Kirchenvisitation am 26. April 1847 durch Superintendent Kümmel, gefunden im Geheimen Staatsarchiv unter GStA HA X Pr.Br. Rep 40 (Kurmärkisches Konsistorium) Nr. 1268, Blatt 44 bis 50 (...63)

An Ein Königliches Hochwürdiges Consistorium
der Provinz Brandenburg
zu Berlin

Berliner Landsuperintendentur
Schönerlinde bei Berlin, d. 31. Mai 1847
Bericht des Superintendenten Kümmel
über die in der Parochie Ahrensfelde vom
24 bis 26 April abgehaltene Kirchenvisitation

Herrn Jourin nach seiner Rückkehr vorzulegen
Berl. 11. Juli 1847
Unterschrift
D:
1. Herrn Regierungsrath Heindorf ... [?] vorzulegen, mit der Bitte dem Prediger Lücke, der nur 347 rthl. Diensteinkommen hat, wenn dies noch nicht geschehen, gefälligst für dieses Jahr zu einer Gratification votieren zu wollen.
2. Scr. an den Sup., er habe in drei Jahren zu berichten, ob er es nicht für regelmäßig halte, statt der zum Vorlesen vorhandenen Postillen von Dapp und Kalm andere ... anschaffen zu lassen.
Fr. 8/9.
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Einem Königlichen Hochwürdigen Consistorii beehre ich mich, in der Anlage die bei Gelegenheit da von mir in der Parochie Ahrensfelde vom 24ten bis 26ten April v. abgehaltene Kirchenvisitation aufgenommenen drei Verhandlungen so wie die beiden von dem Herrn Prediger Liesche gehaltenen Visitationspredigten in einem Hefte mit folgendem Bemerken gehorsamst zu überreichen.

Die Parochie besteht aus der Mater Ahrensfelde, der Filia Mehrow und der Filia Hönow, welche letztere bis zum Jahre 1791 eine eigene Pfarre als unicum gebildet hat, in genanntem Jahre aber mit Ahrensfelde unter nicht besonders günstigen Bedingungen für die Pfarre auf einige Zeit vereinigt worden ist. Zu den ungünstigen Bedingungen gehörte, daß der Pfarrer von den Pfarreinkünften 25 rthl. jährlich an den Küster zu Hönow zahlen muß, wofür die ganze Schuljugend unentgeltlich unterrichtet wird, daß er alle notorisch armen Kinder mit den
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nöthigen Büchern versorgen, alle Fuhren zu den Amtsverrichtungen aus eigenen Mitteln bezahlen, ohne irgend eine Entschädigung dafür zu bekommen, den Confirmandenunterricht in Hönow selbst ertheilen (nur in den letzten 4 Wochen müssen die Kinder nach Ahrensfelde geschickt werden), die Scheffel Meßkorn um 4 sgr [?] wohlfeiler, als der Berliner Marktpreis ist, bezahlt nehmen, alle Einkünfte nur in Hönow erheben, alle pfarramtlichen Anzeigen durch den dortigen Küster empfangen und denselben dafür lohnen muß. Die drei Kirchdörfer liegen in einer Richtung so, daß Mehrow zwischen Ahrensfelde und Hönow sich befindet, letzteres ¾ Meilen von ersterem entfernt.

Was den Kirchbesuch anbetrifft, ist der zu Hönow der beste, bei weitem unregelmäßiger der zu Ahrensfelde, am betrübensten der zu Mehrow, wo freilich nur vier bäuerliche Wirthe und einige Büdner, aber eine Menge Tagelöhner sind, die höchst selten und fast gar nicht zur Kirche gehen, obgleich die Gutsherrschaft mit einem sehr löblichen –Beispiel vorangeht. Dies Verhältnis hat sich auch bei den Visitationsgottesdiensten in den drei Kirchen herausgestellt, und findet auch bei den Communionen statt, deren in jedem Dorf jährlich sechs gehalten werden. Die kirchlichen Katechesationen mit den eingesegneten jungen Leuten wollen nicht recht in Gang kommen, wie denn überhaupt in der Nähe Berlins die Confirmierten, ich sie durch kein anderes
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Mittel als das der Ermahnung zur Theilnahme bewegen werde können, leider in der Mehrzahl ihre Theilnahme versagen.

Der sittliche Zustand der Gemeinden ist befriedigender, und die zu Ahrensfelde und Hönow sind selbst bei den Gerichten und Rentämtern [?] als friedliche und umgängliche bekannt. Ausbrüche von Rohheiten [?] und Schlägereien haben während der achtjährigen Amtsführung des jetzigen Pfarrers nicht Statt gefunden; kleine Diebstähle aber von Holz, Gras und Feldfrüchten bleiben hier so wenig als an anderen Orten aus. Nur die Gemeinde zu Mehrow gehört zu den Oppositionsgemeinden, wie ich selbst in Schulangelegenheiten ersehn habe [?], ist gleich zum Klagen bereit und schwer zu überzeugen, wenn etwas Gutes eingeführt werden soll, obgleich der Gutsherr Luther, ein Nachkomme des großen Reformators, zur Förderung des Kirchen- und Schulwesens gar manches Opfer bringt. Ein notorischer Säufer soll in der Parochie nicht sein, Tanzmusik nur [?] bis fünfmal jährlich gehalten, leider aber häufiger Marionettenspielen, die gewiß nur einen nachtheiligen Einfluß auf die Sittlichkeit üben, und welche öfter abzuweisen die Schulzen nicht Muth und Kraft haben, der Zutritt gewährt werde.

Derzeitiger Pfarrer, Herr Friedrich August Ferdinand Lucke, seit acht Jahren Adjunct des wegen epileptischer Krämpfe
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emeritierten Pfarrers Busch, ist ein Mann von guten Kenntnissen, im Predigerseminar zu Wittenberg zwei Jahre vorbereitet, von unsträflichem Wandel und treuer Amtsführung. Er ist ruhigen Temperamentes und etwas schüchternen Wesens, ohne die rechte Entschiedenheit und Charakterfestigkeit, daher es ihm auch schwer wird, bei Gesunden die expressive Seelsorge zu üben. Die Kranken in seiner Gemeinde besucht er oft und gern, um sie ebenso wohl auf den Ernst der Ewigkeit hinzuweisen, als ihnen den Trost des Evangeliums zu spenden. Er führt ein stilles häusliches Leben und zeichnet sich ungeachtet seiner spärlichen Einkünfte (347 rthl. statt der ihm eigentlich als 2/3 des Pfarreinkommens zukommenden 432 rthl., von denen er jährlich auf Bestimmung des hohen Ministerii der geistlichen Angelegenheiten dem Emeritus Busch noch jährlich 85 rthl. zu dessen Mittheil hat zulegen müssen) durch seine Mildthätigkeit und, wie er denn überhaupt außerordentlich bereit ist, wo und wie er kann, zu dienen und zu helfen, ohne sich durch erfahrenen Undank irren zu lassen, wie er denn z.B. die ihm gegenüber wohnende abgebrannte Krügerfamilie mit dem ganzen Gesinde derselben ein ganzes Jahr lang in seinem Hause unentgeltlich Wohnung und Obdach gewährt hat, ohne auch nur ein einziges Wort des Dankes dafür zu hören.

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Mit seinen Gemeinden steht er in gutem Vernehmen. Seine Predigten arbeitet er fleißig aus, und predigt regelmäßig in zwei, festtäglich in allen drei Kirchen. Der Vortrag seiner Predigten ist ruhig - ich möchte ihm etwas mehr Lebendigkeit wünschen - durchaus frei und würdig. Den Confirmandenunterricht gibt er das ganze Jahr hindurch zweimal wöchentlich in einer Stunde, einmal in Ahrensfelde und einmal in Hönow. Auf seine Katechisation schien er sich nicht recht vorbereitet und dieselbe nicht recht abgegrenzt zu haben; er begann damit, die Wahrheit, daß wir Fremdlinge und Pilgrime sind I. Petr. 2, II, kathechetisch zu entwickeln, ließ sich dann durch die Antworten der Kinder zu anderen Wahrheiten verleiten, und verfuhr dabei mehr wie ein Examinator, denn als ein Katechet.

Zur Visitationspredigt war ihm die Wahl des Textes überlassen, und er hat dieselbe in der Kirche zu Ahrensfelde über die Epistel des Tages gehalten, sodann aber auch in der Kirche zu Hönow eine Predigt über das Evangelium. Beide Predigten sind fleißig gearbeitet, haben einen biblischen und erbaulichen Inhalt, sind recht praktisch und benutzen dem Text sehr gut; aber beide sind auch etwas wortreich und in Beziehung auf die Gedankenfolge nicht immer logisch genug. Die erste über die Epistel ist etwas trocken im Stoff, und fast durchgängig moralisierend, I, a ist vorzüglich weitschweifig, wiederholend und
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etwas confus, der Schluß des Ganzen ist für mich unbefriedigend, weil zu speziell, und auf den König gerichtet. In der zweiten befriedigt der Übergang zum Thema und der Partition [?] darum nicht, weil im Eingange von der tröstenden und erträumten Wirksamkeit des Ausspruches "über ein Kleines" die Ruh ist und dann behauptet wird, daß dieses Wort des Herrn in ähnlicher Weise entschieden Eindruck auf die Christen mache, und zwar ein Schreckens-, Trost- und Brandwort sei. Das Schreckenswort konnte nach diesem Eingange nicht vermutet werden, obgleich in Beziehung auf das "über ein Kleines" ohne Rücksicht auf den Gebrauch desselben in des Erlösers Mund völlig sachgemäß ist. Auch läßt sich an der Disposition tadeln, daß die fortgeprüften [?] und gläubigen Christen, von demjenigen [?]oft nur eine Spezies von diesen sind, ordiniert, und das Trost und Brandwort von einander getrennt werden, da doch Brand und Trost oft mit einander zusammenfallen, wie sich dies auch in [?] II deutlich zeigt.

Die seit den drei letzten Jahren Confirmierten sind von mir in allen drei Kirchen geprüft und recht gut unterrichtet gefunden worden; vorzüglich zeichneten sich die zu Hönow aus, wo ich auch die beste Schule gefunden habe.

Den Gesang, welcher in Ahrensfelde und Mehrow durch ein einfaches Orgelspiel geleitet wird, habe ich ziemlich gut gefunden,
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eben so die kleinen liturgischen Chöre; die Haltung der Gemeinde, vorzüglich der in Hönow, würdig.

Die Küster lesen gut; die zum Vorlesen vorhandenen Postillen sind die von Schultz über die Episteln, von Toppo, Dopp und von Köln über die Evangelien.

Die Kirchenbücher von Ahrensfelde und Mehrow gehen bis 1695, von Hönow bis 1696 hinaus, und werden vorschriftsmäßig geführt. Das Pfarrarchiv ist in der besten Ordnung.
Kümmel
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Verhandelt Mehrow den 25ten
April 1847

Am heutigen Tage wurde hierselbst Kirchenvisitation gehalten. Der Gottesdienst begann Nachmittags um 3 Uhr und dauerte bis gegen halb 6 Uhr. Die Predigt über die Sonntagsepistel aus der Postille von Schultz wurde von dem Küster Weitling zu Ahrensfelde, welcher auch den Küsterdienst zu Mehrow verwaltet gelesen. Nach derselben katechisierte der Herr Prediger Lücke mit der älteren Schuljugend. Hierauf prüfte der unterzeichnete Superintendent die seit 3 Jahren eingesegneten jungen Leute und schloß mit einer Ansprache an die Gemeinde. Da ein besonderer Antrag nicht zu machen war so wurde diese Verhandlung geschlossen.

v.g.u.

Luther
Bredereke
Meißner
Lindenberg

V.w.o.

Kümmel

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Verhandelt Hönow den 26ten
April 1847


Bei der am gestrigen und heutigen Tage hierselbst stattgefundenen Kirchenvisitation hat der Gottesdienst um 11 Uhr seinen Anfang genommen und ist ganz nach Vorschrift gehalten worden. Die Liturgie, bei welcher die kleinen Chöre durch die Schuljugend und den Lehrer derselben zweistimmig ausgeführt wurden, hielt der Herr Prediger Lücke, sowie die Predigt über das Evangelium des Tages. Nach derselben prüfte der unterzeichnete Superintendent die seit den 3 letzten Jahren eingesegneten und zahlreich versammelten jungen Leute und schloß hierauf mit einer Ansprache an die zahlreich versammelte Gemeinde. Einen bestimmten Antrag hatte Niemand zu machen, und es wurde daher diese Verhandlung geschlossen.

v.g.u.

Lücke
Haase

Johann Gathow

Döberitz

Gottlieb Gathow

V.w.o.
Kümmel

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Verhandelt den 26ten April 1847
zu Ahrensfelde

Bei der auf den gestrigen Tag hierselbst angesetzten Kirchenvisitation begann der Gottesdienst früh halb 8 Uhr und wurde ganz der Vorschrift gemäß gehalten. Herr Prediger Lücke hielt die Sonntagsliturgie bei welcher die kleineren Chöre von der Schuljugend und deren Lehrer einstimmig ausgeführt wurden, und die Predigt über die Epistel des Tages.

Hierauf prüfte der unterzeichnete Superintendent die seit den letzen 3 Jahren eingesegneten jungen Leute und schloß mit einer Ansprache an die versammelte Gemeinde. Bei Revision der Pfarrregistratur und der Kirchenbücher wurde beides in bester Ordnung gefunden. Ein besonderer Antrag war nicht zu machen, und daher wurde diese Verhandlung geschlossen.

v.g.u.

Lücke
Martin Wegener
Haase
Gottfried Wegener

V.w.o.
Kümmel