Über unsere Ortsvorsteherin ist schon wiederholt an den Ortschronisten der Wunsch heran getragen worden, den Zugezogenen das Dorf zu zeigen und zu erklären, wo früher welche Einrichtung war und wer wo gelebt hatte. Und während der Chronist noch grübelt, wie man so was aufziehen könnte, fällt ihm ganz zufällig die Einladung zur Nachtwanderung durch Hönow in die Hände. Na, das kann man sich doch mal anschauen und überlegen, ob etwas Ähnliches auch bei uns machbar wäre.
Eingeladen war in Hönow am Freitag (!), den 13. April 2012 um 21 Uhr auf den Hof der ehemaligen Bäckerei Gustke in der Dorfstraße 38. Dort hatten sich weit über einhundert Interessierte versammelt, deren Augen schon gebannt auf eine Hauswand gerichtet waren, auf der ein Beamer zu einem Streifzug durch die Geschichte des Ortes und zu einer anschließenden nächtlichen Wanderung durch den Ort einlud. Das sollte die inzwischen sechste Nachtwanderung werden und die Mehrzahl der Besucher war zum x-ten Mal dabei.
Am Tor wurden die Besucher vom temporären Nachtwächter unseres Nachbarortes begrüßt, der zur Einstimmung auf das Thema des Abends Exemplare der "Berliner Zeitung" aus dem Jahre 1966 verteilte. So war man gleich zum Beginn der Veranstaltung, welche die 1960er Jahre behandelte, über den Stand der Planerfüllung informiert.
Der Hof war mit Stücken dekoriert, die zu DDR-Zeiten so rar waren, dass sich mancher heute noch nicht davon trennen kann. Aber sonst hat man nichts von Mangelwirtschaft gespürt. Im Gegenteil: Glühwein, Soljanka und leckere Stullen warteten dort auf die Gäste: Alles von Hönower Unternehmern gestiftet und für ein Dankeschön unters Volk gebracht.
Der ehemalige Hönower Bürgermeister, Wolfgang Schüler, der als Rechtsanwalt und Krimiautor nicht nur was zu erzählen hat, sondern auch brillant erzählen kann, begrüßte die Besucher und stimmte sie mit seiner Eröffnungsrede auf das Thema des Abends ein.
Eingestreut in die Schilderung des damaligen Geschehens im Dorf gab er auch diverse Witze aus der Zeit des "Realen Sozialismus" zum Besten. Unter den Zuhörern ging auch prompt nach jedem Witz die Diskussion los, ob es sich um einen 3-Jahres-Witz handelte oder eher um einen der Kategorie "5 Jahre Bautzen".
Ein harmloser, bei dem man noch mit Bewährung weggekommen wäre, war der vom Dorfwarenhaus: Kunde: "Gibt's hier keine Gardinen?" - Verkäufer: "Keine Gardinen gibt's im Obergeschoß. Hier unten gibt's keine Bananen."
Aber dann flimmerte es auf der Leinwand los. Professor Menzel (rechts auf der Jagd nach neuem Material) hat Bilder und Filmchen, die alte Hönower und vor allem der unlängst verstobene Chronist, Herr Haase, geliefert haben, zu einem (weiteren) Film über die Ortsgeschichte zusammengestellt.
Unter dem stolz präsentierten Material war auch eine Postkarte aus "Mehrow bei Hönow". Lassen wir den Nachbarn den Stolz und die Freude, dass Mehrow als Vorort ihres Dorfes bezeichnet wurde - dafür haben wir dauerhaft ein "H" in der Mitte unseres Ortsnamens und Hö(h)now nur, wenn in der Straßenmeisterei zu viel gefeiert wurde! (sh. "Aktuelles 5/2008").
Als nächster Akteur trat Günter Wolf auf den Plan, der als ortskundiger Zimmermeister hier schon mal einiges aus der Ortgeschichte preis gab und dann dazu einlud, gemeinsam durch den Ort zu ziehen. Dass das nicht langweilig wird, war nach den ersten paar Sätzen klar - und die Hönower, die ihn kennen, haben da vermutlich nie dran gezweifelt.
Der Hof mit seinen vielen Kuschelecken, in denen zuvor Glühwein geschlürft oder Herzhaftes genossen wurde, leerte sich ganz schnell und rings um den alten Bäckerladen, der jetzt ein Kosmetikstudio beherbergt, kehrte wieder Ruhe ein.
Ein langer Tross zog nun in Richtung Dorfanger. Da der Fußweg für eine solche Menschentraube recht eng wurde, haben die Herren vom Schützenverein, die mit ihren Vereinsjacken stilistisch irgendwo zwischen "Ordnungsamt" und "Hells Angels" angesiedelt sind, mit Fackeln in der Hand den Zug begleitet und Kraftfahrzeuge daran gehindert, sich in den Zug zu mischen.
Das ging auch ganz prima ab und die einzige verbliebene Gefahr war die, in einen Haufen Hundekacke am Wegesrand zu treten. Wie tröstlich ist es doch, dass es unseren Nachbarn nicht besser geht, als uns!
Alle paar Meter stockte der Zug und Herr Wolf, er sich in einem Büchlein heimlich Jahreszahlen notiert hatte, erzählte etwas über die Gehöfte, vor denen man gerade steht, und über deren Bewohner - zum Beispiel am Haus des früheren Lehrers Oswald Meyer (unten links), der sich als Chronist des Ortes hervorgetan hat. Herr Schüler (rechts) hat dabei mal die Rolle des Zuhörers übernommen, aber vielleicht schon wieder Stoff für neue Geschichten gesammelt.
Zunächst ging es an der Kirche vorbei bis zum Gehöft der Familie Döberitz, das nach der Wende wieder in Familien­besitz gelangt ist und inzwischen ein Schmuckstück ist und sehr ansprechende Wohn- und Arbeitsstätten zu bieten hat.
Der Besitzer, Carsten Döberitz (unten rechts), wusste einiges über die Geschichte des Hofes zu berichten.
Dann ging es ein paar Meter zurück zur Dorfkirche, die aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt und damit etwa genauso alt ist, wie unsere. Sie ist das älteste und wohl eindrucks­vollste Gebäude des Ortes. Sie steht ganz unüblich nicht auf dem Anger, sondern eher abseits und der Straße abgewandt. Warum das so ist, sollte gleich geklärt werden.
Im Innern der Kirche war inzwischen alles für eine zweite Video-Präsentation vorbereitet, dieses Mal zur Geschichte der Dorfkirche. Pfarrer Dr. Reiher, der als (Un-)Ruheständler im Ort lebt, erzählte von Ausgrabungsfunden, die belegen, dass an gleicher Stelle früher eine Holzkirche stand. Die Ausrichtung jener und die der heutigen Kirche lassen den Schluss zu, dass sich das Zentrum des Dorfes früher (von der jetzigen Straße aus gesehen) hinter der Kirche befand.
Erwähnung fand natürlich auch der Schildkrötenpanzer an der Empore, der sich auch in Hönows Wappen (und seit der Gemeindegebietsreform sogar im Wappen von Hoppegarten) wiederfindet, und der mit einem Schachbrettmuster versehene Eckstein (ein Stück weiter oben rechts.). Was es mit diesen Dingen auf sich hat, ist in der Chronik ausgeführt, die gerade von ein paar Hönowern Geschichtsforschern erstellt wird, und deren fast vollendete Fassung Dank Professor Menzels Beamer in der Kirche auf der Leinwand zu sehen war.
Der nächste Halt auf dem abendlichen Spaziergang war vor der Jugendwerkstatt Hönow, die sich in einem alten Bauernhaus befindet, dort wo der Weg hinunter zum Haus- und Retsee führt. Unschwer zu erkennen am Fahrrad, das dort auf der Mauer thront.
Hier waren Bilder zu sehen von der alten Gaststätte Seeger, auch bekannt als "Roman am See". Die wurden direkt an die Wand jenes mittlerweile baufällig gewordenen Gebäudes projiziert, das einst die Gaststätte beherbergte. Eine Mitarbeiterin der Jugendwerkstatt hat außerdem über deren Aktivitäten berichtet und Bilder von den vielen gemeinsamen Unternehmungen der Kinder und Jugendlichen gezeigt.
Dazu gab es Freibier, das ein Hönower Unternehmer spendiert hat. Dadurch gerieten viele in einen schweren Gewissenskonflikt und mussten sich entscheiden, ob sie beim Bierfass verharren, dem Ruf von Herrn Albrecht zu einem Schnäpschen auf seinen Hof folgen oder sich schon mal zum "Hönower Hof" von Familie Richter begeben, um sich dort ein schönes Plätzchen zu sichern.
Da hatte es der Nachtwächter nicht leicht, die Schäflein beieinander zu halten. Aber erfolglos war er nicht, denn der überwiegende Teil des immer noch rechts stattlichen Trosses zog mit ihm an der Reitanlage "Zur Glücksburg" und am "Landhaus Hönow" (Bilder unten) vorbei zum Gehöft von Familie Albrecht an der Mehrower Straße.
Herr Albrecht, der erst vor wenigen Jahren das Grundstück neben dem Landgasthaus erworben und ausgebaut hat, erklärte zunächst die Dekoration an der Rückwand eines der Gebäude auf seinem Grundstück. Jeder Mehrower kennt das Bild, das einen auf der rechten Seite begrüßt, wenn man die oft zwischen Hönow Nord und Dorf platzierte Radarfalle passiert hat. Jetzt lag das Bild in dickem Nebel.
Auf dem Hof gab es nach ein paar Erklärungen zum Grundstück Schnaps in fast jeder denkbaren Geschmacksrichtung und die Gelegenheit, mit neuen und alten Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Familie Albrecht hat sich über den unerwartet großen Zuspruch gefreut, obwohl immer wieder neue Gläser und Becher herangeschafft werden mussten.
Und Professor Menzel, der ganz in der Nähe wohnt, aber auch zum ersten Mal auf dem Hof war, fand hier jede Menge Motive für einen Film über die 6. Nacht­wanderung: sehr schön hergerichtete Gebäude, einen ordentlichen Hof und vor allem Unmengen netter, fröhlicher Menschen, die miteinander im Gespräch sind. Die Reportage wird bestimmt im nächsten Jahr zum gleichen Anlass zu sehen sein.
Der Abschied bei Familie Albrecht fiel schwer, aber ein TagesNachtordnungspunkt stand ja noch auf dem Programm: die "Abschlusskundgebung" in der Pension von Familie Richter. Auf dem etwas hinter dem Anger versteckten Gehöft, dass zur Straße hin von einem schmucken weißen Haus begrenzt wird und in einem Hofgebäude sehr einladende Gästezimmer und Appartements zu bieten hat, gibt es auch eine für größere Feiern stilvoll hergerichtete Scheune, die sich für solche Veranstaltungen bestens eignet.
In die Scheune kam man nur rein, wenn man an der Tür ein (nach Zeugenaussagen sehr leckeres) Likörchen in Empfang genommen hat oder glaubhaft versichern konnte, dass gewichtige Gründe wie ein mitgebrachtes Auto dagegen sprechen.
Herr Richter sen. (oben links) erzählte von den Wandlungen, die dieser schmucke Raum im Laufe der Zeit mitgemacht hat, und was alles zu tun war, um ihn in den schicken Zustand zu versetzen, in dem er sich jetzt befindet. Hier macht es Spaß zu feiern und darum wollte keiner so recht den Anfang beim Aufbrechen machen. Immer wieder fiel jemand eine Story ein, die noch zum Besten gegeben werden musste, und auch Herr Wolf (rechts) hat dabei keine übertriebene Zurückhaltung gezeigt, sondern die Umherstehenden bestens unterhalten.
Immer wieder machte das Tablett mit dem köstlichen Trunk seine Runde und löste die letzten noch nicht im Einsatz befindlichen Zungen. Ein paar Dutzend waren es noch zu so später Stunde. Der Nachtwächter musste unentwegt für Erinnerungsfotos herhalten und war sicher froh, für den nächtlichen Heimweg Stock und Lampe dabei zu haben.
Die Uhr zeigte Mitternacht, als sich die Menschentraube langsam auflöste und mit schönen Erinnerungen im Gedächtnis nach Hause strebte - voll des Lobes für alle, die diesen unter­haltsamen Abend vorbereitet und durchgeführt haben.
Auch wenn in Hönow diverse "Schutzengel" bereit stehen, ist es angebracht, sich nach einem solchen Abend nicht ans Steuer zu setzen, sondern gemütlich nach Hause zu spazieren. Und wenn man "bei Hönow" wohnt und das Auto für den Heimweg braucht, sollte man standhaft allen Anfechtungen des Abends widerstehen. Auch ohne die dargereichten Willkommens­trünke bietet solch ein Nachtspaziergang eine Unmenge schöner Eindrücke, neuer Erfahrungen und netter Bekanntschaften. Eine tolle Idee!
So was müssen wir unbedingt auch mal in Mehrow durch­führen. Nette Leute, die ihre Höfe und Herzen öffnen, gibt es auch bei uns, und ein bisschen was über den Ort zu erzählen haben wir auch. Die Hönower haben zwar für Nachahmer die Latte sehr hoch gelegt, aber wir sollten es trotzdem einfach mal probieren: spätestens im Frühjahr 2013!