Nachfolgend ist zusammengestellt, was im Niederbarnimer Kreisblatt zum Thema „Der Untergang der Lusitania“ zu lesen war.


Niederbarnimer Kreisblatt, Sonntag, den 9. Mai 1915 (Nr. 108), Der europäische Krieg

Aus Queenstown wird vom 7. Mai berichtet: Meldung des Reuterschen Bureaus. Der Cunard­dampfer „Lusitania“ ist torpediert worden und gesunken. - Die „Lusitania“ ist nicht ungewarnt auf den Meeresgrund geschickt worden. Die „Times“ meldet nämlich aus New-York: Bekannte Persönlichkeiten, die am Sonnabend an Bord der „Lusitania“ gingen, um nach Liverpool zu reisen, wurden telegraphisch davor gewarnt, die Reise anzutreten. Alfred Vanderbilt erhielt ein Telegramm, daß die „Lusitania“ torpediert werden würde. In Liverpooler Schiffahrtskreisen hegte man keine Besorgnis, da Maßregeln ergriffen worden sind, um die Routen der transatlantischen Dampfer zu beschützen. - Die „Lusitania“ hat in diesem Kriege schon mehrfach eine Rolle gespielt: sie hat sich Anfang Februar aus Furcht vor einem deutschen Angriff nicht gescheut, zu dem Mittel der falschen Flagge ihre Zuflucht zu nehmen. Am 8. Februar wurde aus London mitgeteilt, daß Passagiere der „Lusitania“, die in Liverpool eintraf, erzählten, daß, als sich das Schiff der irischen Küste näherte, eine drahtlose Nachricht der Admiralität eintraf, das Schiff solle die amerikanische Flagge hissen. Die „Lusitania“ fuhr nun unter amerikanischer Flagge nach Liverpool. Dieser Fall des Mißbrauchs der amerikanischen Flagge hatte zur Folge, daß die Vereinigten Staaten in England vorstellig wurden und Grey eine Erklärung in seiner bekannten ausweichenden heuchlerischen Art abgab. Bei ihrer nächsten Ausfahrt hatte die „Lusitania“ die englische Flagge, wie lange sie sie auf See trug, ist unbekannt. Erwähnt sei noch, daß man in New-York später auf dem Schiff eine genaue Untersuchung anstellte, da man einen Bombenanschlag befürchtete. - Die „Lusitania“ lief im Juni 1906 vom Stapel und war damals der größte Dampfer, den bis dahin je eine englische Schiffswerft gebaut hatte. Sie hatte eine Raumverdrängung von 31550 Tonnen, war 232 Meter lang, 26,8 m breit, hatte vier Turbinen und lief 25 Knoten. Mit ihrem Schwesterschiff „Mauretania“ war sie für die Cunardlinie nach Plänen der britischen Admiralität mit einer Staatshilfe von 54½ Millionen M. gebaut worden; sie war seinerzeit weniger zum Hilfskreuzer für den Kriegsfall, als zum Truppen­transportschiff ausersehen. Erinnerlich dürfte noch der Kampf und das „Blaue Band des Ozeans“ sein, den die „Lusitania“ 1907 zur Friedenszeit mit den deutschen Dampfern „Kaiser Wilhelm II.“ und „Deutschland“ ausgefochten hat.
Im Laufe des heutigen Sonnabend vormittag ging noch folgende Meldung ein: „Liverpool, 8. Mai. (Tel. Mitt.) Laut hier eingegangener Nachrichten ist der Cunarddampfer „Lusitania“ gestern an de Küste Irlands torpediert worden und gesunken. Die Cunard-Linie London bestätigt die Tatsache. Ueber das Los der Reisenden ist nichts bekannt. Es waren an Bord: 290 Reisende I. Klasse, 662 II. Klasse, 361 III. Klasse und 665 Köpfe Besatzung. Der Dampfer wurde um 2 Uhr 32 Minuten gestern nachmittag getroffen, 8 Seemeilen südwestlich vom Kap Olk Head of Kinsale an der irischen Küste. Unter den Reisenden befand sich u. a. Alfred Vanderbilt und der Kapitalist Dr. S. S. Pearson, der bekannte Petroleum-Magnat. Zahlreiche Dampfer sind zur Rettung ausgelaufen. Weitere Einzelheiten sind noch nicht bekannt. (Kölnische Zeitung)"


Niederbarnimer Kreisblatt, Dienstag, den 11. Mai 1915 (Nr. 109), Der europäische Krieg

Hatten wir ein Recht zur Torpedierung der „Lusitania“? Diese Frage beschäftigt augenblicklich unsere Feinde und auch Amerika und auch in England hoffen die vor Entsetzen gelähmten Engländer, daß sich aus diesem Vorfall eine Verwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika ergeben möge. Dies ist aber kaum anzunehmen, denn abgesehen davon, daß die amerikanischen Interessen augenblicklich durch das Vorgehen Japans nach einer bestimmten Richtung festgelegt sind, wissen die Amerikaner selbst zu genau, daß die Vernichtung der „Lusitania“ nur eine selbstverständliche Kriegsmaßnahme Deutschlands ist. Dazu kommt, daß alle amerikanischen Reisenden wiederholt von der deutschen Botschaft in Washington gewarnt worden sind, sich auf englischen Schiffen in die englischen Kriegsgewässer zu begeben. Wenn sie es nun doch getan haben, tragen sie allein jedes Risiko. Das Recht, die „Lusitania“ zu versenken, bestand unbestritten durch die Tatsache, daß erstens der Riesendampfer als englischer Hilfskreuzer mit Geschützen zur Vernichtung deutscher Schiffe ausgerüstet war und daß er ferner Kriegsmaterial aus Amerika nach England brachte. Die versenkte Ladung der „Lusitania“ hatte einen Wert von elf Millonen Mark, es befanden sich ferner noch für 4 Millionen Mark Goldbarren an Bord. Da das kleine deutsche Tauchboot, welches die Aufgabe der Vernichtung dieses Riesendampfers hatte, möglichst die Passagiere schonen wollte, geschah die Torpedierung in der Nähe der drahtlosen Station Head Kiesele an der südlichen Küste Irlands, um so dem torpedierten Schiff die Möglichkeit einer schnellen Verständigung mit den nahen Rettungsstationen zu geben. Es ist gewiß zu beklagen, daß trotzdem von den fast 2000 Passagieren etwa 1500 ertrunken sind, um so mehr, als sich unter ihnen hervorragende Amerikaner wie Alfred Vanderbilt und der berühmte Petroleumkönig Pearson befanden, aber die Schuld teilt sich lediglich zwischen diesen waghalsigen Passagieren selbst, die trotz aller Warnungen sich in das gefährdete Gebiet begaben, und der englischen Admiralität, welche auf diese Warnungen hin großspurig erklärte, daß die Amerika­dampfer nichts zu befürchten hätten, da sie Maßregeln ergriffen habe, um die Route der transatlantischen Schiffe zu sichern.
Wie von zuständiger Seite gemeldet wird, befanden sich an Bord der „Lusitania“ 5400 Kisten Munition. Bei weitem der größte Teil der Ladung bestand aus Kriegskonterbande.


Niederbarnimer Kreisblatt, Mittwoch, den 12. Mai 1915 (Nr. 110), Der europäische Krieg, gekürzt

Ohnmächtiges Wutgeheul wegen der Versenkung der „Lusitania“ in England und bei all unseren sich neutral nennenden, von England erkauften Feinden dringt an unser Ohr und wird in den Wochen hindurch weiter mißtönig rauschen. Das deutsche Volk läßt sich dadurch nicht beirren. Der 7. Mai hat für uns die Bedeutung einer gewonnenen Schlacht. ... Die „Morning Post“ meldet aus Washington, daß, obgleich die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten sehr aufgeregt ist, Präsident Wilson sich sehr ruhig verhält und zur Ruhe mahnt. Aus Einsendungen an die Zeitungen und Interviews, die die Presse veröffentlicht, geht die Stimmung deutlich hervor. Es ist daraus zu erkennen, daß der Tod von 150 oder mehr Amerikanern nicht als Casus belli angesehen werden soll, und daß selbst wenn der Vorfall eine Ursache zum Krieg wäre, die Vereinigten Staaten nicht imstande seien, mit Deutschland Krieg zu führen. ...


Niederbarnimer Kreisblatt, Donnerstag, den 13. Mai 1915 (Nr. 111), Der europäische Krieg, gekürzt

Wie W. T. B. meldet, ist der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und den Regierungen der neutralen Mächte in Europa durch die bei ihnen beglaubigten kaiserlichen Vertreter eine Mitteilung folgenden Inhalts gemacht worden: „Die Kaiserliche Regierung bedauert aufrichtig den Verlust von Menschenleben durch den Untergang der „Lusitania“, muß jedoch jede Verantwortung ablehnen. England hat Deutschland durch seinen Aushungerungsplan zu entsprechenden Vergeltungsmaßregeln gezwungen und das deutsche Anerbieten, für den Fall des Aufgebens des Aushungerungsplans den Unterseebootkrieg einzustellen, mit verschärften Blockademaßnahmen beantwortet. Englische Handelsschiffe können schon deshalb nicht als gewöhnliche Kauffahrer­schiffe behandelt werden, weil sie gewohnheitsmäßig armiert sind und wiederholt durch Rammen Angriffe auf unsere Schiffe unternommen haben, so daß schon aus diesem Grunde eine Durchsuchung ausgeschlossen ist. ... Übrigens gibt die Presse offen zu, daß die „Lusitania“ mit gefährlicher Geschützstärke ausgerüstet war. Der Kaiserlichen Regierung ist ferner bekannt, daß die „Lusitania“ auf ihren letzten Reisen wiederholt große Mengen Kriegsmaterial beförderte, wie überhaupt die Cunarddampfer „Mauretania“ und „Lusitania“ infolge ihrer Schnelligkeit als besonders geschützt gegen Unterseebootangriffe betrachtet und mit Vorliebe zum Transport von Kriegsmaterial benutzt wurden. Die „Lusitania“ hatte auf ihrer letzten Reise erwiesenermaßen fünftausendvierhundert Kisten Munition an Borg, auch die sonstige Ladung war größtenteils Konterbande. ...“


Niederbarnimer Kreisblatt, Sonntag, den 16. Mai 1915 (Nr. 113), Kriegswochenschau, gekürzt

Inzwischen hat auch unser Unterseeboot-Krieg der Welt weiter gezeigt, was es mit ihm eigentlich auf sich hat. Durch die Versenkung der „Lusitania“ ist er in ein neues Stadium getreten. Die Welt tat zuerst erschreckt. So etwas hatte man doch nicht erwartet! England versuchte dementsprechend die Neutralen und ganz besonders die nordamerikanische Union gegen uns aufzuhetzen. ...


Niederbarnimer Kreisblatt, Sonntag, den 16. Mai 1915 (Nr. 113), Der europäische Krieg, gekürzt

Amtlich wird durch W. T. B. gemeldet: Aus dem Bericht des Unterseebootes, das die „Lusitania“ zum Sinken gebracht hat, ergibt sich folgender Sachverhalt: „Das Boot sichtete den Dampfer, der keine Flagge führte, am 7. Mai zwei Uhr zwanzig nachmittags an der Südküste Irlands, bei klarem, schönen Wetter. Um drei Uhr zehn Minuten gab es einen Torpedoschuß auf „Lusitania“ ab, die an Steuerbordseite in Höhe der Kommandobrücke getroffen wurde. Der Detonation des Torpedos folgte unmittelbar eine weitere Explosion von ungemein starker Wirkung. Das Schiff legte sich schnell nach Steuerbord über und begann zu sinken. Die zweite Explosion muß auf eine Entzündung der im Schiff befindlichen Munitionsmengen zurückgeführt werden.
Der Stellvertretende Chef des Admiralsstabes. gez. Behncke.“


Niederbarnimer Kreisblatt, Dienstag, den 18. Mai 1915 (Nr. 114), Vermischte Nachrichten

A. Vanderbilt ein Opfer der Lusitaniakatastrophe.
Wie der „Temps“ aus London meldet, ist nunmehr festgestellt, daß A. Vanderbilt bei der Lusitania­katastrophe umgekommen ist. Seine Leiche wurde gefunden und nach Queenstown gebracht. Vanderbilt hat sich und der englischen Regierung seinen Tod zuzuschreiben. Wie früher in der Presse mitgeteilt wurde, war gerade er kurz vor der Fahrt gewarnt worden, die Europafahrt auf der „Lusitania“ anzutreten.


Niederbarnimer Kreisblatt, Sonnabend, den 12. Juni 1915 (Nr. 135), Der europäische Krieg

Wilsons neue Lusitania-Note wurde New-Yorker Meldungen zufolge abgesandt und sollte am Freitag veröffentlicht werden. Wir werden also dieses Aktenstück bald kennen lernen. Daß es die wohlerwogenen und gerechtfertigten Richtungslinien der deutschen Kriegsführung nicht ändern kann, ist selbstverständlich. Die Reutermeldung, daß die geplant gewesene Entsendung eines Teils des Atlantischen Geschwaders Amerikas nach San Franzisko zu Ehren der dortigen Welt­ausstellung rückgängig gemacht worden sei, ändert an der Sachlage und deren Beurteilung nichts.


Niederbarnimer Kreisblatt, Sonntag, den 13. Juni 1915 (Nr. 136), Der europäische Krieg, gekürzt

Am Freitag mittag um 12 Uhr 30 Minuten hat der amerikanische Botschafter Gerard in Berlin die ihm am Abend vorher zugegangene Lusitania-Note des Präsidenten Wilson dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow überreicht. Das sehr ausführliche Dokument zerfällt in neun Absätze. Die Beantwortung der Note wird laut „Voss. Tzg.“ längere Zeit in Anspruch nehmen. Sicher ist, daß sie nicht vor vierzehn Tagen fertig sein kann, da zunächst die Ankunft des Herrn Meyer-Gerhard abgewartet werden muß, den Botschafter Graf Bernstorff mit persönlichen Instruktionen an die deutsche Regierung und einem Immediatvortrag an den Kaiser betraute. ...


Niederbarnimer Kreisblatt, Dienstag, den 15. Juni 1915 (Nr. 137), gekürzt

Der Inhalt der amerikanischen Note.
Aus dem genauen Wortlaut der amerikanischen „Lusitania“-Note, die am Sonnabend veröffentlicht worden ist, ersieht man wieder mal, daß es lange nicht so schlimm gekommen ist, wie das feindliche Ausland sich gewünscht hat. Die im durchaus freundlichen Tone gehaltene Note stellt sich auf denselben Standpunkt, wie die früheren Noten des Präsidenten Wilson, und läßt voll­kommen die Möglichkeit zu weiteren Verhandlungen zu. Die deutsche Annahme, daß die „Lusitania“ mit Kriegsmaterial versehen sei, wird von der amerikanischen Seite glatt bestritten und um die Beibringung des Beweismaterials gebeten. ...


Niederbarnimer Kreisblatt, Mittwoch, den 16. Juni 1915 (Nr. 138), gekürzt

Das Echo der Note.
Die Spannung über den Inhalt der neuesten „Lusitania“-Note ist vorüber. Fraglich jedoch ist, ob die Lage durch sie besonders geklärt worden ist. Darüber wird man erst ein Urteil fällen können, wenn die Antwort unserer Regierung bekannt sein wird. ...


Niederbarnimer Kreisblatt, Mittwoch, den 28. Juli 1915 (Nr. 174), gekürzt [4]

Die neue amerikanische Note.
Am 9. Juli war von der deutschen Regierung dem amerikanischen Botschafter in Berlin die Antwort auf die amerikanische „Lusitania“-Note überreicht worden. Daraufhin ist am 23. Juli in Berlin die Entgegnung auf die deutsche Antwortnote durch den amerikanischen Botschafter eingegangen. ... Die am Freitag überreichte Note schlägt einen keineswegs freundlichen Ton an, so sehr und so oft auch darin betont wird, wie großen Wert die amerikanische Regierung auf die lange und ununterbrochene Freundschaft zwischen Volk und Regierung der Vereinigten Staaten und Volk und Regierung Deutschlands legt. ... Der Hauptteil der Note versucht uns ... das Recht streitig zu machen, unseren Unterseebootkrieg in bisheriger Form fortzuführen. Die Vereinigten Staaten wollen ihn nicht einmal als Vergeltungsmaßregel gelten lassen ...