Literatur zum Thema "1813 - Die Kosaken vor und in Berlin":

Geschichte
der
Deutschen Freiheitskriege.
in den Jahren 1813 und 1814.
Von Heinrich Beitzke, Major a. D.
Erster Band.
Berlin, 1854.
Verlag von Duncker und Humblot.
Gefunden bei Google Books:
http://books.google.de/books?id=2QUxAQAAIAAJ
Titel  Geschichte der deutschen Freiheitskriege
in den Jahren 1813 und 1814, Band 1
Autor  Heinrich Ludwig Beitzke
Verlag  Duncker und Humblot, 1854
Original von  University of California
Digitalisiert  8. Juni 2010


Seite 225
II. Buch 8. Abschnitt
Die Franzosen in den Marken und Berlin

Am 12. Februar hatte General Tschernitsches in Zirke an der Warthe die Reste von zwei litthauischen Reiterregimentern von den Truppen des Vice-Königs gefangen genommen. Am 14ten war ein Pulk Kosakken in Königsberg in der Neumark, am 15ten war Oberst Tettenborn in Soldin. An eben diesem Tage war ein Partheigänger Major Benkendorf bei Zellin über das Eis der Oder gegangen und hatte in Wrietzen ein westphälisches Bataillon von 450 Mann ausgehoben. Dadurch kühn gemacht, war er am 17ten bis Werneuchen, 3 Meilen von Berlin vorgedrungen hatte, sich aber gegen die weit überlegene Macht des französischen Generals Poinçot zurückziehen müssen. Diese Erfolge hatten gereizt. Am 17ten Morgens war Oberst Tettenborn mit 6-700 Kosakken in Wrietzen eingetroffen und hatte sich am Abend mit Benkendorf vereinigt. An demselben Abend war General Tschernitschef selbst mit 2000 Mann Reiterei nebst einigen Kanonen in Wrietzen angekommen, da das Eis über die Oder noch gehalten hatte. 3000 Mann Reiterei, größtentheils Kosakken waren so vereint, mit welchen Tschernitschef am 19 Februar bei Straußberg erschien, um in größter Nähe Berlin zu bedrohen. ...

Seite 228...231
Die Räumung der Oder von Seiten der Franzosen war kein geringes Ereigniß. Sie regte die Bevölkerung aufs höchste auf und erfüllte sie mit allgemeiner Zuversicht. Nur noch ein kurzer Stoß, so mußte der verhaßte Franke auch die Marken räumen und hinter die Elbe zurückweichen. Freilich mußte man darauf gefaßt sein, noch sehr peinliche Scenen in der Mark zu erleben, wo es zum Kampf zwischen Franzosen und Russen kommen und wo die Hauptstadt selbst leicht den Schauplatz desselben abgeben konnte. Auch wurde es Berlin nicht erspart, Zeuge von kriegerischen Begebenheiten zu sein.
Diese fanden schon vor dem Verlassen der Oder durch die Franzosen statt und zwar durch die Verwegenheit Tschernitschef's. Schon am 20. Februar nämlich unternahm dieser von Alt-Landsberg her eine Anskundung gegen Berlin. Er umging die Abtheilungen des Generals Poinçot und bemächtigte sich des Dorfs Pankow nördlich von Berlin. Von hier aus hatte er die unerhörte Dreistigkeit, den General-Gouverneur von Berlin und den Marken, den Maréschal de l'Empire Herzog von Castiglione, der eine Macht von 6000 Mann unter den Wassen und wenigstens 40 Geschütze zur Verfügung hatte, durch einen Parlamentair zur Räumung der Stadt aufzufordern. Ohne eine Antwort abzuwarten, drang Oberst Tettenborn mit einem Pulk Kosakken gegen die Stadt vor, griff hier die ihm entgegengesandte Reiterei mit Ungestüm an, überrannte sie und jagte etwa gegen Mittag durch mehrere schwachbesetzte Thore in die Stadt ein. Es geschah dies hauptsächlich vom Oranienburger Thor her, aber ziemlich gleichzeitig drangen Kosakkenhaufen auch zum Landsberger, Bernauer und Frankfurter Thor hinein. Der größte Theil derselben kam bis auf den Alexanderplatz, wo französisches Fußvolk und Geschütz der weiteren Verfolgung ein Ziel setzten. Aber einzelne Kosakken und kleine Trupps drangen mit äußerster Verwegenheit bis in die Mitte der Stadt. Mit Hülfe mehrerer junger freiwilliger Jäger entwaffneten sie einige einzelne Franzosen und kleine Commando's. Aus der Wohnung des Geh. Raths Dr. Heim holten sie einen französischen Obersten heraus und führten ihn gefangen ab. Ein französischer General, der im v. Reck'schen Hause in der Leipziger Straße wohnte, eutging diesem Schicksal nur, indem er sich mit Pistolenschüssen durch die Fenster wehrte. Die Franzosen fürchteten nicht diese wenigen Kosakken, wohl aber daß mit ihrer Hülfe ein allgemeiner Volksaufstand geschehen würde. Der Generalmarsch hallte durch die Straßen und jeder Franzose eilte auf den Stellungsplatz seines Bataillons, aber eine große Menge Volks drängte sich ebenfalls auf den Straßen und begrüßte die Kosakken mit Jubel. Diese, dadurch kühner gemacht, jagten ganze Haufen sich sammelnder Soldaten mit eingelegter Lanze vor sich her, wobei ihnen von Freiwilligen in Uniform laute Hurrah's gebracht wurden, ja ein einzelner Kosakk hatte die Keckheit, durch ein feindliches Bataillon auf dem Schloßplatz mitten durch zu sprengen.
Die französischen Streitkräfte sammelten sich indeß. Marschall Augereau besetzte den Schloßplatz, den Platz vor dem königlichen Palais, den Alexanderplatz und noch mehrere andere Plätze; in mehreren Haupt- und Nebenstraßen wurden Truppen und Geschütz aufgestellt. Abtheilungen wurden ausgesandt, die Kosakken zu vertreiben. In den lebhaftesten Straßen fielen Kanonen- und Flintenschüsse, die mehrere Bürger tödteten und verwundeten. Die Garnison blieb unter den Waffen und wer am Abend das französische Anrufen der Schildwachen nicht sogleich beantwortete, konnte seine Unwissenheit oder Keckheit mit dem Leben büßen. - Oberst Tettenborn zog sich nach einigen lebhaften Scharmützeln wieder aus der Stadt zurück und ward vor dem Thor vom General Tschernitschef aufgenommen. Beide besetzten eine Höhe, einen Kanonenschuß vom Thore entfernt. Die Franzosen kamen aus der Stadt, um diese Höhe anzugreifen, sie wurden jedoch zurückgetrieben und verrammelten dann die Thore.
Dieser Vorfall, an sich selbst kriegerisch von keiner Erheblichkeit, machte doch auf die Franzosen einen sehr peinlichen Eindruck. Sie hatten die Stimmung der Einwohner Berlins näher kennen gelernt und waren in der äußersten Besorgniß vor einem großen Volksaufstande, den sie ganz gewiß vorherzusehen glaubten, wenn die Russen noch einmal in die Stadt drangen. Die Ober-Regierungs-Commission bat den Marschall Augereau wiederholt dringend um Schonung der Stadt, welche er auch, so viel es von ihm abhinge, zusagte. Diese Zusage machte die Ober-Regierungs-Commission in einem öffentlichen Anschlage der Stadt bekannt, mit der dringenden Aufforderung zur Ruhe und Ordnung.
General Tschernitsches zog sich den 21. Februar gegen Oranienburg zurück und die Kosacken verschwanden Nachmittags aus der näheren Umgebung der Stadt. Sie streiften jedoch weit umher bis Charlottenburg, Spandau ec. unterbrachen die Verbindung und machten die Gegend unsicher.
Die Franzosen in Berlin waren von nun an immer auf ihrer Hut. Die Thore wurden verrammelt, nur das Brandenburger, Potsdammer, Hallesche und Köpenicker blieben offen. Ohne Erlaubniß des Gouverneurs durfte Niemand aus der Stadt. Am linken Spreeufer in der Stadt waren an den Straßenecken Kanonen aufgefahren und die Garnison bivouacquirte. Eine Todtenstille herrschte auf den Straßen, selbst die Post war geschlossen, da alle Verbindungen aufhörten. ...