Unter den vielen Publikationen zum Kreis Niederbarnim findet sich im Stadtarchiv Bernau auch ein Reklameheftchen von 1924 für den vom Niederbarnimer Kreisblatt eingerichteten Paketschnelldienst, das offensichtlich schon ein zweites Leben als Malheft hinter sich hat.
Paket-Schnelldienst
des Niederbarnimer Kreisblatts
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Tägliche Kraftwagenverbindung der Wirtschaftszentren Bernau, Oranienburg, Liebenwalde und Alt-Landsberg mit ihrer weiteren Umgebung.
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Verkehrsbuch
enthaltend u.a. sämtliche Winterfahrpläne der durch das Verbreitungsgebiet laufenden Bahnlinien
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Preis 10 Pfg.
1. Ausgabe / Oktober 1924.
Im einleitenden Teil ist recht anschaulich die Verkehrssituation im Niederbarnimer Kreis dargestellt und erklärt, warum sich die Notwendigkeit eines Paket-Schnelldienstes ergibt und wie dieser funktioniert.
Ein Blick auf die Karte lehrt, daß der Kreis Niederbarnim eine recht eigenartige Form hat. Diese ist bedingt durch seine Lage zu Berlin und die Abtrennung recht erheblicher Teile des ehemaligen Kreisgebietes und ihre Eingemeindung nach Groß-Berlin im Norden und Osten. Da nun die Eisenbahnen strahlenförmig nach Berlin zusammenlaufen, so ergibt sich daraus, daß die Ort­schaften des nördlichen Teils in der Richtung von Norden nach Süden, die des mittleren Teils in der Richtung von Nordosten nach Südwesten und die des östlichen Teils in der Richtung von Osten nach Westen miteinander verbunden sind. Was aber ganz fehlt, sind die Eisenbahn-Quer­verbindungen im Nordteil von Westen nach Osten und im Ostteil von Norden nach Süden. Das vor dem Kriege bestehende Projekt einer solchen Querverbindung als Fortsetzung der Bahn Nauen - Kremmen - Oranienburg weiter nach Bernau - Werneuchen - Alt-Landsberg hat wegen der allgemeinen Wirtschaftslage nicht ausgeführt werden können. Für die Querverbindungen ist man also auf zeitraubende Umwege über Berlin angewiesen. Welchen unglaublichen Zeitverlusten man sich dabei aussetzt, lehrt z. B. eine „Reise“ von Oranienburg nach Liebenwalde, für die man einschließlich des Weges zur Bahn und des Umsteigeaufenthaltes 3 bis 4 Stunden ansetzen muß. Dabei beträgt die direkte Entfernung auf der Landstraße knapp 25 Kilometer! Ähnliche Beispiele gibt es im Kreise mehr. Man wird sich also für solche Verbindungen der sonst üblichen Verkehrs­mittel Pferd, Wagen Rad oder Auto bedienen.
Der Verlag des Niederbarnimer Kreisblatts hat es sich nun angelegen sein lassen, mit Beginn des Jahres 1924, als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse zu festigen begannen, einen Kraftwagen­verkehr für die Kreisblattbestellung ins Leben zu rufen, durch den mehr als 80 von den 127 Ortschaften und Gutsbezirken des Kreises Niederbarnim und dazu noch 12 weitere aus den Nachbarkreisen Ruppin, Templin, Oberbarnim und Groß-Berlin jeden Tag berührt werden.
Die bestehende Autoverbindung soll nun den Bewohnern unseres Verbreitungsgebietes in weitgehendem Maße dienstbar gemacht werden, denn diese haben unter den oben kurz skizzierten mangelhaften Verbindungen oft gelitten. Das gilt nicht nur von den Geschäftsleuten der vier Städte des Kreises, sondern ebenso von so manchem auf dem Lande wohnenden Verbraucher. Eine telefonische Bestellung war zwar schnell aufgegeben. Dann aber erhob sich die Frage: Wie soll die bestellte Ware an Ort und Stelle gebracht werden? Post - dauert zu lange; Radfahrer - nicht vorhanden; Gespann - zu teuer. Mancher Auftrag ist daran gescheitert.
Hier soll nun der Paket-Schnelldienst des Niederbarnimer Kreisblatts helfend eingreifen. Die Wagen fahren jeden Tag auf vier verschiedenen Strecken, deren Linienführung aus der an anderer Stelle befindlichen Karte hervorgeht. In jedem Ort befindet sich eine Geschäftsstelle des Kreisblatts. Alle Bestellungen, die telefonisch oder schriftlich bei einem Geschäftsmann irgend eines an der Strecke liegenden Ortes gemacht werden, werden von diesem an die Geschäftsstelle geliefert und von dort durch den Kreisblatt-Wagen ihrem Bestimmungsort zugeführt. Auf der dortigen Geschäftsstelle kann der Besteller dann seine Sendung abholen. ...
Im Kartenteil sind die vier Touren des Paket-Schnelldienstes dargestellt. Die uns betreffende Tour hatte folgenden Verlauf:
Oranienburg ... Bernau - Börnicke - Willmersdorf - Weesow - Werneuchen - Seefeld-Löhme - Krummensee - Alt-Landsberg - Bruchmühle - Eggersdorf - Petershagen - Fredersdorf - Tasdorf - Vogelsdorf - Bollensdorf - Neuenhagen - Hönow - Mehrow - Blumberg - Bernau ... Oranienburg.
Das enthaltene Verkehrsbuch enthält wie versprochen die Fahrpläne jener Eisenbahn­linien, die durch das Verbreitungsgebiet des Niederbarnimer Kreisblattes führen.
Wir haben daraus den (Winter-) Fahrplan von 1924 für die Kleinbahn Altlandsberg-Hoppegarten und den Fahrplan der Wriezener Bahn entnommen, wobei die tatsächliche Zugfolge etwas dünner war, da hier nicht alle Verkehrseinschränkungen aufgeführt sind.
Altlandsberg - Hoppegarten
Werktagsverkehr
5.40 8.32 11.20 1.40 5.28 7.35 ab Altlandsberg an 7.28 9.28 12.28 3.28 6.28 9.28
6.03 8.55 11.43 2.03 5.51 7.58 an Hoppegarten ab 7.05 9.05 12.05 3.05 6.05 9.05
Sonntagsverkehr
7.40 10.40 1.40 8.40 10.40 ab Altlandsberg an 9.28 12.28 3.28 9.33 11.28
8.03 11.03 2.03 9.03 11.03 an Hoppegarten ab 9.05 12.05 3.05 9.10 11.05

Berlin Schles. Bahnhof - Werneuchen - Wriezen
S W W Züge führen 2.-4. Klasse
5.418.228.4210.271.001.102.104.256.046.268.5411.10abSchles. Bf. (Wriez. Bhst.)
5.528.318.5110.361.091.192.194.346.136.359.0411.20Lichtenberg-Friedrichsfelde
6.048.449.0310.471.211.312.314.476.246.499.1711.35Marzahn
6.118.529.1110.531.291.392.384.566.306.579.2511.42Ahrensfelde
| | | | 1.321.422.425.00| 7.01| | Ahrensfelde Friedhof
6.239.049.2611.051.401.512.525.086.427.109.3811.54Blumberg (Bez. Potsdam)
6.319.159.3611.141.481.583.015.186.517.209.4812.03Seefeld (Mark)
6.389.239.4311.221.552.053.095.266.597.289.5612.11anWerneuchen
6.409.269.5011.272.012.08- 5.277.007.32- - ab
6.479.359.5811.352.072.14- 5.357.077.41- - Werftpfuhl
6.549.4210.0411.412.132.20- 5.417.137.48- - Tiefensee (Oberbarnim)
7.4010.2910.45- 2.513.01- - - 8.35- - anWriezen
Berlin Schles. Bahnhof - Werneuchen - Wriezen (Rückfahrt)
Züge führen 2.-4. Klasse W
Schles. Bf. (Wriez. Bhst.)an 5.397.4010.05 1.183.094.335.257.239.0110.2011.40
Lichtenberg-Friedrichsfelde 5.317.32 9.56 1.102.594.255.157.158.5310.1011.25
Marzahn 5.197.19 9.4612.572.474.145.037.048.4110.0011.11
Ahrensfelde 5.127.11 9.3912.502.394.074.556.578.33 9.5311.01
Ahrensfelde Friedhof | | | | 2.334.034.496.50| | |
Blumberg (Bez. Potsdam) 5.016.59 9.2812.392.253.564.416.428.22 9.4110.45
Seefeld (Mark) 4.526.50 9.1612.302.153.474.316.328.13 9.2610.32
Werneuchenab 4.446.42 9.0612.222.063.394.226.248.05 9.1610.20
an - 6.29 9.0212.202.01- 4.196.208.04 9.1510.18
Werftpfuhl - 6.21 8.5412.121.52- 4.116.137.57 9.0710.08
Tiefensee (Oberbarnim) - 6.15 8.4612.051.44- 4.046.067.51 8.59 9.59
Wriezenab - - 7.45- 12.46- 3.14- - 8.02 8.54
[Anmerkung: Es sind nicht alle Verkehrsbeschränkungen aufgeführt]
Der größte Teil des Heftchens ist gefüllt mit Geschäftsanzeigen, insbesondere aus Oranienburg, wo das Niederbarnimer Kreisblatt herausgegeben wurde. Hier sind die einleitenden Worte zum Anzeigenteil und beispielhaft eine Annonce:
Das Niederbarnimer Kreisblatt
ist die einzige maßgebende Tageszeitung des Kreises Niederbarnim mit rechtsver­bindlicher Publikationskraft d. amtlichen Bekannt­machungen der Kreis- und sämtlicher Gemeindebehörden. Sein Anzeigenteil stellt ein Spiegel­bild des wirtschaftlichen Lebens in dem aufstrebenden Kreise dar und wird von kreis­eingesessenen und Berliner Firmen gern benutzt, denn Anzeigen haben im Niederbarnimer Kreisblatt stets besten Erfolg.