Im Demminer Tageblatt war am 10. August 1926 unter dem Titel

"Der Werdegang einer Flasche Milch"

ein Beitrag über die Produktion der Mehrower Sanitätsmilch zu lesen, der von einem Werksstudenten stammt, welcher Mehrow besichtigt hat.

Der Autor des Artikels, Gustav von Hahnke, hat dann auch Max Bothe die entsprechende Ausgabe des Demminer Tageblattes mit der Post zukommen lassen.


Vom Verfasser in dankbarer Ehrerbietung,
ergebenst Gustav von Hahnke


ist dort auf den Zeitungsrand geschrieben. Und ihm ist es wohl auch wirklich hier nicht schlecht ergangen.

Er wurde, nachdem er "dem Getriebe der Großstadt, Straßenstaub und Motorengesurre auf einige Stunden Lebewohl" gesagt hatte, in Ahrensfelde von der Mehrower Gutsverwaltung mit einem Einspänner abgeholt und "der freundliche Besitzer von Mehrow" (Max Bothe) selbst hat ihm hier alle Stationen der Milchproduktion gezeigt.

Übrigens hat auch eine Verwandte von Max und Anna Bothe, Frau Lieselotte Heuser-Horn in Flensburg, am Telefon davon geschwärmt, wie bei einem Besuch in Mehrow Ende der 20er Jahre Max Bothe stolz seine damals unheimlich moderne elektrische Melkanlage präsentierte.

Der Werdegang einer Flasche Milch
Von Gustav von Hahnke

Die Aufforderung „Trinkt Milch“ und ähnliche in die Augen fallende Plakate zur Förderung des Milchgenusses sind bereits vereinzelt in das Straßenbild unserer Großstädte eingezogen. Das umfangreiche Gebiet der Milchwirtschaft ist durch Gründung eines Reichsmilchausschusses mit einem Schlage aktuell geworden. Gleichsam wie auch in Amerika, so wird auch bei uns die Vorzugsflaschenmilch eine weit größere Rolle spielen als bisher. Die neuzeitlichen Forderungen der Milchhygiene sind die harte Peitsche, die Meiereibetriebe wie auch die rastlos erfinderische Milchindustrie anspornt, maschinelle Neueinrichtungen zu treffen, die den strengsten Anforderungen der Hygiene gerecht werden können. Auf diesem Wege dem Ziele, die Bevölkerung mit möglichst bekömmlicher Milch zu versorgen, schreiten aber auch die Aerzte und Chemiker immer weiter voran und stellen immer strengere Forderungen auf, indem sie die Milchproduzenten und die milchverarbeitende Industrie unausgesetzt zu hygienischem Ausbau des Weges der Milch von der Kuh bis zu den Lippen der Kinder anhalten. Die Versorgung der 4-Millionen-Stadt Berlin mit hygienisch einwandfreier Milch, noch zwar in den Kinderschuhen steckend, hat bereits greifbare Erfolge aufzuweisen. So hatte ich in meiner Eigenschaft als Werkstudent der großstädtischen Milchversorgung unlängst die Gelegenheit, den Betrieb der Sanitätsmeierei des Rittergutes Mehrow besichtigen zu dürfen.

Ein frisches Mailüftchen wehte, als ich hinausfuhr, um dem Getriebe der Großstadt, Straßenstaub und Motorengesurre auf einige Stunden Lebewohl zu sagen und wieder einmal freie, gesunde Landluft einatmen zu können. Mit dem Wriezener Zuge ging es in schnellstem Tempo einer preußischen Nebenbahn nach Ahrensfelde, wo bereits der Einspänner der Gutsverwaltung harrte. In schnellem Trabe wurde der idyllisch gelegene Gutshof erreicht, wo der freundliche Besitzer von Mehrow die Führung selbst übernahm.

Unser Rundgang begann in dem eine große Dimension aufweisenden Musterkuhstall, in dem die peinlichste Sauberkeit herrschte. Von den 190 in diesem Stall eingestellten Kühen sieht eine so appetitlich sauber und gepflegt aus, wie die andere. Neben dieser Sauberkeit wird auch der Gesundheit der Tiere die weitgehenste Aufmerksamkeit gewidmet. Die Kühe stehen dauernd unter amtstierärztlicher Kontrolle, und es muß von jeder einzelnen Kuh vierteljährlich ein amtliches Gesundheitsattest der zuständigen Gesundheitsbehörde in Berlin vorgelegt werden. Ja, das Gesundheitsamt geht hierin sogar so weit, daß es die Kühe stets einen Tag vor Ablauf der Frist kündigt.

Das Melken geschieht durch eine Alfa-Laval-Anlage auf maschinellem Wege, so daß die Milch vom Kuheuter direkt durch die Melkschläuche in die geschlossene Milchkanne geleitet wird. Auf diesem Wege ist ein Hinzutreten von Strohteilchen, Staubkörnchen und Kuhschmutz von vornherein ausgeschlossen. Selbstverständlich wird der Euter vor Anlegen des Melkapparates gewaschen. Die die Melkmaschinen bedienenden Unterschweizer werden auf körperliche Sauberkeit überwacht. Nach jedemaligem Gebrauch wird die ganze Anlage auseinander genommen und die einzelnen Teile in einem warmen Laugenbade eingehend gereinigt.

Vom Stall gelangt die Milch sofort in das gegenüberliegende Meiereigebäude, wo unser Weg nun hinführt. Sämtliche Räume sind sauber ausgekachelt und gewinnen hierdurch an freundlichem Aussehen. Von einem mit Isolierwandungen versehenen Sammelbecken durchläuft die schon einwandfrei gewonnene rohe Kuhmilch, der sanitären Sicherheit halber nocheinmal durch eine Reinigungszentrifuge. Im Anschluß hieran drückt eine Pumpe die Milch über eine Wasserkühlanlage, welche die noch kuhwarme Milch auf etwa 10 Grad kühlt, und nun läuft die Milch zur Tiefkühlung über eine Kältesole, welche eine Temperatur von -2 Grad besitzt. Das ist die ganze Behandlung der Flaschenmilch die, obwohl Rohmilch, durch ihre hygienische Gewinnung doch frei von schädlichen Keimen ist. Aus einem völlig geschlossenen Sammelbassin wird die Milch zur Flaschenfüllmaschine geleitet, um nun selbsttätig in die Flaschen gefüllt zu werden. Die Flaschen werden sofort verschlossen, plombiert und gelangen darauf, gebrauchsfertig, in den Kühlraum, von wo sie kastenweise zur Expedition gelangen. Zwei eigene 5-Tonnen-Lastkraftwagen, die nur speziell dem Milchtransport dienen, übernehmen nun die Weiterbeförderung nach Berlin. Ein Planverdeck schützt die Flaschen vor Staubeinwirkung.

Das Meiereigebäude besitzt außer den bereits genannten Einrichtungen noch einen Laboratoriumsraum, der der chemischen Ueberwachung der Milch dient. Fortlaufende wissenschaftliche Versuche mit der Mehrower Kindermilch nehmen der Dirigent des Weißenseer Säuglingskrankenhauses, Professor Dr. Reyher, an Meerschweinchen, sowie Dr. Edelstein vom Kaiserin-Augusta-Viktoria-Institut für Säuglingspflege an Ratten vor.

Wir wandten uns nunmehr der großzügig, nach amerikanischem Muster, angelegten Flaschenreinigungsanlae zu, wo gerade mehrere Frauen mit dem Abbrühen und Sterilisieren der Gummiringe emsig beschäftigt waren. In einer Vorweichanlage wird, sobald die Flaschen vom Konsumenten bzw. Händler zurückgeliefert sind, der ewtaigen darin befindliche Schmutz gelöst. Eine Bürstmaschine bürstet die angelieferten Flaschen von innen und außen, und endlich werden dann noch von innen und außen mit kaltem Wasser gespritzt.

Befriedigt von den gewonnenen Eindrücken nahm man Abschied, beseelt von dem Gefühl: Endlich eine Anlage, welche die volle Gewähr für den Genuß hygienisch einwandfreier Rohmilch leistet. Möge dieser Betrieb segensreichen Anklang und viele Nachfolger in unserem deutschen Vaterlande finden. Dann wird es auch wieder besser um unsere Volksgesundheit stehen und vor allen Dingen die Säuglingssterblichkeit rapide zurückgehen. Drum bleibe in den Großstädten die Losung: Nur einwandfreie Milch in den Magen unserer kleinen Lieblinge, der Säuglinge!

Artikel in der Weihnachtsbeilage von „Die Woche“ vom 11.12.1926