Am letzten Sonntag im April findet schon seit Jahren in Altlandsberg das „Sattelfest“ statt. Radler aus der ganzen Region machen sich da einzeln, in kleinen Grüppchen oder als Teilnehmer geführter Touren auf den Weg in die mittelalterliche Ackerbürgerstatt nicht weit entfernt von uns.
Am 28. April 2019 war eine geführte Tour im Angebot, die auch in Altlandsberg beginnt und nicht nur durch Feld und Wald führt, sondern auch durch viele Jahrhunderte.
Mike Hille, Hobby-Archäologe aus dem Altlandsberger Ortsteil Buchholz hatte zu einer Tour geladen, die vorbei an einigen seiner Fundstellen zu einer alten Slawenburg führt.
Das klang recht verheißungsvoll, weshalb sich knapp 20 Radler bei drohendem Regen und zu fast nachtschlafender Zeit (9 Uhr) vor der Altlandsberger Stadtkirche einfanden.
Hier wurden sie von Mike Hille erwartet, der zunächst kurz erzählte, wie er zu seinem Hobby und später zum Titel „Ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger“ kam.
Zum Hobby kam er durch ein paar Scherben, die er fast vor der Haustür gefunden hat und die sich als richtig alt erwiesen haben. Und zum Titel, einschließlich der Berechtigung zur Benutzung eines Detektors, ist er durch einen Lehrgang, viel Selbststudium und akribische Einhaltung der Dokumentations- und Ablieferungspflichten gekommen.
Die Stadtkirche war nicht zufällig als Startpunkt gewählt. Sie ist wohl das älteste Gebäude der Stadt und strahlt selbst viel Geschichte aus. Die schmale, in der Mauer verborgene Treppe zu den Obergeschossen des Turmes, weist z. B. kleine Mulden auf, die unsere Vorfahren vermut­lich beim kultischen Schaben an den Feldsteinen hinterließen.
Leider kam man nicht in die Kirche rein, weil sich dort Mike's professionelle Kollegen gerade durch den Boden wühlen.
Der erste Halt auf der Tour war noch zu Fuß zu erreichen:
Die Stelle des Domänenhofes, an der im November 2016 der spektakuläre Münzschatz gefunden wurde. Man hat schon viel davon gehört, aber hört es immer wieder gern.
Der zweite Halt war auch nicht weit entfernt: Das nördliche Ende der Liebknechtstraße, wo unlängst Hobbygärtner bei einer Pflanzaktion im Garten Tonscherben fanden.
Die erwiesen sich als Teile einer bronzezeitlichen Urne.
Die Gärtnersleut' haben die Scherben zum Glück nicht stillschweigend ins Regal gelegt oder entsorgt, sondern Mike zur Begutachtung gerufen - „Hobbygärtner an Hobbyarchäologe“.
Zur nächsten Fundstelle, dem Südende des „Unterteiches“ ging es über den recht holprigen Triftweg, der später auf eine alte Heerstraße stößt. Hier wurde spätestens in der Bronzezeit gesiedelt, denn auf den Äckern ringsum hat Mike einige Stücke aus jener Zeit gefunden.
Vom spektakulärsten Fund, einem sehr gut erhaltenen Armreifen aus Bronze, hat er einen Abguss aus gleichem Material fertigen lassen, damit er etwas Kostbares zum 'Rumreichen hat, während das Original im Behörden-Depot schlummert oder zu Ausstellungszwecken auf Reisen ist.
Auf dem Boden ausgebreitet waren noch ein paar „Beifunde“, über Jahrhunderte hier weggeworfene oder verlorene Dinge, die zwar nicht fürs Museum taugen, aber interessant sind.
Weniger schön anzusehen sind die Fundstücke aus dem frühen 21. Jahrhundert, die man hier am Unterteich findet: Flaschen, Büchsen, Müll usw.
Aber vielleicht freuen sich später Archäologen über sol­che Funde aus der Plastezeit.
Richtig aufregend wurde es ein Stück weiter im Wald
Hier, wo man bestenfalls Pilze oder Wildschweine erhofft bzw. befürchtet, soll sich eine Slawenburg aus dem neunten Jahrhundert befunden haben. Auf digitalen Geländemodellen ist sehr deutlich ein Wall-Ring zu erkennen. Und Mike hat dort schon Funde gemacht, meist jedoch nur Tonscherben.
In kleinen Grüppchen wurde nun das Waldstück erkundet, das zunächst nur etwas hügelig aussah. Beim näheren Hinsehen konnte man unschwer einen kreisrunden Wall entdecken, den man gut ablaufen kann. In diesem Kreis mit ca. 60 Metern Durchmesser befand sich vermutlich eine von Palisaden umgebene slawische Siedlung, eine Slawenburg.
So was dicht vor der Haustür zu haben, ist schon ein sehr reizvoller und unerwarteter Gedanke.
Von den Slawen sind natürlich keine Gebäude erhalten.
Aber auch die Bauten der neuen Burgbewohner fanden großes Interesse. An vielen Stellen waren Tunneleingänge zu entdecken - größer als die zu Fuchsbauen führenden ...
Natürlich konnte Mike hier keine drei Schritte tun, ohne über eine Scherbe zu stolpern - nicht Wertvolles, aber wieder ein Beweis, dass hier mal was los war.
Auch ein Tourteilnehmer, der sonst im Wald jeden Pilz über­sieht, hatte das Glück, etwas zu finden, das dem strengen Archäologenblick standhielt: eine kleine Feuerstein-Klinge.
Auf der Rückfahrt über Radebrück nach Altlandsberg wurde noch kurz am „Popo-Acker“ Halt gemacht - einem Fleckchen Erde, das wegen eines sonderbaren Fundstückes von Mike diesen Namen bekam. Hier, wo früher die Altlandsberger den Inhalt ihrer Latrinen verteilten, hat er unlängst ein Bronze-Medaillon gefunden, das zweifelsfrei einen Popo zeigt.
Zusammen mit dem Zeigefinger kann man das für die bild­liche Darstellung eines Götz-von-Berlichingen-Zitats halten ...
Wer zu welchem Zweck dieses Medaillon getragen oder in der Tasche rumgeschleppt hat, ist nicht bekannt, aber vermutlich ist es wie ein ebenfalls hier gefundener „Rechenpfennig“ beim Latrinengang ins „Braune“ gefallen und zusammen mit diesem hier auf dem Acker gelandet.
Nun war es nicht mehr weit zum Altlandsberger Marktplatz, wo inzwischen das Sattelfest im Gange war und nach und nach die Radler aus allen Himmelsrichtungen eintrafen.
Was sich Mike und seine Frau Katrin (beide links auf dem Bild in Erwartung eines erfrischenden Getränkes) als Sattelfest-Tour ausgedacht hatten, war ganz toll und hat riesigen Spaß gemacht. Ganz herzlichen Dank dafür! Wir freuen uns schon auf eine Wiederholung im nächsten Jahr!
Wer nicht so lange warten will, sollte unbedingt am Freitag, den 8.11.2019 um 19 Uhr zur Mehrower Geschichsstunde in unsere Feuerwehr kommen. Da ist Mike Hille zu Gast und wird erzählen, war er so in unserer Umgebung gefunden hat. Das wird nicht langweilig!