Es ist Mittwoch, der 1. September 2021. Es ist gutes Wetter vorhergesagt, was mich lockt, ein Stück auf dem Jakobsweg entlang der Via Imperii von Stettin nach Leipzig zu laufen. Und zwar den Abschnitt von Eberswalde nach Bernau.
Die nachfolgenden Etappen durch Berlin bin ich schon gelaufen und die vorherigen sollen demnächst folgen.
Nach Bernau geht es mit dem Auto und dann mit dem RE3, der um 6.54 Uhr nach Stralsund fährt, über „ohne Umweg“ nach Eberswalde.
Das dauert keine 20 Minuten - mal sehen, wie lange ich für den Rückweg brauche ...
In der Eberswalder Bahnhofshalle steht die Bronzefigur eines Bäckerburschen, der ein Tablett mit Spritzkuchen balanciert.
Der Spritzkuchen wurde 1832 in Eberswalde vom Konditor und Lebküchler Gustav Louis Zietemann erfunden. 10 Jahre später, nach Eröffnung der Bahnlinie Berlin-Stettin, boten ihn seine Burschen auch auf den Eberswalder Bahnsteigen an.
Auf weitere Attraktionen der Stadt wird man auf dem Bahnhofsvorplatz hingewiesen. Das sind zum Beispiel vier ganz verschiedene Türme der Stadt, die man (theoretisch) besteigen kann: den Finower Wasserturm, den „Eberkran“ im Familiengarten, den Turm der Maria-Magdalena-Kirche im Stadtzentrum und den Aussichtsturm am Tigergehege des Zoos.
Neben dem Bahnhof entsteht gerade ein hölzernes Parkhaus - das Material ist ganz bewusst gewählt, denn Eberswalde mit seiner „Hochschule für nachhaltige Entwicklung“ (HNE) will die Verwendung nachwachsender Rohstoffe vorantreiben.
Und die wohl bekannteste Attraktion der Stadt werde ich gleich für die Fahrt zum Marktplatz benutzen: den O-Bus. Es gibt in Deutschland nur noch drei Städte, in denen ein solcher „Strippenbus“ verkehrt: Esslingen, Solingen und Eberswalde. Hier verkehrt der O-Bus seit 1940, das Streckennetz besteht aus zwei Linien, ist ca. 37 km lang und wird seit 2010 von „Trollino“-Bussen des polnischen Unternehmens Solaris bedient.
Die O-Bus-Haltestelle „Marktplatz“ liegt direkt am nördlichen Eignang der Kreisverwaltung des Barnim. Der 2007 über­gebene Gebäudekomplex besteht aus vier mehrstöckigen Gebäuden mit verwinkelten Fassaden und trägt den Namen des Eberswalder Künstlers Paul Wunderlich (1927-2010).
Von ihm sind im Innenhof zwei Bronze-Skulpturen zu sehen.
Läuft man über den Innenhof des Paul-Wunderlich-Hauses, der dem ehemaligen Pavillonplatz entspricht, gelangt man zur Kirchstraße und steht nach wenigen Schritten vor der imposanten St.-Maria-Magdalena-Kirche.
Sie entstand ab 1333 auf den Mauern einer Vorgängerkirche und wurde 1503, 1726 und 1876 grundlegend umgebaut.
Im Dezember 2019 kam es in der Kirche zu einem Schwel­brand. Die Renovierungsarbeiten laufen noch, weshalb eine Kirchen­besichtigung momentan nicht möglich ist. Es soll aber bald der erste Gottesdienst nach dem Brand stattfinden.
Die Glocke neben der Kirche wurde 1518 gegossen und 2001 hier aufgestellt, da ein Riss sie unbrauchbar gemacht hat.
Überall im Stadtzentrum findet man Infotafeln zum jeweiligen Standort und Wegweiser zu nahen Sehenswürdigkeiten, z. B. an der Schweizerstraße, wo von den 27 Schweizer Familien berichtet wird, die 1691 in der durch Krieg und Pest fast völlig entvölkerten Stadt angesiedelt wurden.
Ein kleiner Plan neben jeder Tafel erleichtert die Orientierung.
Und man sieht in der Stadt viele Beispiele für gelungenen Umweltschutz und nachhaltiges Bauen. Beim Parkhaus der Kreisverwaltung an der Ecke Pfeilstraße / Goethestraße ist beispielsweise die nach Süden gerichtete Fassade mit Sonnenkollektoren bestückt; und zwar so, dass sie nicht stören, sondern eher ein Fassadenschmuck sind.
Nahe dem Parkhaus zweigt die Schickler- von der Pfeilstraße ab und beide umschließen auf den nächsten 500 Metern den Park am Weidendamm, durch den auch die Schwärze fließt.
Am Nordende des Parks steht ein Denkmal für den Forstwissenschaftler Bernhard Danckelmann (1831-1901), der ab 1866 Leiter der Forstakademie Eberswalde war.
Die Jakobsmuschel an der Gabelung gibt erst Rätsel auf, welche der Straßen man nehmen soll. Aber wenn man genau in die angezeigte Richtung läuft ist man richtig, nämlich auf dem Weg, der längs durch den gesamten Park führt.
Mittwochs um Acht ist da noch nicht viel los, nach Feierabend oder am Wochenende sieht das bestimmt anders aus.
Unter den vielen Skulpturen im Park fällt ein Neptun auf, dessen „Fischgabel“ von zwei Nixen gebildet wird.
Der Schwedter Bildhauer Axel Schulz (1937-2012) hat sie geschaffen. Ein ähnliches Exemplar steht in Bad Saarow.
Im Park findet man auch ein 1887 aus riesigen Findlingen gebildetes Denkmal für die Eberswalder Gefallenen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71, vor dem leider die Schmierfinken keinen Respekt gezeigt haben. (unten links)
Einem der hölzernen Wildschweine auf dem Spielplatz im Park fehlt auch ein Ohr, aber das muss nicht Vandalismus sein. Es kann auch sein, dass spielende Kinder das Tier so niedlich fanden, dass sie ihm das Ohr abgeknabbert haben.
Der Weg durch den Park mündet in die Brunnenstraße, die zum Forstcampus führt und von der Schwärze begleitet wird.
Die Brunnenstraße ist gesäumt von teilweise sehr ansehn­lichen und liebevoll restaurierten Villen. Eine steht an der Ecke Brunnenstraße / August-Bebel-Straße (rechts), ein Stück weiter beeindruckt die „Märchenvilla“ des Energie­versorgers EWE, die auch das Eberswalder Standesamt beheimatet (unten links). In einer anderen stattlichen Villa ist ein Ingenieurbüro für Bauplanung ansässig (unten Mitte).
Unser Weg führt weiter geradeaus zum Waldcampus.
Dort, wo der Schwappachweg von der Brunnenstraße ab­zweigt, steht das Umwelt­bildungszentrum Wald-Solar-Heim, bestehend aus zwei sanierten Häusern und einem modernen, gläsernen Verbindungsbau. Hier gibt es Gäste- und Gemeinschaftszimmer für Klassenfahrten, Tagungen u.s.w.
Dicht daneben steht die Oberförsterei Eberswalde.
Der Jakobsweg führt weiter geradeaus, jetzt entlang des Schwappachweges, der nach dem deutscher Forstwirtschaftler Adam Schwappach (1851–1932) benannt ist. Er war Professor an der Königlichen Forstakademie Eberswalde sowie Kommunalpolitiker der Stadt Eberswalde, die ihn 1928 zum Ehrenbürger ernannte.
Kurz vor dem Ende des Schwappachweges lädt auf der rechten Seite ein offenes Tor zum (kostenlosen) Besuch des Forstbotanischen Gartens ein. Er wurde 1830 zusammen mit der Königlichen Preußischen Höheren Forstlehranstalt gegründet und ist einer der ältesten botanischen Gärten Europas. 1992 wurde der Forstbotanische Garten der neu gegründeten Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde angegliedert.
Im Garten findet man sorgsam beschriftete Pflanzen aus aller Welt, Plätze zum Verweilen und Studieren und völlig uner­wartet auch ein Kriegerdenkmal: Auf einer Anhöhe steht ein Quader mit aufgesetzter Säule und einem krönenden Kreuz.
Auf Tafeln am Sockel wird der in den Kriegen 1864, 1866 und 1870/71 gefallenen Forststudenten namentlich gedacht.
Ein Stück weiter geht der Schwappachweg in die Straße „Am Zainhammer“ über.
Dort steht die Verwaltung des Forst­botanischen Gartens, welche durch den Anbau eines halbrunden, hölzernen Gewächshauses auffällt.
Gleich danach muss man sich entscheiden, ob man nach links oder rechts weiterlaufen will. Die Entscheidung wird einem aber dadurch erleichtert, dass die meisten Schilder nach rechts zeigen, darunter auch die Jakobsmuschel.
Die nach rechts (Norden) führende Straße heißt weiterhin „Am Zainhammer“ und erreicht nach wenigen Metern entlang des Mühlteiches die Zainhammer Mühle (was gern auch mal zusammen geschrieben wird).
Die Zainhammer Mühle wurde 1779 zur Herstellung dünner Metallstäbe (Zainen) für die Nagel- und Messer­produktion errichtet. Später war sie Knochen- und Getreidemühle.
1952 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt. Seit 1987 bietet hier der Kunstverein „Die Mühle e.V.“ Veranstaltungen und Ausstellungen verschiedenster Art an. Dem Schaukasten ist zu entnehmen, dass hier auch in Corona-Zeiten nicht alles eingeschlafen ist. Es läuft z. B. gerade die 142. Ausstellung!
Gleich hinter der Mühle biegt der Jakobsweg links ab in den Wald.
Ein Stück weiter steht man plötzlich vor einem Wolfsgehege, in dem ein Isegrim als Torwächter auf und ab läuft. Durch das Gehege verläuft in etwa 2 Meter Höhe ein Laufsteg. Vermutlich soll da oben der Schäfer vor Wölfen geschützt seine Herde sicher zur nächsten Weide treiben. Schließlich muss ja irgendwo der Begriff „Schäfersteig“ herkommen.
Nach einem Stück am Zaun entlang wird klar, dass das Gehege zum Zoo Eberswalde gehört. Rechts am Parkplatz verspricht ein Plakat „Ein tierisches Vergnügen“ und links ist der Haupteingang des Zoos, der zu dieser frühen Stunde noch gar nicht geöffnet hat. Die Ziegen im Streichelzoo, die man auf dem Weg um den Zoo herum zu sehen bekommt, warten aber schon sehnsüchtig auf Streichler.
Hinter dem Zoo geht es nur für Wanderer und Radler weiter.
Der halb asphaltierte Weg schlängelt sich durch den dichten Buchenwald bis Spechthausen, wo gleich am Ortseingang eine früher sicher sehr respektable Fabrikanten-Villa grüßt.
Spechthausen war einst mit dem 1708 durch Friedrich Specht errichteten Eisenhammer und der 1781 an seiner Stelle eingerichteten Papiermühle ein wichtiger Industriestandort.
Der Betreiber der Gaststätte „Zum Specht“ lässt offen, ob damit der Vogel oder der Kupferschmiedemeister Specht gemeint ist.
Laute Klopfgeräusche können bzw. konnten beide Spechte von sich geben.
An der L 200 angekommen, die wie alle anderen Straßen im Ort „Spechthausen“ heißt, fällt der Blick links auf die ehem. Papierfabrik und rechts auf einen Mix aus Arbeiterhäusern und vermeintlichen Fabrikantenvillen. (Bilder oben)
Eine Tafel an der todesmutig überquerten L 200 erzählt die Geschichte des Ortes und der Papierfabrik, in der von 1799 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges fast alle deutschen Banknoten und Wertpapiere gefertigt wurden.
Danach wurde noch fünf Jahre lang handgeschöpftes Büttenpapier mit einem Specht im Wasserzeichen gefertigt.
Traurige Berühmtheit hat die Papierfabrik dadurch erlangt, dass im Zweiten Weltkrieg unter dem Tarnnamen „Bernhard“ im KZ Sachsenhausen massenhaft gefälschte ausländische Banknoten auf Spechthausener Papier gedruckt wurden.
Der Weg führt weiter durch den Ort in Richtung Melchow, über einen von der Schwärze gebildeten, langgestreckten Teich hinweg und vorbei an der Gaststätte Waldhof, in deren Gebäude sich auch die Heimatstube Spechthausen befindet.
Gegenüber der Gaststätte wird man auf einer mit „zwei Fließe, gut behütet“ überschriebenen Info-Tafel darauf vorbereitet, was einen in dem seit 1996 bestehenden Naturschutzgebiet Nonnenfließ-Schwärzetal erwartet.
Das südlich von Tuchen entspringende Nonnenfließ windet sich auf etwa 10 km Länge durch eine Schmelzwasserrinne und vereinigt sich nahe der gerade überquerten Brücke mit der Schwärze, die in Eberswalde in den Finowkanal mündet.
Hinter dem Waldhof läuft es sich etwas ungemütlich, weil es keinen ordentlichen Fußweg gibt. Aber schon bald kommt der Wegweiser „Nonnenfließ 300 m“, der in den Wald zeigt.
Die hier stehenden Entfernungsangaben geben die ernüchternden Auskunft, dass erst 5,5 km geschafft sind, obwohl es schon so viel zu sehen gab.
Der anfangs gepflasterte Weg überquert nach etwa 500 m das Nonnenfließ und verläuft fortan auf dessen Ostseite entgegen der Fließrichtung. Nahe der Brücke kann man kleine Moore entdecken, die sich durch herausragende abgestorbene Bäume verraten.
Rings um Eberswalde darf man sich nicht wundern, wenn man laufend auf Erinnerungsorte für verdienstvolle Forstbeamte trifft. Hier sind es zunächst die „Hinz-Eichen“, die im April 1994 zu Ehren des Oberlandforstmeisters Robert Hinz gepflanzt wurden, der 1991-1994 Leiter der Forstverwaltung des Landes Brandenburg war.
Ein Stück weiter weckt ein großer Feldstein mit der Inschrift „Donnerahorn“ das Interesse des Wanderers. Eine nahe Infotafel klärt auf, dass hier ein riesiger Bergahorn stand, der 1913 nach dem Oberlandforstmeister Karl Donner benannt wurde, welcher von 1885 bis 1901 Leiter der preußischen Staatsforstverwaltung war. 2008 ist der Baum gebrochen und bis auf den Baumstumpf abgetragen worden. Eine 1999 vorgenommene Vermessung hatte eine Höhe von 27,5 m und einen Umfang von etwa 3,4 m erbracht.
Wenig später gabelt sich der Weg. Die Wanderwege nehmen den linken Abzweig, rechts geht es zum Forsthaus „Geschirr“.
Wer sich wundert, warum sich der Förster in seinem gut im Wald versteckten Haus mit Stacheldraht umgeben hat, erfährt wenig später auf einer Infotafel, dass von 1971 bis 1990 kein Förster, sondern die Stasi hier residierte. Ob sich die Über­schrift der Tafel „ein Platz für Lumpen“ darauf oder auf die früher hier befindliche Lumpenmühle bezieht, bleibt unklar.
Wie schon erwähnt, befand sich hier früher eine Lumpen­mühle, oder besser, ein mit Wasserkraft angetriebener Lumpenschneider und ein Lumpenstampfwerk.
Diese lieferten den Grundstoff für die Papierherstellung.
Vor gut 100 Jahren haben neue Antriebsverfahren die Mühle überflüssig gemacht.1940 wurde sie dann zum Forsthaus.
Das Nonnenfließ hat aber einen Nutzer wiedergefunden: den Biber. Der ist sehr aktiv und versucht offenbar nicht nur das Fließ aufzustauen, sondern auch den Gehweg zu sperren, denn auch da sind bereits viele Bäume angeknabbert.
Die wilde Natur rings um das stark mäandernde Nonnenfließ machen die Wanderung zu einem wirklichen Erlebnis. Zudem ist es unter den dicht belaubten Bäumen angenehm kühl und trotz des nahen Wassers sind kaum Mücken unterwegs.
Auch Wanderer trifft man nur selten. Offenbar hat es sich noch nicht herumgesprochen, wie schön es hier ist.
Der Sage nach stand einst am Fließ ein Nonnenkloster, das durch eine Flut fortgerissen wurde. Nur eine Nonne hat über­lebt und an einer heute „Eliesenkreuz“ oder „Liesenkreuz“ bzw. „Liesenkrüz“ genannten Stelle ein Kreuz aufgestellt.
Das Kreuz gibt es längst nicht mehr, dafür aber eine sehr stabile, mit einem Raubvogel verzierte Schutzhütte, die laut Inschrift über dem Eingang 2008 von Lehrlingen der Lehr­oberförsterei Eberswalde-Finowtal erbaut wurde. Gute Idee!
Unser Weg verlässt hier das Nonnenfließ. Er führt rechts bergan und dann nach links auf dem „Kayser Damm“ bis zur Bernauer Heerstraße.
Die ist trotz ihres eindrucks­vollen Namens aber auch nur ein schlichter Waldweg.
Am östlichen Ortseingang von Schönholz trifft der Weg auf eine von Norden kommende Kreisstraße, die sich durch das ganze Dorf zieht und am anderen Dorfeingang endet.
Wie die Plakate im Dorf zeigen, wehrt man sich hier dagegen, dass der umliegende Wald durch Windräder geschmückt oder gar ersetzt wird. Solchen Kahlschlag werde ich gleich sehen.
Schönholz mag abgelegen und abgeschnitten liegen, macht aber keineswegs einen verlassenen Eindruck. Die Straße, der Anger mit dem schönen Spielplatz, die Feuerwehr und fast alle Häuser sehen ordentlich und sehr gepflegt aus.
Neben einer Gaststätte gibt es eine Löffelschnitzerei, in der man u. a. riesige Rührlöffel für Suppenkessel erwerben kann.
Die verlängerte Dorfstraße ist in Richtung Melchow derzeit mit großen Eisenplatten belegt, was darauf hindeutet, dass hier Baumaßnahmen stattfinden.
Hier werden für die so genannte Uckermark-Leitung riesige Masten aufgestellt. Noch schlimmer als diese ist die breite Schneise, die für die Trasse in den Wald geschlagen wird.
Die Baustellengeräusche sind bald verklungen und man läuft in fast bedrückender Stille lange durch den Wald, in dem es momentan an Pilzen wimmelt.
Wie die vielen Markierungen unterwegs oder hier in Melchow an der Laterne zeigen, wird dieser Abschnitt gern in Wander­routen integriert. Und Melchow selbst hat auch was zu bieten.
Einige Häuser sind schon sehr ordentlich hergerichtet, andere warten noch darauf, haben aber trotzdem ihren Charme, besonders jetzt, da Blumen in den Vorgärten stehen und Rosenstöcke oder Weinreben an den Fassaden hochklettern.
Im Ort zweigt der Wanderweg „Rund um die Schorfheide“ ab. Der Jakobsweg führt wie der Weg mit dem blauen Strich weiter auf der Dorfstraße in Richtung Biesenthal.
Die Melchower Dorfkirche ist 1934 durch Umbau einer Feld­steinscheune entstanden. 2009 wurde ihr ein von Berliner Architekten entworfener stählerner Glockenturm aufgesetzt.
Die Melchower Freiwillige Feuerwehr, die bereits 1924 gegründet wurde, hat nicht nur ein ordentliches Gebäude mit einer prächtigen Bank davor, sondern findet auch auf einer nahen Trafostation bildliche Erwähnung.
Dort, wo die Alte Dorfstraße auf die Eberswalder Straße (L 200) trifft, findet sich ein Doppelpack stabiler Holzbänke und eine kunstvoll umbaute Infotafel, auf der ich erfahre, dass ich das diesjährige Dorffest knapp verpasst habe.
An der Ecke lockt eine Bäckerei mit dem kaum zu wider­stehenden Geruch von frisch gebackenem Brot und Kuchen.
Der Bäckerei konnte ich noch widerstehen, aber nicht der Imbissbude an der L 200, in der es Bockwurst zusammen mit einem passenden Getränk gab. In „Steffi's Snack Inn“ bot sich zudem die Möglichkeit, die Marschverpflegung zu ergänzen, das Smartphone aufzuladen und per WLAN bebilderte Lebenszeichen von sich zu geben.
Ein Stück weiter treffe ich auf das Touristische Begegnungs­zentrum „Lindengarten“, wo man auch übernachten könnte.
Aber es ist gerade erst Mittag. Da können mich weder die Übernachtungsmöglichkeit noch der nahe Bahnhof dazu bringen, die Wanderung nach 15 km hier abzubrechen, wie es die Etappenvorschläge des Jakobsweges nahe legen.
Ich hänge lieber noch die nächste Etappe über Biesenthal nach Bernau (18 km) ran. Das sollte doch zu schaffen sein.
Hinter dem Bahnübergang am „Naturparkbahnhof Melchow“ biegt der Weg links ab und verläuft fortan mehr oder weniger dicht an den Gleisen der ehemaligen Stettiner Bahn.
Kurz vor Biesenthal muss man ein kleines Gewerbegebiet umrunden, das sich an der Bahnstrecke etabliert hat, trifft dann aber am Bahnhof wieder auf die Bahnstrecke.
Am Bahnhof Biesenthal hält nur stündlich ein Zug in jeder Richtung. Da reicht ein Automat für den Fahrkartenverkauf.
Das Bahnhofsgebäude ist zum Glück nicht wie andere zu Wohnzwecken veräußert, sondern zu einem „Kulturbahnhof“ umfunktioniert worden. Jetzt gibt es im Gebäude und auf dem Platz davor eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen.
Früher, als die Post noch mit der Bahn befördert wurde, lag es nahe, das Postamt in der Nähe des Bahnhofs zu errichten. So wurde 1887 in Biesenthal das „Königliche Postamt“ neben den Bahnhof an der 1843 erbauten Bahnstrecke gesetzt.
Seit 2019 gibt es im Haus ein sehr einladendes Café mit einer Terrasse davor, von der sich Bahn- und Straßenverkehr gut beobachten lassen. Hier kann und sollte man sich vor dem langen Weg ins Stadtzentrum noch mal stärken.
Der Weg vom Bahnhof ins Biesenthaler Stadtzentrum ist über 3 km lang, davon 2 km schnurgeradeaus bis zum Stadtpark.
Beim Bau der Bahn hat man eine möglichst gerade Strecken­führung gewählt, statt alle Orte anzufahren. So mussten die Biesenthaler ihren Bahnhof weitab der Stadt errichten und die Straße dorthin bauen. Das Terrain beidseits der Straße wurde aber bald zu einem beliebten Bauplatz, insbesondere für betuchte Berliner, die in den 1920er Jahren aufs Land zogen.
Kurz vor dem Abzweig nach Bernau ist links der Stadtpark.
In der gepflegten Anlage gibt es ein Denkmal für die Opfer des Faschismus (OdF) und einen Gedenkstein für die Opfer des Ersten Weltkrieges aus Biesenthal.
Auch wenn Bernau das Ziel ist, biegt der Jakobsweg nicht hier am Supermarkt ab, sondern folgt der Bahnhofstraße, welche in die August-Bebel-Straße übergeht. Diese führt zum Marktplatz, den man als Stadtzentrum betrachten kann.
Die ehemalige Ackerbürgerstadt wurde übrigens bereits 1258 als Vogtei erwähnt, 1267 auch die Straße durch den Ort.
Zum Markt geht es vorbei an der 1925 erbauten Grundschule „Am Pfefferberg“ (oben links) und an der katholischen Sankt-Marien-Kirche, die 1908/09 auf Veranlassung des Bernauer Pfarrers Ulitzka im französischen Barockstil errichtet wurde (oben rechts). Die Kirche hat einen achteckigen Grundriss, erscheint aber wegen der vielen Nischen und Vorstöße rund. Der große kunstvolle Hochaltar im Innern wurde übrigens seinerzeit von der Besitzerin des Schlosses Lanke gestiftet, die Orgel auf der Empore wurde bereits 1869 für die St.-Matthias-Kirche in Schöneberg gebaut und kam 1925 als Geschenk nach Biesenthal.
In den Straßen rings um den Markt findet man ein paar Gaststätten und Geschäfte. Die nach rechts abgehende Kirchgasse führt zur etwas erhöht gelegenen evangelischen Stadtkirche, die im 13. Jahrhundert errichtet und nach einem Stadtbrand, der nur den Turm übrig gelassen hat, 1762-66 neu gebaut wurde.
Auf der gegenüber liegenden Seite des Platzes, an der Berliner Straße, beeindruckt das Alte Rathaus, ein zwei­geschossiger Fachwerkbau mit Mansarddach nebst einem kleinen Turm auf dem Dach und einer „Schwarzen Küche“ im Innern. Erbaut wurde es 1764, ebenfalls nach dem genannten Stadtbrand. An den Kosten der Rekonstruktion des Hauses im Jahre 2003 hat sich die Stiftung Denkmalschutz beteiligt, da es sich um das zweitälteste der vier noch erhaltenen Fachwerkrathäuser in Brandenburg handelt. Heute befinden sich im Haus das Büro des Bürgermeisters, die Touristeninfo, die Galerie Biesenthal, die Heimatstube und das Standesamt.
Damit im Standesamt die Geburtsregister nicht leer bleiben, hat man ein Stück weiter ein Storchennest errichtet, das auch regelmäßig genutzt wird. Ob das geholfen hat, ist unbekannt - zumindest gab es in diesem Jahr wieder 3 Jungstörche.
Der Jakobsweg verläuft in Richtung Süden auf der Berliner Straße und weiter auf dem Langerönner Weg, der Radfahrern und Fußgängern vorbehalten ist. Der asphaltierte Weg verläuft zunächst durch Wiesen und vorbei an Mooren, die an den abgestorbenen Bäumen leicht auszumachen sind.
Gleich am Anfang des Weges befindet sich ein großzügiger, schöner Rastplatz und dahinter eine Baumallee, in der alle „Bäume des Jahres“ der letzten Jahrzehnte vertreten sind.
Der Weg führt über das Pfauenfließ und dann immer mal durch dichten Wald.
Die Sonne scheint und es ist ziemlich warm, da verkriechen sich die Schafe gern unter einem Baum und schlummern oder beäugen Wanderer.
Kurz vor der Langerönner Mühle fallen die Laternen und das „Feuerwehrgerätehaus“ mitten im Wald auf. Das hat man doch bestimmt nicht dem Müller dorthin gestellt ...
Korn wurde da ja schon lange nicht mehr gemahlen.
Bis 1990 war das Gelände hermetisch abgeriegelt und wurde von NVA und MdI genutzt. Da angeblich Augenzeugen berichteten, dass in den 1980er Jahren oft Busse mit jungen Afrikanern und Lateinamerikanern anrollten, wird in Betracht gezogen, dass dort Guerilla-Kämpfer ausgebildet wurden.
Jetzt ist das ganze Gehöft verrammelt und verkommt zusehend. Schade, denn die Mühle war alten Bildern zufolge einst ein ansehnliches Gebäude.
Von der Langerönner Mühle ist es nicht mehr weit bis Lobetal. Der Ort wurde 1905 von Pfarrer Friedrich von Bodelschwingh als Arbeiterkolonie gegründet, um dort Obdachlose und Arbeitslose aus Berlin unterzubringen.
Seit 2003 gehört Lobetal zu Bernau. Von den derzeit 700 Einwohnern sind 350 Menschen mit Hilfebedarf.
Der Jakobsweg, der von Biesenthal bis Bernau auf dem Radweg Berlin-Usedom verläuft und hier Ladeburger Weg heißt, quert die Bodelschwingh­straße, die sich durch Lobetal zieht, an ihrem östlichen Ende. Der Ortskern mit Touristen­treff, Minimarkt, Pfarrhaus und Verwaltungsgebäuden liegt hingegen am anderen Ende, weshalb der Wanderer auf diesem Weg leider nicht viel vom Ort mitbekommt.
Am Kreuzungspunkt laden aber Bänke zum Verweilen und mehrere Tafeln zum Wissenserwerb bzgl. Lobetal ein.
Der Weg führt weiter auf dem Ladeburger Weg zum gleich­namigen Ort. Kurz hinter Lobetal lädt ein Schild zum Besuch eines Bunkers nahe der Straße ein. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Gefechtsstand der 41. Fla-Raketenbrigade der NVA. Er wurde 1986 in Betrieb genommen, 1990 von der Bundeswehr übernommen und 1992 stillgelegt. Danach war er einige Jahre verschlossen, kann aber wieder besichtigt werden, seit ein Tierschutzverein das Gelände erworben hat.
Auf der anderen Straßenseite geht es auch um das Tierwohl. Da ist das Tierheim Ladeburg beheimatet, welches mit einer Fläche von ca. 22 ha das größte Tierheim in Brandenburg ist.
Die Straße zwischen Lobetal und Ladeburg hat leider keinen Fußweg, sie ist am Nachmittag ziemlich stark befahren und an die 30-kmh-Beschränkung hält sich kaum jemand. Aber bis Ladeburg ist es nicht weit und das Bankett ist wenigstens so breit, dass man bei entgegen­kommenden Fahrzeugen leicht ausweichen kann.
Am Ladeburger Orteingang weidet gerade eine Rinderherde und die jungen Bullen schauen interessiert, wer da mit Rucksack und lahmen Füßen vorbeischnauft.
Bald hinter der Einmündung unseres Weges in die Alte Lanker Straße trifft man auf ein gut zu erkennendes altes Zollhaus. Ein Stück weiter steht am Platz der Freundschaft ein unter Denkmalschutz stehendes Fachwerkhaus, das aus der Zeit um 1800 stammt und einst als Armenhaus diente.
Noch ein paar Meter weiter steht hinter einer hohen Mauer und dicht belaubten Bäumen verborgen die Ladeburger Dorfkirche, ein Feldstein­quaderbau aus dem 13. Jahrhundert.
Der Grundriss ist vierfach gestaffelt: Apsis, Chor, Langhaus und Turm weisen unterschiedliche Breiten auf. Der Turm aus Backstein wurde allerdings erst 1853 hinzugefügt.
Neben der Kirche steht auf dem Anger ein „Kriegerdenkmal“ (rechts oben).
Unter der Überschrift „Zum ehrenden Gedächtnis den im Weltkriege 1914-1918 Gefallenen“ sind 17 gefallene und 2 vermisste Ladeburger gelistet. Darunter steht „Gewidmet von den dankbaren Einwohnern der Gemeinde Ladeburg“ und der in jüngster Zeit nachgetragene Zusatz „Zum Gedenken an die Opfer der Kriege und Gewaltherrschaft“.
Der ausgeschilderte Jakobsweg zweigt noch in Ladeburg von der Bernauer Straße ab und verläuft schnurgerade entlang der Zepernicker Landstraße, die teils von Wohnsiedlungen, teils von Feldern begrenzt wird und irgendwann ihren Namen in „Kirschgarten“ wechselt.
Ab dem Grenzweg heißt die Straße „Fichtestraße“. Diesen Namen behält sie bis zur Schönower Chaussee. (Im weiteren Verlauf heißt sie dann „Im Blumenhag“.)
An der Schönower Chaussee geht es nach links, vorbei am Sportplatz, bis zum Kreisverkehr zu Füßen des Wasserturms, auf dem auch die Oranienburger Straße und die aus dem Bernauer Zentrum kommende Mühlenstraße treffen.
Hier, im Angesicht der stählernen Pilgergruppe von Ekkehard Koch aus Börnicke, soll für heute Schluss sein.
Die aus Stahl geschnittene dreiköpfige Pilgergruppe wird von einem Engel angeführt und (passend zum Standort in der Mühlenstraße) von einem Müller mit Esel gefolgt.
Das ist ein gelungenes Kunst­werk und ein guter Abschluss für diese Pilgerwegetappe.