Heimat und Welt 84/1929 (27.10.1929), Seite 669/670:
Dr. Ernst Bußmann:
Beruf und Handwerk in niederdeutschen Familiennamen

Unsere deutschen Familiennamen lassen sich nach ihrer ursprünglichen Bedeutung in vier Hauptgruppen einteilen: Sie gehen auf alte Personennamen zurück; sie beziehen sich auf Herkunft, Wohnstätte oder Wohnort, sie benennen hervorstechende Eigenschaften des ersten Trägers oder nehmen endlich ihren Sinn von dem Stand, Beruf oder Gewerbe her. Von dieser letzten Gruppe soll die Rede sein.

Als älteste Berufe können wohl die Tätigkeiten der Landwirtschaft gelten: Ackermann und Bur (heute meist in der hochdeutschen Form Bauer, daneben aber noch Niebuhr u. ä.). Plöger und Drescher, Baumeister (soviel wie Oberknecht, Verwalter) und Baumann, Förster und Jäger, Schäper (Schaper) Herder (Hirt, zu Herde), der Flaßmann baut Flachs, der Höppner oder Hoppe Hopfen, der Immler züchtet Bienen. Bäuerliche Besitzverhältnisse spiegeln sich in den folgenden Namen wider: Kötter oder Höpfer (ein Hove gleich etwa 30 Morgen), Hoffmann und Lehmann. Lehmann bezeichnete ursprünglich den fürstlichen Vasall und wurde späterhin auch auf den einfachen Pächter übertragen.

Doch auf dem Lande nehmen die Berufsnamen einen verhältnismäßig kleinen Raum ein; dazu ist die Verschiedenheit der Beschäftigung zu gering. Hier unterscheidet man die Leute nach ihrem Wohnsitz, ist doch das Haus wichtiger als der jeweilige Besitzer. Der Westfale spricht deshalb auch nicht vom Familiennamen, sondern vom Hausnamen, und bis zur Einführung des Standesamtes haftete der Name am Hofe und nicht am Besitzer, so daß der einheiratende Schwiegersohn den neuen Hofesnamen annahm. Darüber vielleicht ein andermal.

Der wahre Nährboden für die Berufsnamen ist die Stadt mit ihren Zünften, Gilden und erblichen Aemtern. Nur ein Handwerkername geht schon auf die altgermanische Zeit zurück, das ist der Schmied. Er war besonders geachtet, dennn er machte die Waffen für den Kampf, und zahlreiche berühmte Namen seiner Sippe sind in Sage und Geschichte überliefert. Der Schwertfeger fegte und schmiedete die Schwerter, der Plattenschleger oder Plattner machte die Panzerplättchen, der Kettler die Ketten für die Rüstung, der Sporer die Sporen, der Bogner oder Bögner die Bogen, der Pielstieker Stecken und Spitzen für die Pfeile, und der Böltner schließlich die Bolzen für die Armbrust. Später wandte sich das Schmiedehandwerk dann auch friedlicheren Zielen zu, und man unterschied nach ihrer Tätigkeit Grosschmied und Kleinschmied, Blechschmied (Klempner), Kopperschmied, Scherenschmied und viele andere. Der Klempner hieß nach den Spangen, die er verfertigte, auch Spangenmaker oder Spengler, von der Spene (lat. spina gleich Nadel) hatte der Spener seinen Namen; der Kannegeter, Pottgeter und Gröper endlich beschäftigte sich mit der Herstellung von Hausgeräten.

An zweiter Stelle stand die Verarbeitung des Holzes. Bomheuer oder Heuer schlugen die Bäume, Küper oder Köper, Faßhauer oder Faßbinder, Bödecker oder Bädecker, Moldenhauer und Wannemaker oder Wenner machten Fässer, Bütten, Mulden und Wannen. Der Schnittker, Schnettler oder Kistenmaker sorgten für die Hausmöbel, der Wagner oder Wegener, der Redecker, Spilker, Steller und Felgenhauer beschäftigten sich mit der Herstellung der Fahrzeuge, der Drechsler oder Dreier drechselte die verschiedensten Geräte und Möbelteile, der Hammacher machte die Hamen oder Halsgeschirre für Tiere, und der Hilgenschnieder schnitzte die Heiligenbilder.

Für die Kleidung arbeiteten die Linnewever und der Wullenwever oder Wüllner, der Walker oder Welker, der Wandschnieder (Wand alt für Gewand), der Schröder, Schrader oder Schröer (schroten gleich schneiden). Der Holthauer oder Hölscher schnitzt die Holzschuhe, der Trippmaker macht die Trippen oder Pantoffeln, der Schomaker die Schuhe, der Hötger die Hüte, der Keppler die Kappen, der Taschener die Taschen und der Pelster die Pelze.

Für die Nahrung sorgen der Möller oder Körner, der Backmeister oder Becker, der Knochenhauer und der Sälter (eigentlich Einsalzer) und der Kock. Daß unsere Vorfahren auch einen guten Tropfen zu schätzen wußten, zeigen Namen wie Wirth und Kröger (Besitzer eines Kruges, einer Schänke), Täpper und Brauer oder Breuer. Der Grüter erinnert noch an eine frühere Brauart, bei der an Stelle des Hopfens der Grut, eine Mischung aus Porst und anderen Pflanzen verwandt wurde; der westfälische Name Groethus geht meistens auf dasselbe Wort zurück, müßte also eigentlich Gruthus heißen.

Beim Hausbau wirken mit der Maurer oder Meurer, der Tegeler, der Steinbick (bicken = schlagen), der Decker, der Timmermann und bei der Tünschung und Bemalung der Dunker, Witteler und Maler.

Mit dem Handel befassen sich der der Kopmann, der Kremer und der bescheidenere Winkler oder Winkelmann, der nur einen Winkelladen hat. Hier ist auch der Name Schotte zu nennen; so wurden vielfach aus Schottland stammenden Hausierer bezeichnet, wobei dann natürlich auch mancher gute Deutsche zu einem „Schotten“ gemacht wurde.

Pieper, Peuker und Bungerer (Bunge = Trommel) sind die Stadtmusikanten, Schütte (Schütze) und Ridder erinnern an die Verteidigung gegen die äußeren Feinde. Der Schriewer oder Schräwer ist der Stadtschreiber oder einer, der gegen Entgelt Schriftstücke anfertigt, denn Schreiben ist im Mittelalter noch eine seltene Kunst. Interessant its auch der Name Stöwer, der den Besitzer einer Badestube kennzeichnet. Badestuben zu halten war früher ein einträgliches Geschäft. Sie waren zugleich auch Friseurstuben, daher Bader für Friseur. Ein Schlieper war ein einfacher Scherenschleifer oder aber auch ein wohlhabender Schleifmühlenbesitzer.

Das Stadttor bewacht der Schlüter, das Gefängnis, den „Stock“ der Stöcker oder Stockmann, die Kirchendienste verrichtete der Köster, weil er für das Licht zu sorgen hat, heißt er auch Löchter- oder Lechtermann, weil er die Almosen sammelt, Opper- oder Offermann.

Das sind in großen Umrissen die bäuerlichen und bürgerlichen Berufe. Zu ihnen gesellen sich die Aemter der fürstlichen und gemeindlichen Verwaltung. Fürstliche Aemter finden wir in den Namen Droste (= hochdeutsch Truchseß), Schenk, Keller (lat. cellarius, Verwalter des fürstlichen Kellers, in dem die Naturalsteuern untergebracht sind, daher später soviel wie Rentmeister) oder Kellermann, Münter (Aufseher über die Münze), Meyer (lat. major villicus, Verwalter eines fürstlichen Landguts). Der Name Meyer hat dann in Norddeutschland, besonders in Westfalen, eine ähnliche Bedeutungswandlung durchgemacht wie der Name Schulte, der sich von Schultheiß, dasß heißt also „Schuldenheischer“, Steuereinzieher, ableitet. Beide wurden nach der Abschaffung der Leibeigenschaft zu Vorstehern der Dörfer und Bauernschaften. Auch die beiden Namen Vogt (lat, [ad]vocatus = Statthalter, Richter) und Grewe (hochdeutsch Graf, Aufseher) haben ursprünglich fürstliche Aemter bezeichnet und sind dann zu allgemeineren Begriffen der Verwaltung geworden (Steuervogt, Deichgraf u. ä.). Schließlich nannte man die großen Bauern, auch ohne daß sie ein besonderes Amt innehatten, Meyer, Schulte, Vogt und Grewe. Typisch westfälische Namen sind ferner noch Pröbstling und Bisping (aus Bischoping), die zeigen, daß viel Land in geitlicher Hand war und wieder verpachtet wurde. Der Name Meyer, in Norddeutschland, besonders im nördlichen Westfalen, häufig, gehört mit Schulte = Schulze und Möller = Müller zu den verbreitetsten deutschen Familiennamen, freilich ist dabei zu berücksichtigen, daß es auch einen jüdischen Namen Meyer gibt, eine Ableitung vom hebräischen mêir = berühmt.


Quelle:
„Heimat und Welt / Blätter zur Pflege des Heimatgedankens“, Heft 84/1929 (27.10.1929), Seite 669 / 670
Fundort: Stadtarchiv Bernau bei Berlin