Der Mann aus Hagenow
1883 - 1887

Doch mit Anpassungsproblemen hatte der phantasiebegabte Handwerkersohn nie zu kämpfen. So wechselte er Mitte 1883 zur "Telegraphenanstalt Gebr. Naglo" in die Berliner Waldemarstraße 4, um dort in die Geheimnisse der Elektrotechnik einzutauchen - ein Gebiet, das vor 100 Jahren junge Menschen ebenso faszinierte wie heute beispielsweise die Computerei oder die Raumfahrt. Das gerade erst von den Amerikanern Bell und Gray vorgestellte Telefon hielt seinen Einzug in die deutsche Gesellschaft. Doch der Markt sollte schon bald wachsen: Gab es 1881 erst acht Telefonteilnehmer in Berlin, waren es nur zwei Jahre später schon 1652, gegen Ende des Jahrzehnts gar mehr als 10.000. Stock lernte schnell die Grundlagen der frühen Nachrichtentechnik.

Als er sein Arbeitsspektrum bei den Gebrüdern Naglo allzu eingeengt sah, wechselte er 1886 zur "Telegraphen-Anstalt, Telephon- und BlitzableiterFabrik Mix und Genest", um dort wieder als Mechaniker zu arbeiten. Zu seinen Aufgaben zählte fortan die Fabrikation von Magneten, Federn und Ankern für Fernsprechvermittlungsschränke, vor allem aber die Herstellung von sogenannten Blitzspindeln im täglich 10stündigen Akkord. Dabei mußte er zwei Wicklungen aus mit grüner Naturseide umsponnenem Kupferdraht von 0,2 mm Durchmesser auf Spindeln ziehen. Diese dienten seinerzeit als Feinsicherung für Telefonapparate angesichts der hoch über den Dächern von Berlin gespannten Freileitungen des Fernsprechnetzes.

Bei aller Intensität der Arbeit fand Stock noch Zeit, am 25. Oktober 1885 Sophie Lübbert zu ehelichen. Zusammen bezogen sie eine kleine Wohnung in der Stallschreiberstraße 60. Um seinen damaligen Wochenlohn von etwa 35 bis 40 Reichsmark aufzubessern, ging er auf das Angebot seiner Arbeitgeber ein, zusätzliche Spindeln zu Hause zu fertigen.

 Das erste Telefonbuch

Das erste Telefonbuch: Titelseite des Teilnehmerverzeichnisses von 1881.

Der flotte Nebenverdienst spornte auch Sophie Stock an, die ihrem Mann schon bald hilfreich zur Seite stand. Beide arbeiteten so eifrig, daß sich aus dem ursprünglich gedachten Zubrot rasch eine Haupteinnahmequelle entwickelte. Grund genug für Stock, mit seinem Arbeitgeber einen Liefervertrag auszuhandeln und im Frühjahr 1887 um Entlassung aus seinem Anstellungsvertrag zu bitten. Bei der sauberen und präzisen Arbeit, die das Ehepaar leistete, fanden sich schon bald zusätzliche Abnehmer. So auch die damals renommierten Fernsprechanbieter "Telephon-Apparate-Fabrik Welles" und die"Telegraphenbauanstalt Gross & Graf". Sie schätzten vor allem Stocks Devise: "Hohe Qualität zum niedrigen Preis". Damit schlug er die gesamte Berliner Konkurrenz aus dem Felde.

Als der Auftragseingang des jungen Ehepaares derart wuchs, daß sie ihre Bestellungen nur noch in Tag- und Nachtschicht abarbeiten konnten, traf Robert Stock eine nachhaltige Entscheidung. Am 11. Mai 1887 stellte er einen Mechaniker als ersten Mitarbeiter ein und legte damit den Grundstein für ein Unternehmen, das unter dem Namen "R. Stock, Telegraphenapparate" begann und heute als Deutsche Telephonwerke und Kabelindustrie AG (DeTeWe) auf eine 100jahrige bewegte Geschichte zurückblickt.

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