Ein großes Problem über viele Jahre war, daß immer wieder Neubauern "das Handtuch geworfen" haben, weil sie überfordert waren, die geforderten Abgaben nicht erbringen konnten oder wollten, sich gegängelt fühlten oder einfach nur den Verlockungen des nahen Westens gefolgt sind. So war 5 Jahre nach der Bodenreform fast ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche herrenlos, wie diverse Berichte der Gemeinde an den Rat des Kreises belegen: |
Rat der Gemeinde Mehrow Mehrow, den 13.3.1951 An den Rat des Kreises Niederbarnim - Amt für Landwirtschaft und Forsten - Bernau Betr.: Herrenlose Flächen Am 1.1.1951 waren folgende Flächen herrenlos: Weiland, Emil 2.52 ha Borowski 6.02 ha Bachmann M. 7.17 ha Sydow 5.16 ha Falkenberg D 6.11 ha Weilandt Fr. 7.98 ha Hahnfeldt 5.35 ha Spiedt, Fr. 6.48 ha Jung, Albert 8.56 ha Schulz, Paul 5.57 ha Jenke, O. 6,60 ha Janisch, M. 5.60 ha Steinke, Charl. 5.69 ha Stolz, P. 6.77 ha Gaeckel, G. 5.60 ha Spitzer 5.70 ha Rimkus, Joh. 6.90 ha Borchardz, Fr. 7.04 ha Schmidt, Robert 5.94 ha Mantei 6.93 ha Arndt, Erna 7.59 ha insgesamt 131.18 ha ldw. Nutzfläche In der Zwischenzeit wurden folgende Parzellen zur Bewirtschaftung vergeben: Sydow 5.16 ha u. Gaeckel 5.60 ha Nach dem 1.1.1951 sind neu hinzugekommen: Achtelstetter 5.54 ha Bereits zur Bewirtschaftung vergeben Tupuschies, A. 4,94 ha Klitzke, Karl 6.75 ha Thürling, Ad. 41.15 ha Am 13.3.1951 insgesamt 168.32 ha herrenlos. |
Anm.: Im Original sind fast alle Namen des obersten Blocks mit dem Zusatz "VdgB" versehen. Darauf wurde hier aus Platzgründen verzichtet. [VdgB = Verband der gegenseitigen Bauernhilfe] |
Zwei Monate später, am 23.5.1951 wurde wieder eine Aufstellung der herrenlosen Flächen an den Rat des Kreises geschickt. Diese Liste enthält Angaben darüber, wann die Eigentümer ihre Flächen verlassen haben: |
An den Rat des Kreises Niederbarnim -Amt für Landwirtschaft u. Forsten Nicht bewirtschaftete Flächen Bernau -.-.-.-.-.- Betr.: Nicht bewirtschaftete landw. Nutzflächen. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - In Beantwortung Ihres Schreiben teilen wir Ihnen mit, dass die nichtbewirtschafteten Flächen: E. Weiland VdgB am 13.10.49 Hahnfeldt " 1.1.50 Schulz,Paul " 1.3.50 Steinke,Charl. " 18.3.50 Spitzer " 28.10.49 Schmidt,Rob. " Sept. 49 Borowski " 1.1.50 Falkenberg, D. " Okt. 1950 Spiedt,Fr. " dto. Jenke.O. " 16.8.49 Stolz,Paul " 1.12.49 Rimkus,Joh. " 25.2.50 Mantei " 17.3.49 Pahmann " 1.3.50 Weiland,Friedr. " 1.1.50 Jung " 2.3.50 Janisch,Marie " Frühjahr 1950 Gaeckel " 30.10.49 Borchardt " 1.8.50 herrenlos geworden sind. Es handelt sich um Bodenreformland, welches jetzt an Neubauern treuhänderisch vergeben ist. |
Wie man sieht, sind fast alle der Genannten binnen einen halben Jahres zwischen Oktober 1949 (Gründung der DDR) und März 1950 "geflitzt". Damit war vielleicht der Höhepunkt, aber noch lange nicht das Ende erreicht. Es haben sich allerdings in der Folgezeit nicht mehr so viele gleichzeitig abgesetzt, so daß man Zeit fand, künftig jede "Republikflucht" penibel zu erfassen. Hier ist ein Beispiel dafür: |
Rat der Gemeinde Mehrow Mehrow, den 16.9.52 P r o t o k o l l - - - - - - - - - Am 1.9.52 hat der ehem. NB Bruno Schuckert seine Wirtschaft verlassen ohne die polizeilichen Meldevorschriften zu beachten. Da in der Zwischenzeit kein Lebenszeichen von ihm gekommen ist, besteht die Vermutung, dass er sich nach Westberlin abgesetzt hat. Das lebend. und tote Inventar unterliegt der Beschlagnahme lt.poliz. Protokoll. Im Hinblick auf die Durchführung der Erntearbeiten, die unbedingt schnellstens durchgeführt werden müssen, wird vorgeschlagen, Herrn Julius Metzkow sofort als Treuhänder für die Wirtschaft einzusetzen. Die VdgB (BHG) Ahrensfelde hat eine Forderung von ca. 12.000.- DM an den ehem. Neubauern Schuckert. Sollte das auf der Wirtschaft Schuckert über den Plan vorhandene Vieh abgezogen werden, so muss das Vieh innerhalb der Gemeinde Mehrow verbleiben. Der Viehalteplan innerhalb der Gemeinde Mehrow kann nur durch Einfuhr realisiert werden. Der Viehbestand der neu gebilfdeten Genossenschaft ist unzulänglich und bedarf der Verbesserung. |
Rat der Gemeinde Mehrow Mehrow, den 16.9.52 An den Rat des Kreises Bernau -Abt. Bodenreform- Bernau Betr.: Wirtschaft Bruno Schuckert, Mehrow Der NB Bruno Schuckert, Mehrow hat seinen Wohnort ohne polizeilische Abmeldung verlassen. In einer Besprechung am 16.9.52 über die Wirtschaft Schuckert waren anwesend der komm. Bürgermeister Heinz Wegener, die landw. Sachb. der Gemeinde, die Vertreter der Orts-VdgB Koll. Gustav Micheel und Richard Dietrich und der Geschäftsführer der VdgB BHG Ahrensfelde Otto Schumacher. Es wurde festgestellt, dass die Schulden, die auf der Wirtschaft Schuckert liegen, 12.451.01 DM betragen. Um die Weiterführung der Wirtschaft zu gewährleisten, muss unbedingt ein Treuhänder eingesetzt werden. |
Bruno Schuckert ist offenbar allein "geflitzt", denn mit Datum vom 20.9.52 findet sich eine Notiz, daß Frau Schuckert nach Lindenberg gezogen ist und folgende Gegenstände mitgenommen hat: |
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1 Küchenschrank, 1 Küchentisch, 1 Schlafzimmer (eiche, complett), 1 Couch, 2 Sessel, 3 Stühle, 1 Lampe, 1 Waschkorb m. Geschirr, Betten, Wäsche, Div. Kleingeräte (Giesskanne, Wecktop etc.), 1 Wäschetruhe |
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Damit alles seine Ordnung hat, wurde (mit einem dreiviertel Jahr Verspätung) im Juli 1953 folgende Schätzung des Schuckert-Inventars vorgenommen: |
S c h ä t z u n g des auf der verlassenen Neubauernstelle S c h u c k e r t in M e h r o w vorhandenen lebenden und toten Inventars. - Übernehmender Heinz Wegener - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 1 Pferd, Grauschimmel, 6 Jahre, vorn links sehr stark angeschlagen, rechts Fessel angeschlagen, zu früh angespannt DM 600,-- 1 Kuh schwarzbunt, angeblich 11 Jahre, dreistrichig gute Milchleistung 450,-- 1 Kuh schwarzbunt, 5 x gekalbt 850,-- 1 " " 2 x " 725,-- 1 " " 1 x " 600,-- 1 Färse " 2 1/4 Jahre 325,-- 1 Fresser 175,-- 1 Mutterschaf 40,-- 1 Zuchtsau, 2 x geferkelt 300,-- 1 Eber, 10 Wochen kastriert, 175 kg à DM 1,40 245,-- 1 Zuchteber mit Papieren 550,-- 12 Läuferschweine à 25 kg à DM 1,80 540,-- 4 Schweine à 60 kg à 1,40 336,-- 2 Bullenkälber à DM 50,-- 100,-- 1 Fresser - Färse 55,-- 25 Hühner à DM 5,-- 125,-- 1 Grassmäher 110,-- 1 Vielfachgerät 65,-- 1 Zweischarpflug 35,-- 1 Unkrautriegel 15,-- 1 dreiteilige Egge 30,-- 1 Schwungpflug 25,-- 1 Karrenpflug 40,-- 35 Ztr. Weizen à DM 11,-- 385,-- 35 " Roggen à DM 10,-- 350,-- 20 " Hafer à DM 9,50 190,-- ----------------- DM 7.261,-- ================= Die Übernahme des Viehbestandes hat bereits im Oktober 1952 stattgefunden. Mehrow, den 21.7.1953 gez. Maziemke |
Ein weiteres Beispiel: Im März 1953 ist Otto Stürzebecher (geboren 1902) mit Ehefrau Ella und den Töchtern Anita und Gerda lt. Polizeiprotokoll vom 6.3.52 "Unabgemeldet nach dem Westen, Wohnsitz unbekannt" Sein zurück gelassener Hausstand ist wie folgt erfaßt worden: (Das Protokoll ist wie nebenstehend unterschrieben vom komm. Bürgermeister Wegener) |
Mehrow, den 6.3.1953 Bestandsaufnahme bei Stürzebecher, Mehrow - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Küche: 2 Tische, 5 Stühle 1 Schrank 7 Steintöpfe 2 Schüsseln, div. Küchengeschirr 1 Schuhschrank mit div. Schuhen 1 Neonlampe 1 Deckenbeleuchtung 1 Blumenkrippe 1 Sack Wäsche 1 Fenster Übergardinen Schlafzimmer: 2 Betten mit Auflagematrazen 1 Nachtschrank 1 Ankleideschrank Inhalt: 1 Mantel, 4 Kleider, 3 Blusen Wäscheteil mit div. Wäsche 2 Pakete Kossenbror 1 Truhe alte Wäsche 1 Riegel 1 Damenmantel und div. alte Stücke 1 Deckenbeleuchtung Wohnzimmer: 1 Couch 1 ovaler Tisch 4 Stühle 1 Büfett 1 Anrichte 1 Nähmaschine 1 Radio 1 Deckenbeleuchtung 1 Teppich div. Geschirr |