Heimatkunde
der
Provinz Brandenburg
und der
Stadt Berlin.
Von
Bernhard Thurn,
Lehrer in Berlin.
3. Auflage.
Preis mit Karte 35 Pfg. (Karte allein 10 Pfg.)
Berlin C. 22.
Verlag von Max Breitkreuz.
Neue Promenade 7, gegenüber Stadtbahnhof Börse.
1893.
Quelle: Online-Angebot der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB),
https://digital.zlb.de/viewer/image/34439282/1/


Seite 36 ff
XII. Kreise und Städte der Mark.
Die Mark Brandenburg zerfällt in 2 Regierungs-Bezirke, den Regierungsbezirk Potsdam und Frankfurt. Der Regierungsbezirk Potsdam nimmt den westlichen, der Regierungsbezirk Frankfurt den östlichen Teil der Provinz ein. Der erstere wird in 16, der letztere in 18 Kreise geteilt.
Der Vorsteher einer Dorfgemeinde ist der Ortsvorsteher. Dieser führt den Vorsitz in den Gemeindeversammlungen; ihm zur Seite stehen die Gerichtsleute oder Schöffen. Eine Vereinigung mehrerer Dorfgemeinden bildet einen Amtsbezirk, welcher durch den Amtsvorsteher verwaltet wird. Die Städte bilden einen eigenen Verwaltungsbezirk. Die Vereinigung der Vorsteher einer Stadtgemeinde nennen wir den Magistrat, an dessen Spitze der Bürgermeister steht. Eine Vereinigung mehrerer Amtsbezirke schließt sich zusammen zu dem Kreise, welcher von einem Landrat verwaltet wird. Der Landrat leitet die Königliche, der Kreisausschuß hingegen die Kommunal-Verwaltung. Eine Anzahl landrätlicher Kreise und solche größere Städte, welche einen Kreis für sich bilden, schließen sich zusammen zu einem Regierungsbezirk, an dessen Spitze die Regierung steht. Die Verwaltung in einem Regierungsbezirk leitet der Regierungs-Präsident; dem eine Anzahl von Räten zur Seite stehen. An der Spitze der ganzen Provinz leitet ein Ober-Präsident die Königliche, ein Landes-Direktor die Selbstverwaltung.

1. Regierungsbezirk Potsdam.
  1. Berlin an der Spree. Ueber 1½ Million Einwohner.
  2. Potsdam an der Havel, zweite Residenzstadt des Königs. 54 200 Einwohner.
  3. Kreis Teltow. Kreisstadt ist Berlin, wo sich Kreiskasse und Landratsamt befinden.
    Städte: Charlottenburg an der Spree, 77 000 Einwohner. Königliches Schloß und Mausoleum. Köpenick an der Spree, 11 357 Einwohner. Teltow, bekannt durch die Teltower Rüben. Trebbin an der Anhaltischen Bahn.
    Dörfer : Sperenberg bei Zossen und Großbeeren. Beim Dorfe Groß-Beeren besiegte Bülow am 23. August 1813 die Franzosen. Gipslager bei Sperenberg.
  4. Kreis Beeskow-Storkow. Kreisstadt ist Beeskow.
    Städte : Beeskow an der Spree und Storkow.
  5. Kreis Zauche-Belzig. Kreisstadt ist Belzig.
    Städte: Belzig, Treuenbriezen an der Niepliz, Beelitz an der Nieplitz und Niemeg an der Plane.
  6. Kreis Jüterbog-Luckenwalde, Kreisstadt ist Jüterbog.
    Städte: Jüterbog, nahe dem Ursprung der Nuthe, 6970 Einwohner. Bei dem Dorfe Dennewitz besiegte der General Bülow am 6. September die Franzosen. Luckenwalde an der Anhalter Bahn, Tuchfabrikation, 18400 Einwohner. Baruth an der Dahme. In der Nähe von Baruth liegt eine bedeutende Glashütte. Fabrikation von Lampenglocken.
    An der Nuthe liegt der Flecken Zinna, ehemals mit einem berühmten und reichen Kloster (Klosterruinen).
  7. Kreis Ost-Havelland, Kreisstadt ist Nauen.
    Städte: Nauen, Spandau an der Havel, 45400 Einwohner. Starke Festung, Gewehrfabrik. Nicolaikirche mit hohem Turm. Fehrbellin am Rhin und Kremmen. Schlacht bei Fehrbellin am 18. Juni 1675. Siegesdenkmal beim Dorfe Hakenberg.
    Dörfer: Linum und Paretz. Linum hat Torfgräbereien. Das Torflager bei Linum ist ziemlich ausgebeutet. Paretz war der Lieblingsaufenthalt Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise.
  8. Kreis Westhavelland, Kreisstadt ist Rathenow.
    Städte: Brandenburg an der Havel, 37 800 Einwohner, einst Hauptsitz der Wenden. Seiden- und Tuchfabrikation; starke Schifffahrt und Fischerei. Rathenow an der Havel, 16000 Einwohner. Gute Dach- und Mauersteine und optische Instrumente.
  9. Kreis Ober-Barnim, Kreisstadt ist Freienwalde.
    Städte: Wriezen an der alten Oder, 7241 Einwohner. Marktort des Oderbruches. Freienwalde an der alten Oder. Gesundbrunnen. Eberswalde am Finow-Kanal, 16120 Einwohner. Die Stadt treibt viel Gewerbe und hat eine Eisenspalterei, einen Kupferhammer, ein Messingwerk, eine Hufeisenfabrik, eine Papierfabrik und in der Nähe eine Stahlfabrik.
  10. Kreis Nieder-Barnim, Kreisstadt ist Bernau.
    Städte: Bernau an der Stettiner Bahn, 7700 Einwohner. Große St. Marienkirche. Die Stadt hat noch altertümliche Mauertürme und viele Erinnerungszeichen an die Hussiten, welche 1432 hier geschlagen wurden. Oranienburg an der Havel, 8000 Einwohner. Gegründet von Luise Henriette, der ersten Gemahlin des großen Kurfürsten. Waisenhaus. Denkmal der Kurfürstin.
    Dörfer: Stralau, Pankow und Tegel. Letzteres ist Eigentum der Familie Humboldt.
  11. Kreis Ruppin. Kreisstadt ist Ruppin.
    Städte: Neu-Ruppin am Ruppiner See, 14677 Einwohner. Tuchfabriken. In der Nähe das Dorf Wustrau, einst Landsitz des alten Ziethen. Alt-Ruppin, Neustadt an der Dosse, Rheinsberg am Rhin. Dort weilte Friedrich der Große von 1736-40 als Kronprinz.
  12. Kreis West-Priegniz. Kreisstadt ist Perleberg.
    Städte: Perleberg an der Stepeniz, 7698 Einw. Havelberg an der Havel, 200 Einw. Schöner Dom, Schiffahrt und Fischerei, Lenzen an der Löckenitz, Wittenberge an der Elbe, sehenswerte Elbbrücke.
  13. Kreis Ost-Priegnitz, Kreisstadt ist Kyritz.
  14. Kreis Templin, Kreisstadt ist Templin.
    Städte: Templin und Zehdenick an der Havel.
  15. Kreis Prenzlau, Kreisstadt ist Prenzlau.
    Städte: Prenzlau, 18000 Einwohner. Straßburg, Prenzlau liegt an der Ucker.
  16. Kreis Angermünde, Kreisstadt ist Angermünde.
    Städte: Angermünde an der Stettiner Bahn, 6700 Einwohner. Wichtiger Getreidehandel , Kartoffel- und Tabaksbau. Schwedt an der Oder, 10 000 Einwohner. Königliches Schloß, Tabaksfabriken. Vierraden, Oderberg und Joachimsthal. Bei Vierraden wird bedeutender Tabaksbau betrieben. Eine Meile von Eberswalde liegt die Ruine der herrlichen Cisterzienser Abteikirche Chorin.

2. Regierungsbezirk Frankfurt.
  1. Stadt Frankfurt an der Oder, Haupt- und Handelsstadt.
    Drei Messen beleben den Handel, 55 730 Einw. Denkmäler des Dichters Ewald von Kleist, des Herzogs Leopold von Braunschweig und des Prinzen Friedrich Karl.
  2. Kreis Lebus. Kreisstadt ist Seelow.
    Städte: Lebus an der Oder, Fürstenwalde an der Spree, 13 230 Einwohner. Müllrose am Müllroser Kanal, Müncheberg, Buckow und Seelow.
    Im Dorfe Gusow liegt der alte Derflinger begraben.
  3. Kreis Königsberg, Kreisstadt ist Königsberg.
    Städte: Königsberg an der Rörike, 5821 Einw., Marienkirche, Küstrin am Einfluß der Warthe in die Oder. Die Stadt hat 16 670 Einwohner und ist eine namhafte Festung. Bei dem Dorfe Zorndorf schlug Friedrich der Große am 25. August 1758 die Russen. Bärwalde, Neudamm und Zehden an der Oder.
  4. Kreis Soldin. Kreisstadt ist Soldin.
    Städte: Soldin am Soldiner See, 6168 Einwohner. Berlinchen an einem bedeutenden See. Bernstein.
  5. Kreis Arnswalde, Kreisstadt ist Arnswalde.
    Städte: Arnswalde, 7378 Einwohner. Reez an der Ihna.
  6. Kreis Friedeberg. Kreisstadt ist Friedeberg.
    Städte: Friedeberg, 6306 Einwohner. Woldenberg und Driesen.
  7. Kreis Landsberg, Kreisstadt ist Landsberg.
    Landsberg an der Warthe, 29 000 Einwohner, Getreidehandel.
  8. Kreis Ost-Sternberg, Kreisstadt ist Zielenzig.
    Städte: Sonnenburg, Zielenzig, Sternberg an der Eilang.
  9. Kreis West-Sternberg, Kreisstadt ist Drossen.
    Städte: Görig, Drossen, Reppen an der Eilang.
  10. Kreis Züllichau, Schwiebus. Kreisstadt ist Züllichau.
    Städte: Züllichau und Schwiebus.
  11. Kreis Krossen, Kreisstadt ist Krossen.
    Städte: Krossen am Einfluß des Bobers in die Oder, Sommerfeld an der Lubis.
  12. Kreis Kottbus, Kreisstadt ist Kottbus.
    Kottbus an der Spree, 34910 Einwohner. Tuchfabriken. Peitz an der Malxe.
  13. Kreis Guben. Kreisstadt ist Guben.
    Städte: Guben an der Neiße und Lubis, 29 370 Einwohner. Weinbau und Tuchfabrikation. Fürstenberg an der Oder. Neuzelle.
  14. Kreis Sorau, Kreisstadt ist Sorau.
    Städte: Sorau, 13665 Einwohner. Tuch- und Wachslichtfabrikation. Forst an der Neiße.
  15. Kreis Spremberg. Kreisstadt ist Spremberg.
    Spremberg an der Spree, 10999 Einwohner, Tuchfabrikation.
  16. Kreis Lübben. Kreisstadt ist Lübben.
    Lübben im Spreewald, 6071 Einwohner. Grabdenkmal Paul Gerhards. 3. Jäger-Bataillon.
  17. Kreis Kalau. Kreisstadt ist Kalau.
    Städte: Kalau und Vetschau, Kalauer Stiefeln. Lübbenau an der Spree. Gemüsebau.
  18. Kreis Luckau. Kreisstadt ist Luckau.
    Städte: Luckau, 5000 Einwohner, Hauptstadt der Niederlausitz. Fürstenwalde, 7564 Einwohner.

Seite 39 ff
I. Lage, Grenzen, Entstehung und Umgebungen.
In der Mitte Europas liegt unser großes Vaterland Deutschland; im Norden Deutschlands unser engeres Vaterland, das Königreich Preußen. ...
Der älteste Teil Preußens ist die Mark Brandenburg. In derselben liegt die Hauptstadt des ganzen Landes, Berlin. Das Weichbild von Berlin umfaßt gegen 800 Straßen, viele öffentliche Plätze und Parkanlagen. In Berlin wohnen jetzt mehr als 1½ Millionen Menschen. (Kaiserstadt, Weltstadt.) Hier residiert unser Kaiser Wilhelm II. Das Königliche Residenzschloß steht auf der Spree-Insel. Die Gemahlin des Kaisers heißt Victoria Augusta; sie ist eine Tochter des verstorbenen Herzogs Friedrich zu Schleswig-Holstein. Die Sommerresidenz unseres Kaisers ist das „Neue Palais“ in Potsdam. Unser Kronprinz heißt Friedrich Wilhelm. Er ist am 6. Mai 1882 geboren.
Berlin liegt im Spreethale. Ein Thal ist ein ebenes Stück Land, das zwischen Bergen liegt. Das Spreethal reicht von Köpenick bis Spandau. Berlin liegt in der Mitte. Köpenick liegt oberhalb der Stadt Berlin; Spandau liegt unterhalb derselben. Die benannte Niederung ist 5 Meilen lang (37,5 km) und 5,5 km breit. Welches Höhenland begrenzt das Spreethal im N.O.? Welches Höhenland bildet die Südgrenze dieser Niederung? Welche Straßen Berlins erstrecken sich bis auf die angrenzenden Hochflächen?
Vor 1400 Jahren dehnte sich im Spreethale ein großes Bruchland aus. Wendische Fischer erbauten ihre Hütten auf Grashügeln und füllten die Sümpfe dieser Niederung mit Schutt aus. So entstand das wendische Fischerdorf Kollne. Der Gutshof Berlin wurde ums Jahr 1230 von den Markgrafen Johannes I. und Otto III. zu einer deutschen Stadt erhoben; und so entstanden die Stadtteile Alt-Köln und Alt-Berlin. Kurfürst Friedrich II, der Sohn des ersten Kurfürsten von Brandenburg, schlichtete die Streitigkeiten der Bürger beider Stadtteile und erbaute auf dem heutigen Schloßplatze eine Burg. Diese Burg wurde später niedergerissen; an ihrer Stelle entstand das Königliche Schloß.
Zur Zeit des großen Kurfürsten erstreckte sich Berlin vom Königsgraben bis zum Kupfergraben. Der Königsgraben ist zugeschüttet, jetzt Stadtbahnlinie. Um diese ältere Festung Berlin reihen sich wiederum die Stadtteile, welche dem Zeitalter der Könige angehören, bis zu dem Straßenzuge in der Richtung der alten Zollmauer. Außerhalb dieses Straßenzuges beginnen die Anlagen derjenigen Stadtteile, deren weitere Entwickelung der Kaiserzeit vorbehalten bleibt. (Die Ringbahn giebt die Richtung der alten Zollmauer an.)
In der nächsten Umgebung unserer Vaterstadt bieten verschiedene Parkanlagen den Bewohnern eine günstige Gelegenheit zur Erholung und Erfrischung; besonders für Kranke und Kinder. Aus diesem Grunde sind selbst im Innern der Stadt auf verschiedenen Plätzen hübsche Anlagen von Baum­gruppen, Ziersträuchern und Rasenplätzen entstanden. (Dönhoffsplatz, Alexanderplatz); ferner schmücken in breiten Straßen und Promenaden Reihen von Zierbäumen die angrenzenden Bürgersteige. Leicht können die Schüler der Berliner Gemeinde-Schulen die ihren Stadtteilen nächst gelegenen Parkanlagen erreichen.
Wir wohnen im Nordosten der Stadt Berlin. Unser Schulgrundstück grenzt an die Elbinger Straße. Zwischen der Elbinger- und der Friedenstraße dehnt sich der Friedrichshain aus. Der Friedrichshain ist ein Park (Lustwald). Die Benennung „Friedrichshain“ entstand zum Andenken an die hundert­jährige Gedenkfeier der Thronbesteigung Friedrichs des Großen. Wir sehen im Friedrichshain: Bäume, Sträucher, Gräser und Blumen. Auf den ausgedehnten Rasenplätzen sind Spielplätze für Schüler hiesiger Schulen eingerichtet. Der Friedrichshain wird von breiten, wohlgepflegten Wegen durchzogen und gleicht in der Blütezeit einem prangenden Obstgarten. Wir finden im Friedrichshain meist inländische Bäume. Die bekanntesten Laubholzbäume sind: Die Eiche, die Buche, die Birke, die Rüster, die Linde, der Ahorn, die Akazie und die Kastanie. Sträucher, die im Frühlinge herrlich blühen und duften, sind in großer Anzahl vorhanden. (Fliederstrauch, Goldregen u. s. w.) Die Vögel erfreuen uns durch ihren munteren Gesang. Auch die Königin der Sänger, die Nachtigall, ist vertreten. Im Friedrichshain sehen wir folgende Denkmäler:
  1. Das Kriegerdenkmal.
  2. Das Brustbild Friedrichs des Großen.
Das Kriegerdenkmal steht am Rande des Haines, am Landsberger Platz. Die Bewohner der nächst­gelegenen Stadtteile haben dieses Denkmal zur Erinnerung an die in den letzten Kriegen gefallenen Krieger errichten lassen. (Gestiftet vom Ostklub; gebildet von Calandrelli.) Das Denkmal erhebt sich in einem durch mehrfache Reihen von Bäumen gebildeten Halbkreise und ist von zierlichen Blumenbeeten umgeben. Es erinnert an die Kriege von 1864, 66, 70 und 71. Auf dem Postamente steht ein Engel neben einem sterbenden Krieger. Der Krieger hat die Todeswunde empfangen; er hat für das Vaterland gekämpft. Der Engel zeigt nach oben. Er will die Seele des sterbenden Kriegers in den Himmel tragen. Der Kaiser Wilhelm I. hat in den letzten Kriegen die deutschen Krieger zum Siege geführt. Er besiegte die Franzosen und den Kaiser Napoleon III. Inschrift des Denkmals: „Seinen in den letzten Kriegen 1864. 66. 70 und 71 gefallenen Söhnen“. Der V. Distrikt.
In einiger Entfernung auf der Höhe erhebt sich die Büste Friedrichs des Großen. Friedrich der Große war ein Kriegsheld und Vater seines Volkes. Von seinen Thaten werden wir später hören.
Am Friedrichshain liegen die großen städtischen Krankenhäuser. Die Ueberschrift an dem, dem Haine sich zuwendenden Hauptportale lautet: „Städtisches-Allgemeines-Krankenhaus.“ Die Kranken werden hier in einzelnen von einander gesonderten Baulichkeiten (Pavillons) gepflegt. Bei statt­gehabten körperlichen Verletzungen geschieht die Untersuchung des Kranken im Operations-Hause. Der Raum, auf welchen die einzelnen Gebäude stehen, ist von einer Mauer umgeben. Innerhalb dieses Raumes findet man wohlgepflegte Parkanlagen. In diesem Krankenhause finden Arme und Reiche Aufnahme und Heilung ihrer Krankheit. Für die Verpflegung der Kranken wird auf das beste gesorgt. Die geschicktesten Aerzte behandeln jeden Kranken mit Umsicht und Sorgfalt (Dr. Hahn; Dr. Fürbringer). Am Eingange steht das Verwaltungsgebäude, an der gegenüberliegenden Seite das Oekonomiegebäude. In der Nähe des letzteren steht das „Victoria-Haus“. (Asyl für die frommen Schwestern.)
Für die Kinder der im Centrum gelegenen Schulen bietet der Tiergarten einen geeigneten Aufenthalt zur Erholung und Erfrischung. Der Tiergarten breitet sich im Westen Berlins aus und füllt den Raum zwischen den Städten Berlin und Charlottenburg. Die Entfernung beträgt ungefähr 3000 Meter. Diese Parkanlage nimmt mit ihren Sehenswürdigkeiten unter der öffentlichen Anlagen der deutschen Reichshauptstadt unstreitig den ersten Rang ein. Der Tiergarten wird von der nach Charlottenburg führenden Chaussee durchschnitten. (Mittelpunkt der „große Stern“.) In südwestlicher Richtung gelangen wir vom „großen Stern“ aus nach dem durch seinen Reichtum von Tieren aller Art beliebten „Zoologischen Garten“.
In früherer Zeit war der Tiergarten ein prächtiger Wald. Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts dehnte er sich bis zu dem Platze, auf welchem gegenwärtig die Ruhmeshalle steht und bis zum Dönhoffsplatze aus. Unter dem Kurfürsten Joachim II., einem Freunde der Jagd, wurde er mit Wild besetzt und eingehegt. Friedrich der Große, dessen Geschmacksrichtung sich dem Kunstsinne zuwendete, verwandelte ihn in einen Lustgarten für die Berliner Bevölkerung und ließ Straßen und Fußwege anlegen. Dieser Fürst legte den großen Stern an und das Halbrund an den Zelten. Sein jetziges Aussehen verdankt der Tiergarten der Fürsorge des Gartendirektors Lenné. Die schönsten Promenaden finden wir am Goldfischteich, an der Luisen- und Rousseauinsel und am „Neuen See“. Die herrlichste Zierde des Tiergartens sind indessen die in demselben errichteten Denkmäler.
Die weithin leuchtende Siegessäule findet bei der Behandlung der Denkmäler Berlins eingehende Beachtung.
Von dem Brandenburger Thor aus führt ein gepflasterter Weg nach dem auf der Luisen-Insel errichteten Marmordenkmal der Königin Luise. Das Denkmal ist von der Stadt Berlin errichtet und vom Bildhauer Erdmann Enke in musterhafter Vollendung ausgeführt. Auf dem herrlichen Sockel erhebt sich in Größe von 3 Metern die Figur der Königin in ihrer edlen Gestalt, die durch den Fall des in breite, ruhende Falten gelegten Gewandes noch gehoben wird. Der Künstler hat nicht die jugendliche Fürstin dargestellt, sondern die von der Last des Unglücks gebeugte Dulderin. Der um den Sockel laufende Kreis von Figuren und Gruppen zeigt den Auszug zum Kriege, das Werk der Barmherzigkeit an den hilflos Zurückgebliebenen und die Sorge für die Verwundeten.
Gegenüber der Luisen-Insel, umgeben von lieblichen Blumenpartien und prächtigen Anlagen, erhebt sich das Standbild Friedrich Wilhelms III. Das Marmordenkmal ist vom Bildhauer Franz Drake ausgeführt. Auf einfachem Sockel erhebt sich die Gestalt des Königs im einfachen Ueberrock mit entblößtem Haupte. Die Linke ruht an der Brust, in der Rechten hält er den Lorbeerkranz, das Zeichen ruhmvoll bestandener Kämpfe. Um den Sockel läuft ein Kreis von Gestalten, welche das „Glück des Friedens“ darstellen.
Unweit des Brandenburger Thores bemerken wir an dem Hauptfußwege die schöne Löwengruppe. Am Rande des Tiergartens erheben sich in einiger Entfernung von einander die Marmordenkmäler Göthes und Lessings. (Beide waren berühmte Dichter.) Mit seinem Nordrande grenzt der Tiergarten an die Spree. Die Ostseite desselben wird von der breiten Siegesallee durch schnitten, welche vom Wrangelbrunnen bis zum Königsplatze führt.
Im Norden der Stadt finden wir die mit Kunst und Sorgfalt ausgeführte Anlage des Humboldthaines. Diese Anlage reicht von der Brunnen- bis zur Hochstraße und wird von der Grenzstraße durch­schnitten. Der ausgezeichnete Park hat seinen Namen von dem großen Naturforscher Alexander von Humboldt erhalten und besteht aus weiten Rasenplätzen, Baumgruppen und Blumenbeeten. Letztere zieren besonders den Teil des Haines, der sich an das Wohnhaus des Direktors anschließt. Zu beiden Seiten dieses Gebäudes finden wir die Gartenanlagen, in welchen Pflanzen gezogen werden, die zur Anschauung für den botanischen Unterricht in den Berliner Schulen bestimmt sind. An diese Gärten schließen sich die Gewächshäuser an, in welchen Palmen und andere Gewächse, die zur Aus­schmückung von Begräbnishallen und Festräumen in städtischen Gebäuden bestimmt sind, gezogen werden. Im Humboldthaine werden außer den einheimischen Pflanzen auch ausländische Gewächse aus kälteren und wärmeren Gegenden der Erde angepflanzt und nach Kräften gepflegt.
Die im Süden unserer Stadt sich ausbreitende Hasenheide war früher ein angenehmer Aufenthalt für viele Berliner Familien. Nachdem nun die Militär-Schießstände dort eingerichtet sind, bieten nur einige, die gelüfteten Kiefernbestände durchschneidende Fuß- und Fahrwege Gelegenheit zur Erholung für Spaziergänger.
Auf dem dort befindlichen städtischen Turnplatze, der ein Wallfahrtsort für die Berliner Turner ist, erhebt sich das eherne Standbild des Turnvaters Jahn. Das aus Erz gegossene Standbild des treuen Lehrers ist auf einem Sockel von Feldsteinen errichtet, welche Turnvereine aus allen Ländern, die Jahns Namen kannten und ehrten, gesandt haben. Kaiser Wilhelm I. hat von den in den letzten Kriegen eroberten Kanonen einige Geschütze zum Guß des Standbildes geschenkt. Der Grundstein des Denkmals wurde im Jahre 1861 gelegt, die Enthüllung geschah im Jahre 1872. Die einfache Inschrift des Denkmals lautet: „Friedrich Ludwig Jahn.“ Die kräftige Männergestalt Jahns ist mit unbedecktem Haupte dargestellt. Die linke Hand ruht auf der Brust, die rechte stützt sich auf einen gegossenen Baumstumpf. Jahn ist am 11. August 1778 geboren und am 15. Oktober 1852 gestorben. Besonders bemerkenswert, ist ein Feldstein aus dem Heimatsdorfe Jahns, auf welchem er öfter als Knabe spielte.
Im Südosten der Stadt schließt sich an die Anlagen vor dem schlesischen Thore der in neuester Zeit von der Stadtbehörde mit großer Sorgfalt angelegte Treptower Park an, der seinen Namen von dem dicht an der Spree gelegenen Dörfchen Treptow erhalten hat. Diese Anlage bietet einen überaus erfrischenden und belebenden Aufenthalt für dort weilende Spaziergänger und ist unsern Knaben zum häufigen Besuch besonders zu empfehlen. Die von Dampfböten, Spreekähnen und Böten belebte Wasserfläche der Spree bietet mit ihren grünbekleideten Ufern ein lehrreiches und angenehmes Bild. Anlagen von Baumschulen, Ziersträuchern und Laubwaldungen werden von breiten Wiesenflächen durchschnitten und von geebneten Wegen durchzogen. Hohe Platanenalleen schließen die durch diese Anlagen führenden Straßen ein. In der Nähe des Dorfes Treptow finden wir in diesem Parke einen nicht unbedeutenden See.