Einer der vier großen deutschen Soldatenfriedhöfe in Belgien liegt in Langemark (bis 1945 „Langemarck“ geschrieben), nicht weit entfernt von der flandrischen Stadt Ypern (Ypres), die durch den ersten Giftgaseinsatz im ersten Weltkrieg traurige Berühmtheit erlangt hat.
Dort wollen wir hin, u. a. weil da ein Soldat aus unserem Nachbarort Hönow begraben ist, dessen Namen wir auf der Tafel der Kriegsopfer entdeckt haben: Leutnant Paul Lübke.
Das Wetter ist dem Anlass angemessen - es ist nicht geeignet, fröhliche Gedanken aufkommen zu lassen.
Der Himmel sieht aus, als wären die Kämpfe gerade erst beendet worden, aber die endlosen Stellungskämpfe die hier im ersten Weltkrieg getobt haben, sind nun schon fast einhundert Jahre her.
Vom direkt am Ortseingang gelegenen Parkplatz aus gelangt man über einen Seiteneingang auf das Gelände und steht zunächst vor einem tunnelartigen Gebäude, das man dort aus Betonelementen errichtet hat. Im Innern des Tunnels findet man Informationen zu den Kämpfen hier in Flandern und mehrere Video-Installationen, in denen unter anderem Filme über die teuflischen Giftgaseinsätze hier an der Westfront gezeigt werden.
Und dann steht man plötzlich vor dem eigentlichen Friedhofs­gelände, das einer Festungs­anlage nachempfunden ist: eine rechteckige Natursteinmauer, die teilweise von einem mit Wasser gefüllten Graben umgeben ist.
Auf dem so umfriedeten Gelände stechen einem sofort mehrere kleine Bunker aus Beton ins Auge - die hat man nicht als Deko hier hin gesetzt, sondern die standen während des Krieges hier und haben die Kampfhandlungen „miterlebt“.
Auf dem Weg zwischen Straße und „Festungsgraben“ gelangt man zum Eingangs­gebäude, durch dessen Tür der Blick sofort auf eine große Grabanlage fällt.
Eine rechteckige, nur spärlich mit Blumen bestandene Fläche ist auf drei Seiten von großen Stelen umgeben, die auf beiden Längsseiten mit Bronzeplatten belegt sind. Eine Lücke in der hinteren Stelen-Reihe gibt den Blick frei auf eine Plastik mit vier trauernden Soldaten.
Wir stehen vor einem Massengrab, in dem die Überreste der zuvor auf verschiedenen umliegenden Friedhöfen verteilten Gefallenen ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Eine an der offenen Seite der Stelen-Umrandung in den Boden eingelassene Tafel gibt wie folgt Auskunft:
In einem gemeinsamen Grabe ruhen hier
24917 deutsche Soldaten
7977 blieben unbekannt
Die Namen der bekannten Soldaten sind auf den Stelen ringsum vermerkt ...
Obwohl die Namen auf den Tafeln alphabetisch sortiert sind, bedarf es doch einiger Mühe den Gesuchten zu finden, denn allein drei Tafeln enthalten im Fließtext die Namen und Sterbedaten der Soldaten, deren Name mit „L“ anfängt.
Auf der Platte 38 finden wir dann den gesuchten Eintrag:
Lübke Paul Leutnant + 31.7.1917
Die große hölzerne Gedenktafel in der Hönower Dorfkirche hat uns bereits seine Einheit (6. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 455) und sein Geburtsdatum verraten: 22. Februar 1894. Der Leutnant war also gerade mal 23 Jahre alt!
Eine lange Reihe zinnenartiger Steine zwischen den Bunkern bildet die Grenze zwischen unterem und oberem Gräberfeld.
Darauf sind Einheiten und Organisationen vermerkt, die um Mitglieder trauern, die hier bestattet sind.
Auf der offenen, dem Eingang zugewandten Seite der Massengrabumrandung befinden sich Bronzetafeln mit den Namen und Wappen der Belgischen Provinzen.
In der Mitte liegt eine große, gerade durch niedergelegte Kränze fast verdeckte Bronzeplatte, auf der zu lesen ist, dass auf diesem Friedhof 44061 Deutsche Soldaten ruhen. (*)
Auf der Tafel mit den Friedhofsdaten ist zu lesen:
In der 22 Tage tobenden Schlacht an der Yser und um Ypern kämpfte auf deutscher Seite die 4. Armee. Sie bestand größtenteils aus schlecht ausgebildeten Freiwilligen: Studenten, Schülern, Lehrlingen. Die Front erstarrte hier am 11. November 1914 bis zum Kriegsende 1918. Ungezählt sind die Verluste auf beiden Seiten. In Deutschland wurde die Anlage bald „Studentenfriedhof“ genannt.
Das erklärt, warum auf den Begrenzungssteinen zwischen den Bunkern (siehe oben) neben Armee-Einheiten auch verschiedene Studentenvereinigungen, wie zum Beispiel die „Deutsche Christliche Studentenvereinigung D.C.S.V.“ aufgeführt sind und dass die Namenstafeln im Ehrenraum des Eingangsgebäudes überschrieben sind mit (**)
Ihren Kameraden und Komilitonen
Die deutsche Studentenschaft
Als der Friedhof im Juli 1932 eingeweiht wurde, lagen hier (auf dem unteren Gräberfeld) etwa 10000 Gefallene, von denen 6313 bekannt sind.
Deren Namen sind im erwähnten Ehrenraum auf Eichenholztafeln verzeichnet.
Zur Anzahl der Namen auf den 68 Bronzetafeln machen die Informationstafeln unterschiedliche Angaben. Die eine spricht von 12000, die andere von knapp 17000. Rein rechnerisch stimmt Letzteres, das haben wir aber nicht nachgeprüft ...
In einem zweiten Ehrenraum verdeutlicht eine ein Holz gravierte Karte, von welchen umliegenden Friedhöfen einst Umbettungen hierher nach Langemark erfolgt sind.
(Der Friedhof Langemark ist durch ein Kreuz markiert.)
Die anderen, nach den Umbettungsaktionen der 60er Jahre verbliebenen großen Soldatenfriedhöfe werden wir später auch noch besuchen, aber jetzt geht es weiter über die Grenze in den Teil Frankreichs, der sich auch noch zu Flandern gehörig fühlt und vor hundert Jahren das gleiche Schicksal erlitten hat,
Auch da liegen Soldaten aus Mehrow oder Dörfern in der Nachbarschaft. Egal, ob freiwillig oder notgedrungen in den Krieg gezogen - man darf sie nicht eingfach vergessen.

(*) Die Anzahl der auf diesem Soldatenfriedhof ruhenden Gefallenen (44061) entspricht etwa der Kapazität des Bremer Weserstadions (42.358) oder der "Red Bull Arena" in Leipzig (44345) - Angaben lt. Wikipedia.
(**) Die "Kommilitonen" schrieb man eigentlich schon damals mit zwei „m“. (Brockhaus 1926)

Nachtrag: Auf dem Soldatenfriedhof in Langemark ist vermutlich auch der am 10.10.1917 gefallene Leutnant Martin Schröder aus Wuhlgarten bestattet, den wir fälschlicherweise auf dem Soldatenfriedhof in Menen vermutet haben,