Der Heimatkreis in vergangenen Kriegszeiten
Von Max Rehberg

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Schon in der Zeit der Wiedereindeutschung des durch sechs Jahrhunderte slawischen Barnimlandes seitens des kraftvollen Askaniergeschlechts wurde unser Kreis vom Kriege heimgesucht. Um 1240 fiel der Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen, der die Städte Mittenwalde und Köpenick für sich beanspruchte, in das Land ein und verheerte mit seinen Scharen in erster Linie den Südosten durch Raub und Brand. Erst 1244 endete der Kampf mit dem Siege der Brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III. Wie weit der übrige Niederbarnim durch den Einfall zu leiden hatte, darüber läßt sich nichts Sicheres feststellen.

Böse Jahre brachen für die Mark nach dem Aussterben der Askanier 1320 an. Zunächst fielen die Nachbarn über das Land her und suchten an sich zu reißen, was nur möglich war. Dann erschienen als neue Herren die bayerischen Markgrafen, deren Regierung gleich unter dem Bannfluch des Papstes Johann XXII. begann. Dieser hetzte durch Vermittlung des Bischofs Stephan von Lebus die Polen in das Land. Sie sollen, wie berichtet wird, in der Neumark und im Sternberger Lande fürchterlich gehaust haben. Es sieht so aus, als ob sie auch noch in den Barnim hinein vorgedrungen wären, denn ein großer Haufe von Flüchtlingen kam nach Berlin und lagerte dort auf dem Nikolaikirchhof. Die Vertriebenen hätten doch in der zwischen ihrem Heimatort und Berlin gelegenen festen Städten bleiben können. ... Gegen 140 Dörfer mit ihren Kirchen und 4 Klöster (hauptsächlich in der Neumark und im Lande Sternberg) gingen in Flammen auf, gegen 6000 Männer sollen in ewige Gefangenschaft weggeführt worden sein.

Als in der Regierungszeit des Markgrafen Jobst von Mähren (1397-1411) das Raubrittertum aufblühte, wird besonders der Niederbarnim sein Kampfschauplatz. 1402 fallen die Pommern und Ruppiner, die im Bunde mit den Quitzows stehen, in das Land ein und zerstören Bernöwe, Grabsdorf (Friedrichsthal), Nassenheide, die Neue Mühle (bei Sachsenhausen) und Bötzow (Oranienburg). Von Bötzow aus durchqueren sie den niederen Barnim, um die Stadt Strausberg zum Ziele zu nehmen. Auf dem Wege dorthin hinterlassen sie natürlich überall ihre Spuren. Verschiedene Dörfer sind sicher niedergebrannt worden. Genannt werden u. a. Zühlsdorf und Zinndorf.

Wie weit der Hussiteneinfall von 1432 Orte unseres Kreises verwüstet hat, ist schwer nachzuweisen, doch scheinen Neuenhagen und Petershagen unter ihm gelitten zu haben. Bei Bernau kam der Hussitenzug zum Stehen.

Viel schlimmer als alle Kriege vorher wütete der Dreißigjährige Krieg in unseren Landen. Wenn unsere Heimat auch kaum der Schauplatz blutiger Kämpfe wurde, so brachten doch die dauernden Durchzüge, Einquartierungen, Plünderungen und Drangsalierungen seitens der vielen Heereshaufen furchtbares Elend über Dorf und Stadt. Bezeichnend ist der Zug des Grafen von Mansfeld 1626 durch den Barnim. Der Herr von Löben, der Besitzer von Blumberg, wo der Graf übernachtete, hatte durch die zügellosen Söldner des letzteren große Verluste. In Zehlendorf, Löhme, Altlandsberg usw. nahmen die plündernden Horden den Bewohnern alles, was sie brauchen konnten, Geld und Kleidung, Essen und Trinken. Sie erbrachen Kirchen, öffneten Kisten und Kasten mit Gewalt, und was sie an Essen und Trinken nicht selbst verwendeten, das vernichteten sie. Gaben die Leute nicht, was man verlangte, so wurden sie geschlagen oder gar angeschossen. Die besten Pferde zogen die Plünderer aus dem Stall, so in Kagel allein 18, in Zinndorf 17. Bötzow, das heutige Oranienburg, wurde 1638 derart geplündert, daß der Amtsschreiber es als besonderes Glück bezeichnete, wenigstens die Amtsbücher gerettet zu haben.

Zu all den Heimsuchungen, die der Krieg selbst mit sich brachte, gesellte sich die Pest, die besonders 1638 wie ein Würgeengel durch das Land zog. In Bötzow starben 261 Menschen, während in Bernau 953 Personen ein Opfer der furchtbaren Seuche wurden. Während des Dreißigjährigen Krieges sind in Bernau durch Pest, Hungersnot und sonstige Begleiter des Krieges über 2900 Einwohner ums Leben gekommen, so daß, wenn man die Ausgewanderten dazu zählt, nur noch 700 Seelen in der Stadt waren. Aus Prenden und anderen Dörfern der Umgegend flüchteten zahlreiche Leute vor der Pest nach Bernau, weil sie glaubten, dort sicherer zu sein. Sie sind zum größten Teil nicht wieder herausgekommen. Oftmals schleppten sie vielleicht noch die Krankheit mit sich fort und wurden ihre Zuträger für die Stadt. Manche Dörfer starben fast ganz aus, so z. B. Schmachtenhagen.

Der erste Schwedeneinfall im Januar 1675 dehnte sich durch den niederen und hohen Barnim bis nach Lebus aus. Oranienburg wurde arg geplündert und hatte dadurch einen Schaden von 1465 Taler. Beim zweiten Einfall im Mai brannte der Hauptmann Britz auf der Freiheit 16 Häuser nieder. Die bei Oranienburg zur Verteidigung der Sumpf- und Flußübergänge aufgestellten Truppen wurden von den Schweden aus ihren verschanzten Stellungen geworfen und zogen sich nach Spandau zurück. Eine Abteilung Jäger lief davon und rief ihren Führern zu: "Wir dienen dem Kurfürsten als Jäger, aber nicht als Soldaten."

Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) haben besonders die 1760 eingefallenen Russen im Kreise übel gehaust. Nachdem am 9. Oktober der russische General Tottleben in Berlin eingerückt war, erschienen am 10. Oktober in Oranienburg 20 Husaren und 4 Kosaken, die allerlei Erpressungen verübten und eine Geldsumme von 552 Talern mitnahmen. Am folgenden Tage kamen wieder 20 Russen und erhielten 280 Taler. Endlich am 2. November rückten 200 Husaren und Kosaken ein, die den Betrag von 2450 Taler beitrieben. Im ganzen hatte die Stadt einen Verlust von 12500 Taler. Bernau kam glücklicher davon. Die ersten Russenpatrouillen zogen nach Empfang von 350 Taler ab. Dann wandte sich der Magistrat an den General von Tottleben und bat um einen Schutzbrief für Bernau, den der Offizier auch bewilligte und der die Stadt vor weiteren Belästigungen befreite.

Was es bedeutet, den Feind im Lande zu haben, das hat unsere Heimat wohl niemals schlimmer erfahren, als in der Zeit der napoleonischen Knechtschaft. Bald nach der Schlacht von Jena und Auerstädt, nach der König Friedrich Wilhelm III. über Oranienburg und die Königin über Bernau nach Ostpreußen geflohen waren, rückten französische Truppen über Berlin auch in den Kreis ein. Einquartierungen, Plünderungen und Kontributionen hörten nicht auf. Am 26. und 27. November 1806 nahm General Bernadotte sein Quartier im Amtshause (1. Gemeindeschule) zu Oranienburg. Gleichzeitig mußte die Stadt 3458 Mann beherbergen. In der Zeit vom 1. November 1807 bis 22. April 1808 waren in Oranienburg einquartiert: 1432 Stabsoffiziere, 10917 andere Offiziere, 211864 Gemeine und 49428 Pferde. Bis zum 17. Januar 1807 war der Bürgerschaft durch Plünderung und Erpressung die Summe von 79635 Taler genommen worden. Durch die einquartierten Franzosen wurden Seuchen eingeschleppt. So starben 1807 in Oranienburg 64 Einwohner an der Ruhr.

Wie die Franzosen hausten, das mag ein Bericht au Neuenhagen vom 1. Dezember 1806 dartun: "Mit heutigem Tage waren die französischen Truppen über vier Wochen in unserer Gegend. Die Effekten und sämtliches Hausgerät sind teils mitgenommen, teils mutwillig ruiniert und zerschlagen. Diesseits Berlin bis an Hönow heran befindet sich ein Lager von 30000 Mann französischer Infanterie, welche zum Biwakfeuer sämtliche Zäune im Dorfe abgerissen und für sich verbrannt haben."

Als am 21. Februar 1813 die ersten russischen Truppen in Bernau eintrafen, empfing man sie mit unbeschreiblicher Freude. Am gleichen Tage rückte jedoch der französische Brigadegeneral Meunier mit 7000 Mann in die Stadt ein, so daß die Russen sich schleunigst davonmachten. Truppweise drangen die Franzosen in die Bürgerhäuser ein und beschlagnahmten für sich die Wohnräume der Wirte und Mieter, so daß sich die Hausbewohner in die äußersten Winkel des Hauses zurückziehen mußten. Mancher Bürger mußte über 50 Mann in seiner Wohnung aufnehmen und gut verpflegen. Obgleich von den Bernauern alles aufgeboten wurde, um den Forderungen nachzukommen, mußten viele schwere Mißhandlungen über sich ergehen lassen. Dazu wurde ihnen vieles entwendet, beschädigt oder zerschlagen. Der Bürgermeister Junker schreibt darüber: "Mit Worten läßt sich nicht ausdrücken, wie hoch die Drangsale der Einwohner waren. Die Franzosen, die die Stadt als eine eroberte ansahen, namen, wo sie Lebensmittel fanden; die letzten Vorräte wurden den Bürgern weggenommen, es waren die verhängnisvollsten Tage, die zu den schrecklichsten gehören, die Bernau je erlebt hat."

Daß selbst die entferntesten Winkel von dem Franzosenschreck heimgesucht wurden, beweist ein Schreiben, das der Oranienburger Amtmann Kienitz 1808 an den zuständigen französischen Hauptmann richtete und das in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet:

"Ich unterzeichneter Amtmann des Amts Oranienburg bescheinige durch das Nachstehende, daß der Tagelöhner Koch vom Briesenschen Teerofen ein sehr armer Mann ist, der nicht weiß, wovon er das eigene Leben bestreiten soll.
Der Herr Hauptmann wird daher ergebenst gebeten, den Soldaten fortzunehmen, der bei dem genannten Tagelöhner einquartiert ist.
Oranienburg, den 21. April 1808. Kienitz."

Der Briesensche Teerofen ist die heute zu Birkenwerder gehörende Kolonie Briese.

Nach all den Bedrückungen der napoleonischen Zeit war es kein Wunder, wenn das preußische Volk, wenn der Märker die Opfer, die der nun folgende Befreiungskampf jedem einzelnen auferlegte, gern und freudig auf sich nahm. In Liebenwalde meldeten sich z. B. nach des Königs "Aufruf an mein Volk" im März 1813 sofort 16 Mann freiwillig. Sie standen im Alter von 16 bis 36 Jahren. Durch das Los gezogen und in das Heer eingestellt wurden 55 Mann. 15 Liebenwalder starben den Heldentod für das Vaterland, 5 erhielten das Eiserne Kreuz. Liebenwalde zählte damals 1600 Einwohner.

Großer Jubel herrschte überall über die erfochtenen Siege. Nach der Einnahme von Paris 1814 fand in Oranienburg eine festliche Beleuchtung des ganzen Ortes statt, und als am 22. Juli die ersten Truppen zurückkamen, nämlich das 4. Kurmärkische Landwehr-Kavallerie-Rgt., das den Einzug in Paris mitgemacht hatte und ein Vierteljahr in der Stadt und den umliegenden Dörfern bleiben sollte, da wurde das Regiment bei einer Ehrenpforte festlich empfangen. Jungfrauen schmückten Offiziere und Soldaten mit Kränzen.

Von den Opfern, die unsere Heimat in den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71, die zur Aufrichtung des Zweiten Reiches führten, gebracht hat, zeugen die Gedächtnistafeln in den Kirchen und an den Kriegerdenkmälern. Im allgemeinen griffen jedoch diese Kriege kaum merklich in das tägliche Leben ein. Wie ganz anders war das im Weltkriege 1914/18, dessen furchtbare Auswirkungen mehr als ein Jahrzehnt hindurch die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verhältnisse in schlimmster Weise fesselten.

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Quelle: Kalender 1941 für den Kreis Niederbarnim, (Herausgegeben 1940), Seite 28-31
Herausgeber: Kreisausschuß des Kreises Niederbarnim
Druck und Kommissionsverlag: Wilhelm Möller GmbH, Oranienburg b. Berlin