Vor einiger Zeit haben die Organisatoren der Brandenburger Jakobswege eine Verknüpfung der Nordroute von Frankfurt nach Bernau und des Pilgerwegs von Berlin nach Bad Wilsnack ins Spiel gebracht. Dafür bietet sich die Verbindung Bernau - Hennigsdorf an. Ohne Kenntnis des genauen Streckenverlaufs und wohl wissend, dass es noch keine Ausschilderung gibt, habe ich mich Ende Januar 2020 auf den Weg von Bernau nach Hennigsdorf gemacht.
Start war an diesem Tag noch vor acht Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz von Bernau, wo man landet, wenn man das Abenteuer einer Busfahrt von Mehrow über Blumberg nach Bernau wagt und Insiderkenntnisse bezüglich des Umsteigens vor der Blumberger Schule hat.
Es ist zwar ziemlich frisch und diesig, aber der Wetterbericht hat einen schönen Tag versprochen und ich bin gespannt, ob die Wetterfrösche mal Recht haben.
Vorbei an der Post, die nur noch an einem historischen Briefkasten als solche zu erkennen ist, geht es nach links in die Breitscheidstraße und gleich wieder rechts in die Alte Goethestraße, die durch eine Lücke in der Stadtmauer zur Berliner Straße führt und genau auf den Döner-Laden stößt.
Rechts ist am Ende der Straße das Steintor mit dem daneben stehenden Hungerturm zu sehen, wo sich ein Teil des Bernauer Heimatmuseums befindet und wo man von der Turmspitze einen guten Blick über die Stadt hat.
Beim alljährlichen Hussitenfest (das nun schon zweimal wegen Corona ausfallen musste), zieht der lange Zug historischer Gestalten, darunter die berühmten Briganten, zu Fuß, zu Pferde oder auf Wagen diese Straße entlang.
Ich biege nach links in die Berliner Straße und nach ein paar Metern rechts in die Brauerstraße, die zum Marktplatz im Zentrum der Stadt führt. Auf dem Weg dorthin kommt man an ein paar netten Gaststätten und kleinen Geschäften vorbei.
Außerdem trifft man an der Ecke Louis-Braille-Straße auf ein frisch saniertes Fachwerkhaus, das zu den ältesten der Stadt zählt - viele dieser einst typischen Häuser haben leider das Neubauprogramm in den 1970er Jahren nicht überlebt.
Am Markt angekommen hat man die Wahl zwischen zwei Rathäusern, dem Alten Rathaus von 1805 und dem Neubau schräg gegenüber, der (1/2020) noch im Bau ist.
Auf letzterem wird man auch eine Dach­terrasse finden.
Die Tür der gewaltigen St.-Marien-Kirche gegenüber dem Neuen Rathaus ist leider zu so früher Stunde noch verschlossen. Es wäre schön und für den Beginn einer Pilgertour sehr angebracht gewesen, vor dem Abmarsch nach Hennigsdorf dort für ein paar Minuten Halt zu machen.
Die 1519 geweihte spätgotische Kirche, die eine um 1240 errichtete romanische Basilika als Vorgänger hatte, kann im Innern mit viel Sehenswertem aufwarten: einem großartiger Flügelaltar, vermutlich aus der Schule von Lucas Cranach, eine Kreuzgruppe auf einem Balken zwischen Kirchenschiff und Chor, eine kunstvoll geschnitzte Kanzel, eine Gedenktafel für Gustav Adolf II., der 1632 nach seinem Tod in der Schlacht bei Lützen hier aufgebahrt wurde, und anderes.
Interessant sind auch die Totenkronen an den Wänden, die an jung verstorbene, unverheiratete Frauen erinnern.
Durch das mit privaten Spenden wieder aufgebaute und 2013 eingeweihte Mühlentor verlasse ich die Innenstadt und komme vorbei an einem Ehrenmal für die 1945 hier im Kampf gefallenen Sowjetsoldaten (links) und einem Denkmal zur Erinnerung an die 1864, 1866 und 1870/71 unter dem späteren Kaiser Wilhelm I. geführten Kriege (rechts).
Der Mühlenstraße folgend geht es über die Lohmühlen- bzw. Jahnstraße, die im Halbkreis um die Altstadt führt. Hinter der Kreuzung steht links das nach einem früheren Bernauer Bürgermeister benannte Praetorius-Gymnasium und rechts das St. Georgen-Hospital, das im 14. Jahrhundert zur Versorgung der Pestkranken errichtet wurde.
Später diente das Hospital auch zur Unterbringung von Durchreisenden, worunter sich bestimmt auch Pilger fanden.
Leider ist das Sankt-Georgen-Hospital heute keine Herberge mehr für Geschäftsreisende und eventuell auch Pilger, aber es beherbergt immer noch karitative Einrichtungen.
Die zum Hospital gehörende kleine Kapelle aus dem 15. Jahrhundert ist sehenswert, aber leider nur zu Konzerten oder am Tag des offenen Denkmals zugänglich.
Ein Vorgängerbau ist wie das Hospital selbst 1432 von den Hussiten zerstört worden, die erfolglos Bernau belagert haben. Die „Hussiten vor Bernau“ sind übrigens nicht nur Anlass für das alljährliche Hussitenfest, sondern auch Grund für die vielen freundschaftlichen Verbingungen Bernaus zu Städten mit hussitischer Tradition, vor allem in Böhmen.
Es geht weiter in der Mühlenstraße bis zum Kreisverkehr zu Füßen des Wasserturms, wo die Oranienburger Straße und die Schönholzer Chaussee aufeinander treffen.
Spätestens hier, am Kreisverkehr zu Füßen des noch in Nebel gehüllten Wasserturms kann man sich sicher sein, dass man auf einem Jakobsweg ist - oder besser auf zweien, denn hier kreuzen sich der auf der Via Imperii von Stettin über Berlin nach Leipzig und der von Frankfurt (Oder) nach Hennigsdorf verlaufende Pilgerweg.
Am Straßenrand vor Neubauten jüngeren Datums zeigt eine vom Börnicker Künstler und passionierten Jakobspilger Ekkehard Koch geschaffene, etwa 3 Meter hohe Figuren­gruppe aus geschnittenem Stahl unverkennbar eine Pilgergruppe, die von einem Engel angeführt wird und der ein Müller mit seinem Esel folgt.
Letzteres ist wohl eine Hommage an die Müllerstraße, auf der ich mich befinde. Sie führte früher tatsächlich mal zu den auf Hügeln vor der Stadt gelegenen Windmühlen.
Ich nehme am Kreisverkehr die „zweite Ausfahrt“, wie Uschi aus dem Navi sagen würde. Das ist die Schönower Chaussee, die zum gleichnamigen Ort führt.
Links zweigt die Karl-Marx-Straße ab, die zusammen mit der Straße „Im Blumenhag“ und der Annemonenstraße ein sehenswertes Ensemble von Wohnhäusern einschließt.
Die verschiedenfarbigen Fassaden lassen die Straße nicht so düster erscheinen wie andere in dieser Jahreszeit.
Ein Stück weiter hat man den Bewohnern einer neuen Eigenheimsiedlung Wohn­blocks vor die Nase gesetzt.
Noch (1/2020) dominiert dort der Schlamm, aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Die Spielgeräte warten schon.
Über die Autobahn und vorbei an der Baustelle einer neuen Freileitung komme ich nach Schönow, seit 2003 ein Ortsteil von Bernau.
Erstmals erwähnt wurde das Dorf Schönow 1375 im Landbuch Kaiser Karls des IV.
Noch bevor der Schönower Ortseingang erreicht ist, zweigt rechts die Helmut-Schmidt-Allee ab, die nach dem 2015 verstorbenen früheren Bundeskanzler (1972-82) benannt ist.
Helmut Schmidt war als Soldat im Zweiten Weltkrieg in Bernau stationiert, seine Frau Loki folgte ihm in das nahe Schmetzdorf. Hier wurde der gemeinsame Sohn Helmut Walter geboren, der aber kurz darauf starb und auf dem Schönower Friedhof bestattet wurde.
Vorbei an diversen Supermärkten, kleinen Läden und einer Forschungseinrichtung für Tierzucht, die mit Kuh und Schwein vor dem Haus auf sich aufmerksam macht, gelange ich auf nagelneuem Fußweg zu einem Kreisverkehr, von dem Straßen nach Zepernick und Schönwalde abgehen.
Ich nehme die Straße nach Schönwalde, die zunächst als Dorfstraße durch das Ortszentrum führt und die auf einem Anger stehende Dorfkirche umschließt.
Das Straßenschild „Am alten Kabelwerk“ an einer Gasse erinnert daran, dass es hier zu DDR-Zeiten mit dem „VEB Kabelwerk Schönow“ einen großen Arbeitgeber gab.
Nahe der Kirche steht auf dem Anger ein Denkmal für sechs ermordete Antifaschisten, die der Gruppe um Anton Saefkow angehörten. Alljährlich finden hier Kranzniederlegungen statt.
Die Dorfkirche ist leider, wie um 9 Uhr nicht anders erwartet, verschlossen. Es ist eine typisch märkische Feldsteinkirche, die um 1400 gebaut wurde, allerdings zunächst ohne Turm. Der kam erst 1751 hinzu, fiel aber einem Brand zum Opfer und wurde 1860 durch den jetzigen Backsteinturm ersetzt.
Wenn der Blick in die Kirche verwehrt ist, dann muss ich mich dem sogenannten Kaiserdenkmal an der Nordspitze des Angers zuwenden. Auf dessen Vorderseite steht:
Zum Andenken an die unvergeßlichen Kaiser Wilhelm I. den glorreichen Gründer des deutschen Reiches und Friedrich III. den ruhmreichen Führer der preußischen u. deutschen Heere auf ihren unsterblichen Siegesbahnen
und auf der Rückseite:
Errichtet vom Landwehr-Verein zu Schönow, Schmetzdorf u. Birkbusch u. patriotischen Einwohnern seines Bezirks.
Links und rechts stehen die markigen Sprüche
Lerne leiden ohne zu klagen. und
Ich habe keine Zeit müde zu sein.
Diese beiden Sprüche sind eine gute Einstimmung auf dem bevorstehenden langen Marsch bis Hennigsdorf.
Hundert Meter hinter dem Anger schwenkt die Dorfstraße nach links und heißt fortan Schönwalder Chaussee. Ausgeschildert ist sie nach Schönwalde, Schönerlinde und Mühlenbeck. Da will ich hin.
Zunächst laufe ich aber ein Stück in den Lanker Weg hinein, denn dort soll sich der Schönower Friedhof befinden, auf dem Schmidt's Sohn bestattet ist. Der Friedhof ist nicht zu verfehlen, aber das gesuchte Grab kann ich nicht entdecken.
Dafür stechen mir auf dem Schönower Friedhof ein paar alte Grabsteine in die Augen.
Es ist schön, dass man hier nicht wie auf einigen anderen Friedhöfen solche Steine nach Ablauf der Liegezeit einfach weggeräumt hat.
Zurück auf der Schönwalder Chaussee geht es auf einem asphaltierten Fuß-Rad-Weg parallel zur Straße immer geradeaus gen Westen.
Der Nebel hängt noch in den Bäumen beidseits der Straße, da muss man aufpassen, dass man nicht die Hinweise zu Sehenswürdigkeiten verpasst.
Da ist zum Beispiel rechts die Zufahrt zur Schönower Heide. Das ist ein über 500 ha großer ehemaliger Truppenübungsplatz, der renaturiert wurde und jetzt von Wildtieren beweidet wird, um die Heidelandschaft zu erhalten, die sich hier in Jahrzehnten militärischer Nutzung entwickelt hat. Ein kleiner (1,5 km) und ein großer (5 km) Rundweg führen um das Gelände und bieten viele Möglichkeiten, das dort lebende Dam-, Rot- und Muffelwild zu beobachten.
Jenseits der Wege sollte man aber lieber nicht herumlaufen, da hier bestimmt noch einiges an Munition herumliegt.
Auf Schautafeln erfährt man viel über die frühere und jetzige Nutzung des Geländes und die Maßnahmen zu dessen Pflege. Die gehen so weit, dass man dort regelmäßig Ketten­fahrzeuge fahren lässt, weil sich manche Heidepflanzen nur wohl fühlen, wenn wie früher Panzer über sie hinwegrollen. Entmilitarisierung ist also nicht immer von Nutzen.
Ein Stück weiter geht es rechts zur Gaststätte „Am Gorinsee“, die ganz idyllisch am Badestand des besagten Sees liegt. Am Herrentag ist die Gaststätte voll, im Sommer der Strand, meist aber beides. Und im Wald dahinter gibt es Pilze.
Links geht es nach Hobrechtsfelde, ein ehemaliges Berliner Stadtgut, das 1908 nach James Hobrecht benannt wurde, der die Berliner Kanalisation modernisiert und die Rieselfeld­wirtschaft eingeführt hat. Ein Abstecher dorthin lohnt sich .
An der Siedlung Gorinsee, jetzt mit Schönwalde Ortsteil von Wandlitz, berührt die Straße fast den gleichnamigen See, der im Winter völlig verlassen daliegt. Nach der Stilllegung der Rieselfelder und Grundwasserabsenkungen beim Siedlungs­bau drohte der nur 3 Meter tiefe See ganz auszutrocknen. Jetzt ist der Rückgang des Wasserspiegels erstmal gestoppt.
Weiter geht es auf einem teils gepflasterten, teils asphaltieren Fuß-/Radweg entlang des Bernauer Damms.
Der Weg läuft sich gut, wenn man nicht gerade in Bergstiefel unterwegs ist.
In Schönwalde angekommen trifft man schon bald auf die Kreuzung mit der B109, die links aus Berlin kommt und rechts nach Wandlitz führt.
Links liegt die Kirche mit dem Kriegerdenkmal, jenseits der B109 lauert der alte Fritz.
Beim Warten auf eine Lücke in der Autoschlange kann man in aller Ruhe die Feuerwache auf der gegenüber liegenden Ecke bewundern.
Friedrich II., auch „Friedrich der Große“ oder „Alter Fritz“ genannt, hat 1753 für 100 Spinnerfamilien das Kolonistendorf Schönwalde anlegen lassen. 150 Jahre später wurde zur Erinnerung daran ein Gedenkstein mit seiner Büste aufgestellt, die zwischendurch mal verschwunden war.
Seit 1993 schaut sie nun wieder dem Straßenverkehr zu.
Vom Denkmal aus hat man einen guten Blick auf die Straßenfront der Schönwalder Kirche, die 1843/44 im klassizistischen Rundbogenstil ohne Turm errichtet wurde. Dreißig Jahre später ist auf der Rückseite ein hölzerner Turm für zwei Glocken angebaut worden.
Wie wir noch sehen werden, hat Schönwalde zwei Bahnhöfe. Da muss es doch wenigstens eine Bahnhofspassage geben. An der kommt man vorbei, wenn man hinter der Kreuzung weiter gen Osten läuft. Mit Bahnhofspassage ist allerdings nicht die Reihe von Neubauten längs der Mühlenbecker Chaussee gemeint, sondern die Parkfläche davor.
Viel Grund zum Flanieren kann ich hier nicht ausmachen. Statt Läden gibt es hier nur Fahrschulen und ähnliches.
Kurz vor dem ersten Bahn­übergang trifft man rechts auf ein ganz typisches altes Forsthaus. Hier hat jetzt der Brandenburger Landesbetrieb Forst seinen Sitz.
Auf den zugehörigen Wald werde ich bald stoßen.
Am ersten Bahnübergang überquert man die Linie von Karow nach Groß Schöne­beck bzw. Wensickendorf.
Direkt am Übergang befindet sich der Bahnhof Schönwalde, der zwar kein Gebäude, aber ein schönes Trafohaus hat.
300 Meter weiter trifft man auf den nächsten Bahnübergang. Hier verkehrt zwar nur gelegentlich ein Museumszug nach Wilhelmsruh, dafür gibt es aber einen Bahnhof.
Und im Bahnhof sogar eine Gaststätte! Verkehrte Welt!
Ein paar hundert Meter hinter dem zweiten Bahnübergang mit dem „Café im alten Bahnhof“ hören Bebauung und Fußweg auf. Die Hauptstraße knickt nach links ab, eine kleine Straße führt geradeaus nach Dammsmühle. Ein eingewachsener Wegweiser zum Mühlenbecker See verleitet zum Schmunzeln, das einem aber schnell vergeht, wenn man nebenan die Gedenkstätte für eine junge Frau sieht, die ein Jahr zuvor hier tödlich verunglückt ist: Magdalena, eine 37jährige Feuerwehrfrau ist hier nach einem Unfall in ihrem Auto verbrannt.
Die nächsten Kilometer wird das Laufen etwas ungemütlich, denn jetzt geht es ohne Fußweg entlang der Landstraße.
Kurz vor Buchhorst unterquert die Straße die Autobahn A10. Hier werden gerade die Brücken erneuert, was wohl wirklich notwendig war, denn die alten sehen schon ziemlich geflickt und notdürftig stabilisiert aus.
In Buchhorst gibt es zwar nur wenige Häuser, aber immer­hin einen eigenen Friedhof.
Dort findet der Wanderer auch eine gut versteckte Parkbank, auf der er eine Pause und Picknick machen kann, ohne die Totenruhe zu stören.
In Mühlenbeck angekommen halte ich mich an der ersten Straßengabelung rechts und laufe in Richtung Schildow.
Wenig später gibt es dann die offizielle Begrüßung im Mühlenbecker Land:
„Das Glück liegt so nah“.
Von wegen „Das Glück liegt so nah“. In Mühlenbeck ist gerademal die Hälfte der Strecke nach Hennigsdorf geschafft.
Die Bahnhofstraße (an der übrigens gar kein Bahnhof liegt) stößt auf die Hauptstraße, die sich in Nord-Süd-Richtung durch den Ort zieht und ziemlich stark befahren ist. Wenn man da lebend rüber gekommen ist (oder an der Ampel auf Grün gewartet hat), fällt man direkt in einen Dönerladen, den ich sehr gut platziert finde, da es gerade Mittagszeit ist.
Nach der aus meiner Sicht wohlverdienten Stärkung geht es auf der Hauptstraße ein Stück in Richtung Süden (Schildow).
Das führt mich vorbei an der 1906 erbauten Schule, die jetzt Käthe-Kollwitz-Schule heißt, zur neobarocken Dorfkirche, die 1871/74 als Ersatz für eine abgetragene mittelalterlichen Kirche errichtet wurde.
Nahe der Mühlenbecker Kirche, die leider nicht offen ist, staune ich über die Ankündigung, dass hier bald Informationen über den Jakobsweg zu finden sind.
Das wäre schön, bis jetzt steht man hier im Dunkeln.
Auf dem Weg zur nächsten Straßengabelung, wo ich den Abzweig nach Schönfließ nehme, komme ich an einigen sehenswerten Häusern und Einrichtungen vorbei, wobei mir der der Bücherschrank in der Wand besonders gefallen hat.
Leider erfährt man auf die Schnelle nichts über den dritten Zentralfriedhof (neben Stahnsdorf und Ahrensfelde) der Berliner Stadtsynode, der Anfang des vorigen Jahrhunderts hier in Mühlenbeck gebaut werden sollte.
Für Radler gibt es an der Straßengabelung (Knotenpunkt 46) reichlich Wegweiser, deren Richtung mitunter nur um ein paar Grad verschieden ist. Da kann starker Wind leicht mal was durcheinander bringen. Auf jeden Fall muss man eine längere Pause einplanen, wenn man alle Schilder studieren will.
Ich habe mich schon gesagt entschlossen, den Weg über Schönfließ zu nehmen. Der ist zwar sicher nicht so schön wie der am Tegeler Fließ, aber deutlich kürzer.
An der Ecke kann man sich noch mit Getränken ein­decken und ein paar Schritte weiter lockt ein Biergarten.
Das sind ganz andere Ver­hältnisse, als z. B. zwischen Frankfurt und Müncheberg oder Fürstenwalde.
In der Schönfließer Straße kommt man am Mühlenbecker Friedhof vorbei, der einen gepflegten Eindruck macht.
Ein Stein für hier bestattete polnische Bürger wirft die Frage nach der Zeit und den Umständen ihres Todes auf.
Der Weg von Mühlenbeck nach Schönfließ verläuft entlang der L30. Eigentlich ist die Straße schnurgerade, aber an der Eisenbahnbrücke hat man einen Schlenker eingebaut, weil die Brücke sonst zu lang geworden wäre.
Dank der Klimaerwärmung kann man hier sogar im Januar Kraniche beobachten. Dafür ist der Rastplatz gedacht.
Die L30 stößt in Schönfließ auf die B96a, die durch das ganze Dorf führt. Ich halte mich hier und am nächsten Abzweig rechts und kommen zur Dorfkirche aus dem Jahre 1375, die seitdem mehrere Um- und Anbauten erfahren hat.
Schönfließ selbst wurde bereits 1270 urkundlich erwähnt, im Landbuch von Kaiser Karl IV. taucht es als Schonenflyt auf.
Auf dem Kirchhof finden sich noch ein paar alte Gräber der Familie von Veltheim, die von 1810 bis 1945 im Besitz von Schönfließ, Stolpe und Glienicke war.
Letzter Gutsbesitzer war ab 1921 Burghard von Veltheim. Das schlichte Grabkreuz links gehört aber nicht ihm, sondern einem jung verstorbenen Vorfahren (1826-1855).
Über dem Eingang am Anbau der Kirche befindet sich ein Relief mit einem Wappenpaar und der Jahreszahl 1878. Das Wappen links gehört den braunschweigischen von Veltheim, das Wappen rechts ist das der Familie v. Gadenstedt, aus der die Ehefrau Auguste des damaligen Rittergutsbesitzers, Schlosshauptmann Werner von Veltheim stammt.
Jener Werner von Veltheim (1843–1919) hat übrigens auch die Kirche um Turm und Anbau erweitern lassen und nach 1864 das schlichte Landhaus zu einem stattlichen Herrensitz ausgebaut. Nach dem letzten Krieg ist davon nur ein Seiten­flügel übrig geblieben, in dem sich jetzt eine Kita befindet.
Auf dem Anger werfe ich noch einen Blick auf das Krieger­denkmal (1914-18), welches „Seinen im Weltkrieg gefallenen Heldensöhnen das dankbare Schönfliess“ gestiftet hat.
Dann folge ich der B96a, die als Bergfelder Chaussee in Richtung Oranienburg aus dem Dorf heraus führt. Am Ortsausgang gibt es übrigens einen regensicheren Rastplatz.
Der Weg verläuft jetzt wieder parallel zur Straße.
Vor gar nicht langer Zeit muss das hier alles überschwemmt gewesen sein, denn zwischen Straße und Obstplantage liegt ein gestrandetes Boot.
Ist das die Arche Noah?
Der Blick fällt nochmal zurück auf Schönfließ, dann kommt auch schon der Abzweig nach Hohen Neuendorf in Sicht.
Dort biege ich links ab und nehme nach ein paar Metern den Bieselheider Weg, der links von der Straße wegführt.
Der Weg verläuft ein ganzes Stück unter hohen Bäumen am Feldrain und taucht dann in den Wald ein.
Dabei überquert er das Kindelfließ - leider nicht „Kindl“, sonst hätte ich mal einen Schluck genommen.
Dann geht es ein kurzes Stück über den Berliner Mauerweg, denn hier verläuft die Grenze zwischen Frohnau und dem Mühlenbecker Land. Anders als erwartet, liegt hier aber der Westen (Frohnau) rechter Hand.
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass das zu Berlin-Reinickendorf gehörige „Waldgelände Frohnau“ hier wie eine Blase in das Brandenburger Umland hineinragt und ich mich gerade an der Südkante dieser Blase befinde.
Der Weg durch das Frohnauer Waldgelände heißt nun Hubertusweg, ist gepflastert und führt ziemlich geradeaus zur Oranienburger Chaussee.
Dahinter heißt er Staehleweg und führt direkt auf die Invalidensiedlung.
Der nach dem 1945 ermordeten NS-Widerstandskämpfer Wilhelm Staehle (1877-1945) benannte Weg ist mit schönen alten Gaslaternen versehen.
Der Staehleweg unterquert die S-Bahn-Linie von Berlin nach Oranienburg (S1) und trifft am Südende der Invalidensiedlung auf die gleichnamige Endhaltestelle der Buslinie 125.
Die Invalidensiedlung Frohnau wurde 1938/39 von der Wehrmacht errichtet, unter anderem, um die Bewohner des von Fridrich II. errichteten Berliner Invalidenhauses aufzunehmen. Leiter des Invalidenhauses und der Invalidensiedlung war der erwähnte Oberstleutnant a. D. Wilhelm Staehle, der Kontakt zu den Attentätern vom 20. Juli 1944 und zu niederländischen Widerstandskämpfern hatte, was zu seiner Verhaftung führte. Obwohl „nur“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt war, ist er kurz vor Kriegsende einer SS-Aktion zum Opfer gefallen.
Nach dem Krieg endete die militärische Nutzung der Invalidensiedlung. Seitdem ist sie ein äußerst attraktives (und teures) Wohngebiet.
Die Wohnungen in den meist zweigeschossigen Häusern sind trotzdem heiß begeht.
Da die Frohnauer Invalidensiedlung in der nordwestlichsten Ecke von Reinckendorf liegt, wundert es nicht, dass man beim Verlassen der Siedlung wieder auf den Mauerweg stößt. Dieses Mal ist es die Grenze zu Hohen Neuendorf.
Die Verlängerung des Staehleweges führt als schmaler Wanderweg durch die Stolper Felder auf den Zernsdorfer Weg, der überwiegend als Trampelpfad durch wildes Gehölz nach Stolpe führt, wobei das sicher mal eine Straße war.
Am Ende des Weges ist eine Schranke, die ver­hindert, dass man auf die Straße (Hohen Neuendorfer Weg) torkelt.
Um nach Stolpe zu kommen, muss man auf der anderen Seite den Pfad zur Adolf-Hermann-Straße nehmen.
In Stolpe kommt man unweigerlich an der um 1250 gebauten Feldsteinkirche vorbei, die 1822 unter dem Kirchenpatron Baron Anton Werner von Pannwitz ihren jetzigen Turm erhielt.
Zu meinem Erstaunen steht die Tür offen und ich kann einen Blick in die schlichte, modern ausgestattete Kirche werfen. Eine Besonderheit ist der Taufengel über dem Taufbecken.
Schräg gegenüber der Kirche findet sich in der Dorfstraße ein Denkmal für die Stolper Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Von hier aus hat man einen guten Blick auf das Ensemble von Kirche und Pfarrhaus sowie auf ein paar sehr ansehlich hergerichtete alte Wohnhäuser in der Dorfstraße.
Der Nachmittag ist schon fortgeschritten und bald wird die Dämmerung einsetzen. Da muss ich mich rasch auf das letzte Stück des Weges nach Hennigsdorf machen.
Ich laufe die Dorfstraße weiter bis zum Hohen Neuendorfer Weg (L171), gehe über die Kreuzung und nach rechts auf den Fuß-/Radweg, der bis nach Hennigsdorf auf der linken Straßenseite verläuft.
Das sind zwar nur 3½ Kilometer, aber die ziehen sich wie Kaugummi. Sind es die bereits zurückgelegten knapp 30 km, die einsetzende Dämmerung, die fehlende Abwechsung am Straßenrand oder der starke Feierabendverkehr?
Am Kreisverkehr geht es nach rechts und über die Havel zur Kreuzung an der Hauptstraße.
Schräg gegenüber gelangt man den Schildern folgend durch ein Wohngebiet zum Hennigsdorfer Rathaus, das direkt am S-Bahnhof liegt.
Mit der S-Bahn S25, die hier alle 20 Minuten und nur mit halblangen Zügen verkehrt, geht es via Tegel nach Gesundbrunnen, weiter mit der S8 auf dem Ring nach Ostkreuz und dann mit der S7 nach Ahrensfelde. Dort fährt 18.20 Uhr der letzte Bus nach Mehrow.

Fazit: Die ca. 33 km von Bernau nach Hennigsdorf führten durch einige interessante und geschichtsträchtige Orte. Der Weg verlief überwiegend auf asphaltieren Fuß-/Radwegen ohne Steigungen entlang von Landstraßen. Nur zwischen Schönwalde und Buchhorst musste der Straßenrand benutzt werden. Es gab einige Möglichkeiten, sich in Geschäften zu versorgen und auch einige Gelegenheiten, einzukehren. Fast durchgängig wäre es möglich gewesen, in den Bus oder die Bahn zu steien und die Tour zu beenden. Insgesamt ein guter Wandertag, der aber landschaftlich leider nicht viel Abwechslung bot.