Vollendete und im Bau befindliche Reichsautobahnstrecken
im Kreise Niederbarnim
Nach Angaben der Obersten Bauleitungen Berlin und Stettin mitgeteilt

Während die Druckbogen dieses Kalenders die Presse verlassen, dürfte auch der Abschnitt der Reichsautobahn nördlich von Joachimsthal seiner Vollendung entgegengehen. Mit der Fertigstellung dieser Strecke der Straßen des Führers sind, nachdem schon im Frühjahr der Teilabschnitt bis Joachimsthal dem Verkehr übergeben worden war, der durch die schönsten Teile des Kreises und der Mark führt, die Hauptstadt Pommerns und gleichzeitig auch die Ostsee mit ihren Bädern und die Reichshauptstadt dann wesentlich nähergerückt.

Schon um die Mittagszeit des 4. April 1936 waren die Ausfallstraßen von Berlin über Weißensee mit Fahrzeugen angefüllt. In den Dörfern, am Rande der Autobahn, standen die Menschen an den Straßen, waren die Fahrzeuge aufgezogen, herrschte festliche Stimmung. Der Andrang auf den Straßen war so stark, daß Ministerpräsident Generaloberst Göring immer wieder halten mußte, um jubelnden Menschen die Hände zu schütteln. Die Jugend reichte ihm Blumen. Es war ein Ereignis für den Gau Kurmark und unsern Kreis, der mit dem heutigen Tage seine erste Autobahn aus der Taufe hob.

In Begleitung des Ministerpräsidenten befanden sich Staatssekretär Körner, Ministerialrat Gritzbach und der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Dr. Todt.

Unterhalb der riesigen, 200 Meter langen im Bau befindlichen Brücke, die die alte Reichsstraße Berlin-Stettin über die Autobahn führt, war eine Tribüne aufgebaut. Davor standen in langem Spalier die Gliederungen der Bewegung, NSKK, SS, SA, die Politischen Leiter, die nationalsozialistische Jugend mit ihren Fahnen. Unter den Klängen des Präsentiermarsches schritt Hermann Göring die Fronten ab.

Im Namen der Gesellschaft Reichsautobahnen empfing Reichsbahnoberrat Dr.-Ing. Hoffmann den Ministerpräsidenten mit kurzen Begrüßungsworten und meldete den ersten Teilabschnitt Berlin-Joachimsthal als vollendet.

Darauf ergriff Ministerpräsident Generaloberst Göring das Wort.

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Generalinspektor Dr. Todt bat dann den Ministerpräsidenten, der vor zwei Jahren den ersten Spatenstich an dieser Stelle tat, die Strecke zu eröffnen. Der Ministerpräsident setzte sich dann mit seinem Wagen an die Spitze der großen Kolonne der Ehrengäste, und in sausender Fahrt ging es zum erstenmal über diesen neueröffneten, mehr als 40 km langen Teilabschnitt. An den Überführungen, am Straßenrand, überall winkten die Menschen, standen die Jugend und die Formationen der Bewegung mit ihren Fahnen. Auf der Fahrt durch die Schorfheide erklangen die Waldhörner der Förster.

Am Endpunkt der Strecke in Joachimsthal nahm der Ministerpräsident die Parade der Fahrzeuge ab. Vor der Tribüne rollt es dann ununterbrochen mehr als eine Stunde vorüber: zuerst Motorradfahrer der NSKK, dann Lastwagen mit mehr als 3000 Arbeitern der an der Bahn beteiligten Unternehmen, Fahrzeuge der Reichsbahn und der Gliederungen der Bewegung und das endlose Heer der Kraftfahrer, das es sich nicht nehmen ließ, diesen ersten Frühlingsabend auf der ersten Straße Adolf Hitlers in der Kurmark mitzuerleben.

Die Reichsautobahn hat zwischen Berlin und Stettin bis zur Abfahrt Colbitzow bei Stettin eine Länge von 113 km. Innerhalb des Kreises Niederbarnim beträgt die Länge dieser Strecke 23 km. Die Bahn wird über die Oder bei Stettin noch bis Hornskrug weitergeführt. Dort soll sie dann ihren vorläufigen Abschluß finden und schließt an die Bäderstraße an. Die Gesamtlänge bis Hornskrug wird 140 km betragen.

Welch einen Faktor der Arbeitsbeschaffung der Bau einer solchen Reichsautobahnstraße darstellt, kommt eindringlich zum Bewußtsein, wenn man erfährt, daß etwa 4500 Arbeiter, Beamte und Angestellte bei dem Bau beschäftigt werden, ohne die vielen Hunderte mitzurechnen, die bei den Lieferfirmen tätig sind. Bis in die Sommermonate 1936 waren seit dem Baubeginn im Dezember 1933 auf dem der Obersten Bauleitung Stettin unterstehenden Abschnitt etwa 18 Mill. m³ Erdmassen bewegt worden; rd. 170.000 m³ Beton und Eisenbeton kamen zur Verwendung, ferner 7.000 t Stahlkonstruktionen. An Fahrbahnstrecken für die Reichsautobahn und ihre Zufahrtsrampen wurden bisher 1.400.000 m² aus Beton und 180.000 m² aus Steinpflaster und anderen Deckenarten hergestellt.

Schwierigkeiten entstanden bei der Schüttung des Dammes im Rathsburgsee, den die Reichsautobahn durchschneidet: Der moorige Untergrund mußte durch Sprengungen beseitigt werden.

Von dem Berliner Ring, also der Umfahrtstrecke um die Reichshauptstadt, bearbeitet die oberste Bauleitung Berlin die sogenannte Osttangente, ein Teilstück von insgesamt 43 km. Davon liegen in unserem Kreise Niederbarnim etwa 36 km.

In der Nähe von Steinfurth wird die Kreisgrenze überschritten. Bei Schwanebeck mündet, wie schon in der vorjährigen Ausgabe des Kalenders erwähnt, die Osttangente in die Nordtangente. Sie ist noch nicht im Bau, aber den Einwohnern oder Ausflüglern bereits durch die Markierungen kenntlich. Sie mündet ferner in die Stettiner Strecke, die auf 4 km, nämlich bis Bernau, noch von Berlin bearbeitet wird.

Die örtliche Bauleitung wird von der Bauabteilung Wilhelmshagen ausgeführt. Dieser stehen 6 Beamte, 66 Angestellte und 29 Lohnempfänger zur Verfügung.

Von den Ausmaßen der Arbeitsbeschaffung durch den Reichsautobahnbau erhält man auch hier einen Begriff, wenn man hört, daß bis zum 1. Juli 1936 für die Gesamtarbeiten ungefähr 1.105.000 Tagewerke geleistet worden sind. An Erdmassen wurden etwa 3.400.000 m³ bewegt.

Da der Kraftfahrbahn-Ring um Berlin im Hinblick auf die vielen Ausfallstraßen, Wasserläufe, Schienenwege und die Überwindung von Höhenunterschieden eine große Anzahl von Brückenbauten notwendig macht, wird man kaum überrascht sein, wenn man hört, daß bis jetzt an Beton und Eisenbeton für die Brückenbauwerke rund 82.000 m³ erforderlich waren und 3.265 t Brückenstahl eingebaut wurde. Das größte Bauwerk der Strecke ist der Talübergang bei Kalkberge mit einer Gesamtbrückenlänge von 720 m. Interessant an diesem Bauwerk ist, daß die Verschiebung der Brücke in der Längsrichtung durch Temperatur und Verkehrslast an den Endwiderlagern bis zu 36 cm beträgt.

Von diesem stolzen Bauwerk deutscher Ingenieurkunst und deutschen Arbeitsfleißes wird man einen selten schönen Ausblick auf das Hügel- und Kalksteingebiet im Osten unseres Kreises mit seinen Seen und Wäldern, den großen Industrieanlagen und schmucken Siedlungen genießen.

Die Fahrbahnstrecken haben eine Ausdehnung von 240.000 m². Etwa 378.000 m² der Böschungen mußten angesamt werden. -

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Quelle: Kalender 1937 für den Kreis Niederbarnim, (Herausgegeben 1936), Seite 47-51
Herausgeber: Kreisausschuß des Kreises Niederbarnim
Druck und Kommissionsverlag: Wilhelm Möller GmbH, Oranienburg b. Berlin