitsdienstes. An der Außenwand angeheftete Dokumente gaben unter anderem über diese Zeit in der Geschichte Ernsthofs Auskunft.
Ein gutes Dutzend Interessierter kam zusammen, darunter einige Mitglieder des Rehfelder Heimatvereins. Rehfelde nimmt für sich in Anspruch, auf der Via Vetus zu liegen, da muss man bei solchen Gelegenheiten Flagge zeigen.
In Anbetracht des schönen Wetters ging es nach ein paar kurzen Worten zur Geschichte des Ortes gleich los.
Erster Halt auf der Tour war der ehemalige Gutshof. Ernsthof wurde 1833 von Arnold Freiherr von Eckardstein als Vorwerk von Grunow errichtet und in den 1930er Jahren von der Siedlungsgesellschaft „Eigene Scholle“ aufgesiedelt.
Einige der Gebäude des Gutshofes haben prächtige Feldsteinfassaden. An einer Häuserwand findet sich sogar ein sogenannter „Schmetterlingsstein“: ein halbierter Feldstein, dessen Hälften wie Schmetterlingsflügel in der Wand platziert wurden. Hier kann man sogar noch gut das Bohrloch erkennen, das zum Spalten in den Stein getrieben wurde.
In einer Ecke des Gutshofes findet sich auch noch eine gut erhaltene alte Magirus-Feuerwehr mit Drehleiter.
Die allein schon könnte Ernsthof zu einem reizenden Ausflugsziel für Freunde alter Feuerwehrfahrzeuge machen.
Zu fast jedem Haus in der Siedlung wusste Manfred Ahrens was zu erzählen, weshalb alle paar Meter ein Stopp eingelegt und über Haus und Bewohner berichtet wurde.
Viele Häuser waren es auch wert, die Kamera rauszuholen. Und so wurde um die Wette fotografiert: für die Presse, die Ortschronik oder das Familienalbum.
Durch Ernsthof führt wie gesagt die Oberbarnimer Feldstein­route und wie in allen Orten entlang dieser Route gibt es Info-Tafeln mit geschichtlichen Daten, Bildern und einer kleinen Karte, so dass man sich stets bestens informieren kann.
Oft steht wie hier daneben eine Bank, auf der man Picknick oder ein Schläfchen machen kann. Dafür ist aber keine Zeit.
Kaum hatten wir den Ort in Richtung Westen verlassen, war nur noch Natur und Landwirtschaft ringsum.
Zunächst führt der Weg durch ein großes Maisfeld immer geradeaus bis an den Rand eines großen Waldes.
Hier ist der nächste Halt angesagt, denn Herr Ahrens weiß zu berichten, dass hier im Wald die Fundamente einer Eckardstein'schen Jagdhütte zu finden sind.
Da der Trampelpfad dorthin aber mit dornigem Gestrüpp zugewachsen ist, begnügen sich die meisten Wanderer mit dem Blick auf ein mitgebrachtes Foto.
Viel spannender ist das, was sich ein Stück weiter im Wald verbirgt. Wir laufen ein paar Meter am Waldrand nach links bis zum nächsten Weg und dann etwa 300 Meter nach rechts und stehen am Eingang eines Panzergrabens, der in den letzten Kriegswochen errichtet wurde, um die „Russen“ auf dem Weg nach Berlin aufzuhalten. Was nunmehr von Bäumen fast bis zur Unkenntlichkeit überdeckt ist (oben Mitte) ist im Digitalen Geländemodell (DGM) des Brandenburg Viewers (oben rechts) ganz deutlich zu erkennen. Über mehrere hundert Meter zieht sich in Nord-Süd-Richtung schnurgerade ein tiefer Graben durch den Wald.
Quelle des DGM: https://bb-viewer.geobasis-bb.de/ © GeoBasis-DE/LGB (2020), dl-de/by-2-0
Dass wir die etwa 300 Meter zum Panzergraben schon auf der „Via Vetus“ unterwegs waren, wird uns erst bewusst, als wir kehrt machen und uns auf diesem Weg in Richtung Ernsthof bewegen. Dabei hat uns Herr Ahrens vorher schon eingehend instruiert:
Die „Via Vetus“, auf Deutsch „Alte (vergessene) Straße“ ist eine alte slawischen Handelsstraße, die von Köpenick, wo der letzte Slawenfürst residierte, nach Wriezen, zum nächst gelegenen Oderhafen führte. Erwähnung findet sie nur in einer einzigen Urkunde, einer Urkunde des Klosters Zinna aus dem Jahre 1247, in der die Grenzen des Klosterbesitzes notiert sind. Die Urkunde ist aber leider unvollständig und schwer lesbar, weil sie „recycled“ und bei einem späteren Urkundenbuch als Deckel benutzt wurde. Deshalb ist der genaue Verlauf der „Via Vetus“ längst nicht gesichert.
Die Türme beidseits des Weges sind übrigens kein Bestandteil einer alten slawischen Grenzbefestigung, sondern Zeugnisse jüngster weidmännischer Baukunst.
Mit ihnen kann man zwar keine Panzer aufhalten, aber vielleicht die Schweinepest, die gerade vom Osten her ins Land eindringt.
Auf der vermeintlichen „Via Vetus“, die erst dicht mit Bäumen bestanden ist und dann zunehmend den Blick auf die Felder zu beiden Seiten frei gibt, ging es zurück nach Ernsthof.
Für alle Wanderer, die noch einen Moment auf Kaffee und Kuchen warten konnten, gab es hier die Möglichkeit, die Dahlienpracht in Ahrens' Vorgarten zu bewundern.
Auf dem Weg zum Siedler­heim konnte man dann noch bestaunen, wie in dieser Wassersport-Gegend Ruderboote befördert werden.
Ursprünglich sollte wohl eine Hochsee-Yacht oder ein Dampfer angeschafft werden.
Im Siedlerheim angekommen wurde man schon von Kaffeeduft und dem Geruch von frisch gebackenem Kuchen empfangen. Drinnen war alles liebevoll dafür getan, dass sich die Wanderer, die doch einige hundert Meter zurückgelegt haben, entspannen und ihrem Leib etwas Gutes tun können.
Da alle Wände des Heims mit Karten und Texttafeln behangen waren, konnte man hier mit einem Kaffee in der Hand noch tiefer in die Ortsgeschichte einsteigen.
Das war wieder eine sehr schöne und interessante Tour durch den Oberbarnim, wofür Manfred Ahrens für seine „Reiseleitung“ und seiner Partnerin für Kaffee und Kuchen ein herzliches Dankeschön gebührt. Bis zum nächsten Jahr!