Literatur zum Thema "1813 - Die Kosaken vor und in Berlin":

Beiträge
zur
Geschichte des Jahres 1813.

Von
Einem höhern Offizier
der Preußischen Armee.
Erster Band
Potsdam, 1843.
Verlag von Ferdinand Riegel.
Gefunden bei Google Books:
http://books.google.de/books?id=v5UJAQAAIAAJ
Titel Beitraege zur Geschichte des Jahres 1813, Band 1
Autor  Karl Ludwig von Prittwitz
Veröffentlicht  1843


Seite 191...202
Lage der Kurmark während der zweiten Hälfte des Monats Februar:
kriegerische Ereignisse in derselben.


Mit der Mitte des Monats traten in der Kurmark nun aber noch ernstere Ereignisse ein.
Am 15. Februar, Nachmittags, erschien die erste Kosaken-Patrouille von 5 Mann, und zwar vor Wrietzen, kehrte indeß nach kurzem Aufenthalt nach Zellin zurück.
Abends um 6 Uhr rückte ein Bataillon Westphalen 450 Mann stark, von Cüstrin kommend und nach Stettin bestimmt, in Wrietzen ein. Auf die Nachricht von der Nähe der Kosaken brach dasselbe die Brücke über den dortigen Kanal ab, setzte eine starke Wache dahinter und quartierte sich ein.
Am 16. Februar, Morgens 6 Uhr, erschien Major v. Benkendorf mit etwa 200 Kosaken vor Wrietzen und verlangte, daß das Bataillon sich ergeben sollte. Dieses forderte freien Abzug nach Berlin, und da man auf diese Bedingung nicht einging, so kam die Kapitulation erst Mittags 11 1/2 Uhr zu Stande. Während dieser Zeit wurden mehrere Schüsse gewechselt und dadurch 4 Kosaken verwundet. Das Bataillon wurde gefangen nach Zellin abgeführt, wo eine stärkere Abtheilung Russen stand, während man den General Tschernitscheff in Bärwalde glaubte. Major v. Benkendorf ersuchte den zufällig anwesenden Landrath des Kreises, dieses Ereigniß vorläufig nicht zur öffentlichen Kunde kommen zu lassen, und brach nach einigen Stunden Ruhe in der Richtung nach Werneuchen auf. Die Kosaken hatten sich musterhaft aufgeführt.
In der Nacht zum 16ten ließen die Franzosen, von Schwedt aus, 4 oder 5 Brücken auf dem Damm von Schwedt nach Nieder-Kränig abbrennen.
Am 17 Februar traf Major v. Benkendorf, hinter Werneuchen, auf ein aus Berlin abgesandtes Französisches Detachement, den General Poinsot nämlich, mit 2 Bataillonen und einer Schwadron Würzburger, hatte ein lebhaftes Gefecht mit ihm und mußte sich mit einigem Verlust nach Hirschfelde zurückziehen.
Oberst v. Tettenborn traf am Morgen, mit 6- bis 700 Kosaken, in Wrietzen ein, hielt sich einige Stunden daselbst auf und gelangte Abends nach Hirschfelde, wo er sich mit Benkendorf vereinigte.
Am 18. Februar beschäftigte Oberst v. Tettenborn von Hirschfelde aus den Feind bei Werneuchen und ließ bis Bernau und Alt-Landsberg streifen. Im letztern Orte fanden die Kosaken 80 Preußische Rekruten, die sie selbst über die Oder eskortiren wollten; später sollen sie ihnen Gewehre gegeben und sie aufgefordert haben, mit ihnen zu ziehen. Jeden Falls ver liefen sich dieselben.
Gegen Mittag ging General Tschernitscheff bei Zellin noch auf dem Eise über die Oder. Er hatte beiläufig 2000 Pferde, darunter ein Dragoner- und ein Husaren-Regiment, nebst einigen Kanonen bei sich und blieb die Nacht in Cunersdorf bei Wrietzen und nächstgelegenen Dörfern. Nachmittags schon brach das Eis bei Zellin, so daß um 4 Uhr auf der einen halben Seite der Oder bereits mit Kähnen übergesetzt werden mußte.
Dies Vordringen der Russen hatte die Folge, daß am 17ten und 18ten, besonders aus Berlin, viele höhere Offiziere und Beamte eiligst nach Leipzig und Magdeburg abreisten; überhaupt schien große Besorgniß zu herrschen. In Spandau wurde den Einwohnern der Vorstädte angekündigt, daß sie ihre Wohnungen räumen möchten. Die Staats-Gefangenen mußten von dort weggebracht und auch das Zuchthaus geräumt werden, wobei der Kommandant noch Beschlag auf die Lagerstätten und die vorräthigen Lebensmittel legte. Die Züchtlinge brachte man einstweilen in das Arbeitshaus nach Brandenburg. Von Spandau und von Stettin aus ergingen an das Land starke Requisitionen von Schlachtvieh und andern Bedürfnissen. ...
Am 19. Februar scheint Oberst v. Tettenborn in Hirschfelde geblieben zu seyn, oder sich vielleicht etwas weiter südlich nach Alt-Landsberg und Dahlwitz hingeschoben zu haben.
General Tschernitscheff rückte nach Strausberg und Gegend, sein Quartier in Closterdorf nehmend. - Bei Zinndorf, Herzfelde und Strausberg kam es zu kleinen Gefechten, wobei die Kosaken mehrere Gefangene machten und an 300 Französische Remonte-Pferde erbeuteten. In Vogelsdorf hielten sie die Post an. Der Landrath v. Pannwitz des Nieder-Barnimschen Kreises hatte heute hier Pferde ausgehoben, die nur eben erst nach Fürstenwalde abgegangen waren, aber doch glücklich durchkamen.
Am Abend dieses Tages warf sich ein Detachement von 1500 Mann Französischer Infanterie nach Cöpenick; versprengte einzelne Französische Kavalleristen kamen sogar bis Zossen. Daß dies der General Poinsot aus Werneuchen gewesen, wie dies der in den Berlinischen Zeitungen vom 11. März bekannt gemachte Bericht, und nach ihm Herr v. Plotho erzählt, ist nicht recht wahrscheinlich; vielmehr war es wohl ein auf der Straße nach Frankfurt, von Berlin aus, etwa bis Dahlwitz vorgeschobenes zweites Detachement. Eine Annahme, welche durch den Marschall Gouvion St. Cyr bestätigt wird, der ausdrücklich erwähnt, daß der Gouverneur von Berlin auf den Straßen nach Cüstrin und Stettin Truppen zum Schutz der Stadt vorgeschoben habe. ...
Am 20. Februar vereinigte sich General Tschernitscheff mit dem Obersten v. Tettenborn, und ging über Alt-Landsberg gegen Berlin vor während ein kleines Detachement Kosaken den General Poinsot in Werneuchen beobachten und festhalten mußte. Der Marsch wurde gegen die nördliche Seite der Stadt gerichtet, es kam zu einem Gefecht in Berlin selbst, gegen Abend aber wurden in und bei Pankow Quartiere und Bivouaks bezogen.
In Wrietzen waren die Einwohner nicht wenig erstaunt, am heutigen Tage den Divisions-General Charpentier mit einem ansehnlichen Korps, das sich 12000 Mann stark angab und 40000 Portionen verlangte, von Cüstrin oder Frankfurt her ankommen zu sehen. Es quartierte sich dasselbe theils ein, theils bivouakirte es, begnügte sich am Ende mit 3000 Portionen, ausschließlich der reichlichen Verpflegung durch die Wirthe, und führte sich im Allgemeinen gut auf.
In und bei Frankfurt rückten von dem Korps des Vice-Königs noch 4800 Mann mit 8 Geschützen ein, theils Garden, theils andere Infanterie (Divisionen Gérard und Fressinet). Man traf vorläufige Anstalten zum Abbrennen der Brücke.
Herr v. Plotho giebt die Garnison der Stadt Berlin am 20sten, nach dem Tageszettel, auf 5625 Mann an, wahrscheinlich der ausrückende Stand; nach andern Nachrichten betrug sie, nach dem Rapport vom 19ten noch nicht ganz 10000 Mann, d. h. alle Kranke, Beamte und überhaupt Nicht-Kombattanten mitgerechnet, und möchten bei beiden Angaben wohl die von der Garnison vorgeschobenen Detachements bereits abgerechnet seyn. Die Berlinischen Zeitungen vom 6. März, also zu einer Zeit, wo die Russen bereits eingerückt waren, gaben über die Ereignisse dieses Tages folgende Darstellung:
„Am 20sten Morgens unternahm der kommandirende General, Herr v. Tschernitscheff, von Alt-Landsberg her eine Rekognoszirung, welche bei einem geringen Widerstande bis zu unsern Thoren fortgesetzt wurde. Diese waren offen und schwach besetzt, und so gelang es einigen Haufen der vor trabenden Kosaken, bis in die Mitte der Stadt zu sprengen, vereinzelt die Straßen zu durchstreifen und einige Französische Soldaten gefangen zu nehmen oder zu entwaffnen. Sie entfernten sich zwar bald wieder, aber ihre unvermuthete Erscheinung hatte großes Aufsehen, und bei dem Französischen Militair große Bewegungen erregt. Der damals kommandirende Gouverneur glaubte aber strenge Vertheidigungs-Anstalten treffen zu müssen. Die Gegenden vor dem Schlosse und dem Königlichen Palais, die meisten offenen Plätze und viele Haupt- und Neben-Straßen wurden mit Geschütz und Munitions-Wagen bepflanzt; die Garnison blieb unter den Waffen und bivouakirte Tag und Nacht, theils auf öffentlicher Straße, theils in den Bürgerhäusern zu 40, 100 und 200 Mann mit geladenen Gewehren. - Während der Anwesenheit der Kosaken am 20sten fielen sogar in den lebhaftesten Straßen Kanonen- und Flintenschüsse, die mehrere unserer Mitbürger tödteten oder verstümmelten, und andere, die des Abends das Französische Anrufen der Schildwachen nicht gleich zu beantworten verstanden, mußten ihre Unwissenheit ebenfalls mit dem Leben büßen. Unter diesen drückenden Umständen wurde indessen, Dank sey es dem Bemühen der Polizei und der rastlosen Thätigkeit der Bürgergarde und der Gendarmerie, weiteres namhaftes Unglück verhütet und Ruhe und Ordnung erhalten. -“
Die nämlichen Blätter vom 11. März geben eine zweite, mit etwas lebhaftern Farben ausgeschmückte, und gewissermaaßen entschuldigende Darstellung, die darin von der vorstehenden abweicht, daß sie die Russischen Truppen ohne Hinderniß nach Pankow gelangen läßt. Hier traf die Nachricht ein, daß feindliche Kavallerie aus der Stadt gerückt sey und die Vorposten zurückgedrängt habe. Oberst v. Tettenborn eilte sogleich an der Spitze eines Regiments Kosaken dem Feinde entgegen, indem sein übriges Detachement als Reserve folgte. Die feindliche Kavallerie widerstand dem Ungestüm des Angriffs nicht und warf sich in Unordnung in die Stadt zurück; die Kosaken folgten und sprengten den Flüchtigen nach, bis auf den Aleranderplatz, wo feindliche Infanterie und Artillerie weiterer Verfolgung ein Ziel setzten. Einzelne Kosaken sprengten indeß durch alle Straßen. Es folgt dann die Schilderung einzelner Szenen. - Oberst v. Tettenborn zog sich nach einigen lebhaften Scharmützeln wieder aus der Stadt zurück, und ward vor dem Thore vom General Tschernitscheff aufgenommen. Beide vereint besetzten eine Höhe, die ungefähr einen Kanonenschuß vom Thore liegt. Der Feind, der sich vom ersten Schrecken erholt hatte, kam jetzt aus der Stadt, um die Höhe anzugreifen; alle seine Versuche scheiterten jedoch an der Tapferkeit der Kosaken, die sich jedesmal wenn er die Höhe erreicht hatte, auf ihn stürzten und bis ans Thor zurücktrieben. Das Gefecht endigte sich damit, daß der Feind wieder zurück in die Stadt zog und die Thore verrammelte.
Ein uns vorliegender, gleich nach dem Ereigniß niedergeschriebener Bericht eines Augenzeugen schildert diese Begebenheit in folgender Art. Mehrere hundert Kosaken sprengten gegen Mittag durch das Oranienburger, Landsberger, Bernauer und Frankfurter Thor in die Stadt, während die Garnison im Innern, besonders in der Neustadt, Anordnungen zur Vertheidigung traf, Kanonen an den Straßen-Ecken auffuhr u. dgl. m. Die Kosaken durchritten indeß einzeln und in kleinen Haufen fast alle Straßen; mit Hülfe mehrerer jungen freiwilligen Jäger desarmirten sie einige Leute und kleinere Kommandos der alliirten Truppen. Aus der Wohnung des Geheimen Rathes Dr. Heim holten sie einen Französischen Obersten heraus und führten ihn gefangen ab. Mit einem Französischen General, der im v. Reckschen Hause (Leipziger Straße) wohnte, sollte ein Gleiches geschehen, er vertheidigte sich jedoch durch Schießen aus dem Fenster und soll dabei ein junger Graf Schwerin, der sich auf der Straße befand, schwer verwundet worden seyn. - Die Kosaken, unter welchen sich mehrere Deutsche und selbst Königliche Unterthanen befunden haben sollen, zeigten eine große Verwegenheit; erst gegen Abend hatten sie die Stadt gänzlich wieder geräumt. Ein großer Theil der jungen Jäger zog mit ihnen. - Marschall Augereau bewies bei dieser Gelegenheit eine große Kaltblütigkeit und Festigkeit; dagegen herrschte unter den alliirten Truppen großer Schreck und Besorgniß. Die Einwohner Berlins waren sehr aufgeregt und erbittert, daß der Marschall es in der Stadt zu blutigen Auftritten kommen ließ, und wenngleich die Bürgergarde und die Polizei Alles that, um das Volk von der thätigen Theilnahme an diesen Auftritten abzuhalten, so war doch vorauszusehen, daß bei einer etwaigen Wiederholung viel Unglück in Berlin entstehen werde.
Am 21. Februar zog sich General Tschernitscheff gegen Oranienburg zurück, seine Kosaken verschwanden jedoch erst Nachmittags aus der nächsten Umgebung von Berlin, und ein starkes Detachement derselben, welches bei Charlottenburg über die Spree gegangen war und bis Schöneberg, Zehlendorf und Spandau gestreift hatte, hielt sich daselbst noch etwas länger auf, zur großen Freude der Einwohner, welche durch dasselbe der ausgeschriebenen beträchtlichen Ochsen-Lieferung nach Spandau, überhoben zu werden hofften.
In Berlin wurden die Thore verrammelt, nur das Brandenburger, Potsdamer, Hallesche und Cöpenicker blieben offen. Ohne Erlaubuiß des Gouverueurs konnte Niemand aus der Stadt kommen. Besonders in der Neustadt wurden an den Straßen-Ecken Kanonen aufgefahren; die Garnison bivouakirte. Eine Todtenstille herrschte in den Straßen; die Geschäfte auf der Post waren geschlossen, da weder Posten, Estafetten noch Kouriere abgehen durften. Die Ober-Regierungs-Kommission erließ folgende Bekanntmachungen:
„Die Königliche Ober-Regierungs-Kommission macht hierdurch bekannt, daß sie jede mögliche Verwendung zur Schonung der Stadt bisher versucht hat und ferner unablässig versuchen wird. Sie fordert daher die Einwohner auf, mit Vertrauen auf die Regierung, ferner in der bisher beobachteten löblichen Ruhe zu beharren, und die Anweisungen der Polizei zu befolgen, indem der Herr Marschall, Herzog von Castiglione, versprochen hat, die Stadt unter allen Verhältnissen mit Schonung zu behandeln.
Berlin, den 21. Februar 1813.
Goltz. Kircheisen. Lottum. Schuckmann. Bülow.“

„Im Verfolg der heutigen Bekanntmachung eilt die unterzeichnete Ober-Regierungs-Kommission nachstehende Erklärung S. E. des Herrn Marschalls, Herzogs von Castiglione, zur Beruhigung der Einwohner bekannt zu machen:
„Es würde überflüssig seyn, wenn ich Ihnen auf das Schreiben, womit Sie mich heute beehrt, die Versicherung der besten Absichten erneuern wollte, die mich für die Ruhe, Ordnung und Wohlfahrt der Hauptstadt beseelen. So sehr ich Ihnen dies während meiner Anwesenheit zu beweisen bemüht gewesen, eben so sehr habe ich Ursache, Ihre Uederzeugung davon unzweifelhaft zu halten; und ich werde diesen meinen Grundsätzen treu bleiben, so lange das Betragen der Einwohner nicht eine Veränderung nöthig macht. Meine militairischen Einrichtungen und Anordnungen sind von den zu begegnenden Absichten des Feindes abhängig. Er hatte die Absicht, gestern die Hauptstadt zu besetzen, ich mußte sein Vorhaben vereiteln. Dabei ist und wird jeder Zeit das Uebel welches die Stadt davon empfinden könnte, nach aller Möglichkeit beschränkt werden. Von diesen meinen wahrhaften Grundsätzen sind Sie gewiß überzeugt; und ich gebe Ihnen anheim, die Einwohner damit Ihren Wünschen gemäß, zu beruhigen.“
Die unterzeichnete Kommission erwartet mit Vertrauen, und fordert die Einwohner dieser Residenz und besonders die Bürgergarden dazu auf, in ihrem bisherigen rühmlichen Eifer, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu erhalten, fortzufahren, und ferner ihre Treue für Se. Majestät unsern allergnädigsten König, und ihre Sorgfalt für das Wohl ihrer Mitbürger so würdig wie bisher zu beweisen, wofür sie des Beifalls Seiner Majestät und des Dankes der Mitbürger versichert seyn können.
Berlin, den 21. Februar 1813.
Königl. Allerhöchstverordnete Ober-Regierungs-Kommission.“
...
Am 22. Februar blieb General Tschernitscheff in und bei Oranienburg; seine Kosaken streiften weit umher, machten auch die Gegend um Berlin und Charlottenburg unsicher und unterbrachen überhaupt die Verbindungen.
General Charpentier und General Poinsot rückten wahrscheinlich in Berlin ein, wenigstens erhielt die Garnison an diesem Tage eine bedeutende Verstärkung. ...
Durch alle diese Begebenheiten kamen die Preußischen Verwaltungs-Behörden in die Lage, für die Verpflegung der alliirten (Französischen) und der feindlichen (Russischen) Truppen sorgen zu müssen, die aber dadurch noch eigenthümlicher wurde, daß der Feind sich mit höchst seltenen Ausnahmen musterhaft aufführte, während der Freund zu vielen Klagen Anlaß gab. Die Schwierigkeit lag für die Behörden vorzüglich darin, nur erst mit den leicht beweglichen Russischen Truppen in Verbindung zu kommen und dann für Herbeischaffung der Fourage zu sorgen, welche diese in ungewöhnlich großen Massen verbrauchten. ...
Die Umgebungen der Festungen Stettin, Cüstrin und Spandau litten viel, weil die Lieferanten die zur Verproviantirung der Festungen abgeschlossenen Kontrakte nicht halten konnten, da sie kein Geld bekamen, und die Garnisonen nun zu gewaltsamen Requisitionen schritten.
Durch alle diese Ereignisse stieg die Spannung der Einwohner zu einem Grade, daß die Obrigkeiten und Polizei-Behörden selbst einräumen mußten, wie es schwerlich noch lange möglich seyn werde, Ordnung und Ruhe zu erhalten. Die Kurmärkische Regierung, die unter solchen Umständen unmöglich allgemeine, für die ganze Provinz durchzuführende Maaßregeln ergreifen konnte, und es den einzelnen Kreisen überlassen mußte, sich selbst so gut als möglich zu helfen, suchte wenigstens zu bewirken, daß alle Gegenden ihr Theil an den Lasten trugen und diese nicht eine der andern aufbürdeten. ...
Am 23. Februar wich General Tschernitscheff dem stärker gewordenen Feinde durch eine Seitenbewegung nach Gransee aus.
In Frankfurt ließ General Gérard, um 10 Uhr Morgens, die Brücke abbrennen und marschirte mit Zurücklassung eines Lazarethes, dem Marschall St. Cyr folgend, nach Fürstenwalde.
In Schwedt ließ General Ravier, der die Stadt sehr schonend behandelt hatte, auch die Schiffbrücke über die Oder aufnehmen und nach Stettin abführen, wohin er mit seinen Truppen ebenfalls aufbrach.
Am 24. Februar blieb General Tschernitscheff in der Gegend von Gransee und Cremmen.
Die Besatzung von Berlin hatte sich noch mehr verstärkt und betrug wohl 15000 Feuergewehre. Aus dem Havellande und aus dem Ruppinschen Kreise zogen Rekruten und Pferde ungestört über Potsdam auf der Straße nach Beeskow ab. Nach Frankfurt kam, Abends 10 Uhr, ein Offizier mit 17 Kosaken von dem Benkendorfschen Detachement.
Am 25. Februar finden wir General Tschernitscheff noch in Gransee und Cremmen; in der Gegend waren mehrere hundert Gefangene gemacht worden, darunter Equipagen mit Frauen.
In Berlin legte Marschall Augereau das Gouvernement nieder und reiste über Luckenwalde ab; Marschall Gouvion St. Cyr übernahm dasselbe und General Gifflenga wurde Kommandant, an die Stelle des Generals Dessair. Der neue Gouverneur befahl sogleich, daß die Brigade Sénécal und die Artillerie, welche seit 6 Tagen unter den Linden bivouakirte, ohne kochen zu dürfen, in ihre Quartiere rücken solle; dadurch hörten die Versammlungen der neugierigen Zuschauer, die man früher für bedrohlich hielt, von selbst auf. - Die Straße von Berlin nach Trebbin war übrigens schon sehr belebt, die Züge auf derselben dauerten bis spät in die Nacht hinein, dabei fehlte es nicht an Exzessen und Erpressungen von Vorspann. Höhere Offiziere, Equipagen und Truppen kamen schon bis Luckenwalde und setzten folgenden Tages den Marsch nach Sachsen fort. - Die Brücke bei Schmöckwitz, zwischen Cöpenick oder Königs-Wusterhausen und Fürstenwalde wurde von den Französischen Truppen abgebrannt.
Ganz unerwartet kehrte General Gérard, mit etwa 3000 Mann und 8 Geschützen, nach Frankfurt zurück und machte die gestern daselbst eingetroffenen Kosaken zu Gefangenen. Er traf sogleich Vorkehrungen, um die nur theilweise abgebrannte Brücke gänzlich zu zerstören, und ließ die Kähne und andere Fahrzeuge vernichten, so daß die Verbindung mit dem rechten Ufer ganz gehemmt wurde.
Nach dem Abmarsche der Division Gérard erschien General v. Benkendorf mit seinen 12- oder 1500 Pferden vor Fürstenwalde. Die Besatzung von 4- oder 500 Mann aus Piemontesischen vélites bestehend, kapitulirte in der Art, daß sie freien Abzug nach dem Erkner erhielt. Bei dieser Gele- genheit, oder vielleicht auch etwas später, wurde die Brücke beim Erkner ebenfalls ein Raub der Flammen. General v. Benkendorf blieb die Nacht in Fürstenwalde und versicherte dem daselbst zur Abnahme der Lieferungs-Pferde kommandirten Preußischen Offiziere, wie er selbst zur Sicherheit des Transportes derselben mit beitragen wolle. Seine Patrouillen gingen bis Storkow und Beeskow.
Am 26. Februar näherte sich General Tschernitscheff der Stadt Berlin wieder, indem er nach Bötzow und Nauen rückte. Seine Gefangenen wurden über Liebenwalde abgeführt und durch die Bürgergarde von Gransee, nebst einem Detachement Kosaken eskortirt. Einzelne kleine Erzesse waren bei dieser Truppe wohl vorgekommen, doch klagten die Einwohner eigentlich nur über Verschwendung der Fourage und den starken Vorspann. Regelmäßige Ausschreibungen fanden nicht statt und regelrechte Quittungen waren schwer zu erhalten, überhaupt verursachte die Verschiedenheit der Sprache manche Mißverständnisse. Von Nauen aus wurde ein Offizier mit 40 Kosaken über Uetz nach Baumgartenbrück gesendet, der in der Nähe von Potsdam einen mit Französischen Militair-Effekten beladenen Kahn anhielt und ausräumen ließ.
Die Garnison von Berlin zog die von ihr entsendeten entfernten Detachements, wie z. B. in Bernau, ein, dagegen behielt sie die umliegenden Dörfer wie Tegel, Hermsdorf, Pankow, Lichtenberg, Weißensee, ec. besetzt. Die Züge nach Trebbin dauerten fort, vorzugsweise wurden Kranke und Gepäck zurückgeschafft, auch hielten die Klagen über schlechtes Benehmen der Truppen an. ...