Heimat und Welt 3/1939 (21.1.1939)


Max Rehberg
Die Wallbergkette Bernau-Eiche

Die Niederbarnimer Landschaft, die in der Hauptsache der Eiszeit ihre Entstehung verdankt, ist im Durchschnitt flach. Nur an wenigen Stellen finden wir eine ?bucklige Welt?, die uns ein Gebirge im Kleinen vortäuscht, so z.B. bei Prenden - Lanke und Woltersdorf (Kranichberge). Wo sonst noch Kuppen aufragen, haben wir es meist mit Dünen zu tun, die in einer trockenen, nacheiszeitlichen Periode vom Winde aufgeweht worden sind. (Oranienburger Forsten, Bergfelder Gegend, Schorfheide.)

Wenn der Naturfreund das Gebiet zwischen Bernau und Birkholz durchwandert, so wird ihm eine Reihe von nicht allzu hohen wallartigen Rücken auffallen, die sich aus der nur sanft geschwungenen, meist lehmigen Grundmoränenlandschaft erheben. Wenn wir eine Karte zur Hand nehmen, so sehen wir, daß diese Rücken etwa 2 Kilometer südlich von der alten Bierstadt Bernau beginnen. Sie bilden eine Kette, die sich bis an die Kreisgrenze im Südwesten, bis nach Eiche und Marzahn fortsetzt. Es handelt sich um eine Wallbergkette. Man bezeichnet diese Wallberge auch mit einem schwedischen Namen als Oser. Die Einzahl heißt der Os.

Zwischen Bernau und Birkholz liegen zwei Osketten nebeneinander. Die eine besteht aus drei Osern, die andere weist nur einen auf. Dieser westliche ist bewaldet und hebt sich daher weithin von der Landschaft ab. Er trägt den Namen der Spitze Berg. Gehen wir weiter nach Süden, so treffen wir wieder westlich von Blumberg auf einen Os. Auf der Karte steht die Bezeichnung ?Peckberge?, d.h. Pechberge. Vielleicht stand hier früher ein Pech- oder Teerofen, vielleicht schon im frühesten Mittelalter. (Pechofenberg bei Zehdenick.)

Die nächste Fortsetzung der Kette finden wir nördlich von Ahrensfelde. Hier sind wieder zwei Paralleloser vorhanden. Der östliche Wallberg wird von der Wriezener Bahn geschnitten. Er ist ziemlich stark ausgeprägt, leider jedoch sehr angeknabbert, so daß er kein schönes Bild bietet.

Am schönsten ist die Oskette bei Eiche und Marzahn erhalten, doch liegt dieser Teil schon auf Groß-Berliner Gebiet. Im ganzen zählen wir auf der Karte 11 einzelne Wallberge.

Auch bei Eiche laufen wieder zwei Oser nebeneinander her.

Vollständig erhalten sind die Wallberge, wie bereits gesagt, nur noch bei Eiche und Marzahn. Auch der Spitze Berg zeigt noch etwas Ursprünglichkeit. Dagegen hat man in den übrigen Wallbergen oft große Sand- und Kiesgruben angelegt, die ein Stück nach dem anderen zerstören. Für den Erdgeschichtsforscher bieten diese Gruben einen schönen Einblick in den Aufbau der Wallberge. Man sieht da ganz deutlich, daß die Oser aus geschichteten Sanden und Kiesen bestehen. Die Schichten liegen nicht immer waagerecht, sondern sind oftmals auf- und absteigend angeordnet. In den geschichteten Sanden und Kiesen lagern zahlreiche große und kleine Steinblöcke (Findlinge). Es sind, wie unser Bild zeigt, mitunter ganz tüchtige Kerle darunter. Was sagt uns nun die geschichtete Lagerung der Sande und Kiese? (Häufig tritt eine Kreuzschichtung auf.) Sie verrät uns, daß diese durch fließendes Wasser abgelagert worden sind. Dieses Wasser floß in tunnelartigen Kanälen unter dem Eise oder in Spalten dahin. Es war Schmelzwasser, das Sand, Kies und Geröll, darunter schon recht ansehnliche Geschiebe (Blöcke), mit sich führte und diese Stoffe auf dem Grunde des Tunnels oder der Spalte ablagerte. Als später das Eis wegschmolz, blieben die angeschwemmten Sand- und Kiesbänke liegen. Eine Voraussetzung ist hierzu aber nötig, nämlich die, daß das Eis sich nicht mehr weiterbewegte. Andernfalls würde es die abgelagerten Bänke zerstört haben. Es kann sich also nur um Eis gehandelt haben, das von der Hauptmasse des nordischen Inlandeises abgetrennt war, also als Toteis bezeichnet werden muß. Solches Toteis hat in unserer Heimat seinerzeit eine große Rolle gespielt.

Selbstverständlich schüttete das Schmelzwasser nicht den ganzen Tunnel oder die ganze Spalte zu, denn dann hätte es sich ja seinen Weg selbst versperrt. Es floß zu beiden Seiten des aufgeschütteten Walles weiter, so daß neben dem Damm auf einer oder beiden Seiten kleine Rinnen entstanden. Solche Rinnen sehen wir heute noch vielfach auf einer oder beiden Seiten des Wallberges. Man bezeichnet sie als ?Osgraben?. Eine grabenartige Senke finden wir westlich vom Spitzen Berge. Zwischen den beiden Parallelosern bei Ahrensfelde sehen wir ebenfalls eine Rinne, die den Anfang der Wuhle bildet. Sie begleitet als Osgraben auch die beiden Oser bei Eiche und Marzahn.

Man wird nun fragen: Warum bilden denn die 11 einzelnen Oser nicht einen zusammenhängenden Wall, zumal wenn sie in einer tunnelartigen Rinne unter dem Eise entstanden sein sollen? Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Der Tunnel war nicht gleichmäßig breit. Es wechselten schmale und breite Stellen miteinander ab. Aufschüttungen konnten nur in den breiten Teilen entstehen. Dort war die Strömung eine ruhigere. In den Engen floß das Wasser schneller und lagerte nichts ab. Eine andere Frage ist die nach der Entstehung der Doppeloser. Auch hier ist eine Erklärung möglich. Mitunter stürzte das Eisgewölbe über dem Tunnel ein und füllte diesen aus, so daß sich das Schmelzwasser zu beiden Seiten eine neue Rinne schuf, in der zwei Wallberge aufgeschüttet wurden.

Es gibt im Kreise Niederbarnim außer dem Oszug Bernau - Eiche keine zweite derartige Bildung, so daß es wünschenswert ist, daß wenigstens ein noch wenig berührter Os als Naturdenkmal erhalten bleibt.

Wer einen Wallberg zum ersten Mal sieht, der wird sofort an einen Eisenbahndamm erinnert, so daß ein Vergleich mit diesem außerordentlich einleuchtend ist. Der schönste Os in der Berliner Gegend liegt am Maxsee bei Hoppegarten im Kreise Lebus (unweit der Kreisgrenze). Ein breiter Os zieht sich von Lübars nach Tegel hin. Auf ihm erhebt sich ein Teil von Weidmannslust, u.a. auch die Kirche.



Quelle: "Heimat und Welt / Blätter zur Pflege des Heimatgedankens", Beilage zum Niederbarnimer Kreisblatt
Fundort: Staatsbibliothek zu Berlin - PK, Zeitungsabteilung im Westhafenspeicher, Signatur Ztg 1262 MR