Wer sich auf unserer Webseite etwas in der Geschichte unseres Ortes umgesehen hat, weiß, daß unsere letzte Rittergutsbesitzerin, Anna Bothe, 1937 das verschuldete Gut an die Landgesellschaft "Eigene Scholle" verkauft hat - das war das Ende des Rittergutes Mehrow. Die Landgesellschaft hat den größten Teil des Gutes parzelliert und mit (heute teilweise unter Denkmalschutz stehenden) Bauernhäusern bebaut. Die so entstandene Siedlung wurde überwiegend vom "Rasse- und Siedlungshauptamt der SS" mit Neubauern aus den Reihen der SS besetzt und Mehrow daraufhin zum Musterdorf erklärt, das u.a. der Landrat des Kreises in seinem Landratsbericht in höchsten Tönene lobt. Wir haben mal versucht, etwas über die Landgesellschaft "Eigene Scholle" zu erfahren, die zu jener Zeit schon fast 30 Jahre bestand, also keine Erfindung der Nazis war. Die haben sich aber dieser Gesellschaft bei der Umsetzung ihrer Siedlungspläne bedient, weshalb sich im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde in den NS-Akten auch Material über die "Eigene Scholle" findet. Außerdem finden sich dort unter "R 2301" Akten des Rechnungshofes des Deutschen Reiches (RH Pr. Geb II 4) die Landgesellschaft "Eigene Scholle" Frankfurt (Oder) betreffend. Dabei handelt es sich vorwiegend um Geschäftsberichte, die wir nachfolgend für den uns interessierenden Zeitraum zitieren: |
Bericht Nr. 12035 der Deutschen Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft Berlin über die bei der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H., Frankfurt (Oder) vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1938 I. Rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen ... Die Geschäfte werden nach wie vor geführt von den Herren: Regierungs- und Kulturrat Dr. Heinrich Blum Regierungs- und Kulturrat a.D. Walter Eccardt Bauer Heinrich Blumenberg (stellv. Geschäftsführer) Zur rechtswirksamen Vertretung sind nur 2 der genannten Herren gemeinsam berechtigt. ... II. Die Siedlungstätigkeit ... a. Neubildung deutschen Bauerntums und Anlieger- (Auftrags-) Siedlung Im Berichtsjahr wurden 13 Güter und andere Ländereien mit einer Gesamtfläche von über 4.900 ha erworben. Die starke Steigerung gegenüber dem Vorjahr (11 Flächen mit annähernd 2.800 ha) ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß 4 Güter in einer Größe von zusammen 3.700 ha von jüdischen Vorbesitzern, davon 3 durch Ausübung des Vorkaufsrechts erworben wurden. ... [nichts zu Mehrow] |
Quelle: Akte 'R 2301 / 3837' im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Akte 23.01 Rechnungshof des Deutschen Reiches, RH Pr.Geb IB Landgesellschaft "Eigene Scholle" Frankfurt (Oder), Nov. 1939 - Okt. 1941 |
Bericht Nr. 10554 der Deutschen Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft Berlin über die bei der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H., Frankfurt (Oder) vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1937 I. Rechtliche Verhältnisse ... ... wird die Gesellschaft somit durch drei Geschäftsführer vertreten: Regierungs- und Kulturrat Dr. Heinrich Blum Regierungs- und Kulturrat a.D. Walter Eccardt Bauer Heinrich Blumenberg Zur rechtswirksamen Vertretung bedarf es der Unterschrift zweier Geschäftsführer ... IV. Siedlungstätigkeit ... ... Übersicht über die Landbeschaffung und Landverwertung in den letzten Jahren:
Außer den oben aufgeführten Verkäufen sind im Berichtsjahr noch rd. 724 ha auftragsweise besiedelt worden (359 Verkäufe). ... Im laufenden Geschäftsjahr ist eine weitere Steigerung des Arbeitsumfanges eingetreten, insbesondere durch neue Aufträge der Wehrmacht, die sich neben der Beschaffung von Übungsplatzgeländen auch auf die Errichtung von neuen Höfen für die umzusiedelnden Bauern erstreckte. [Anhang zum o.g. Bericht, Blatt 23] Sonstige Forderungen ... RM 10.000,- Anna Bothe, Mehrow. Die aus der Zwischenwirtschaftsverrechnung mit der Vorbesitzerin von Mehrow, Kreis Niederbarnim, resultierende Forderung ist im laufenden Jahr ausgeglichen worden. 1937 Geschäftsbericht der Landgesellschaft "Eigene Scholle" Frankfurt (Oder) Gemeinnütziges Siedlungsunternehmen der Provinz Brandenburg [Innentitel:] Bericht über das 28. Geschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 1937 II. Landbeschaffung und Besiedlung A. Landbeschaffung ... Die Gesellschaft hat im Berichtsjahr folgende Flächen erworben ... a) zur Besiedlung im Jahre 1937 Bärenhütte, Kr. Schlochau, Landauflage Hohenlandin Kr. Angermünde, freihändiger Ankauf Gr. Cammin, Kr. Landsberg /W., freihändiger Ankauf Kohlow, Kr. Weststernberg, freihändiger Ankauf Kloppitz-Melschnitz, Kr. Weststernberg, Vorkaufsrecht Meseritz, Kr. Meseritz, freihändiger Ankauf zusammen: 482,39 ha b) zur Besiedlung im Jahre 1938 und später: Geyersdorf, Kr. Fraustadt, Landauflage Mehrow, Kreis: Niederbarnim, freihändig, Gesamtgröße: 806,66 ha Wittstock, Kr. Königsberg (Neumark), freihändiger Ankauf Mohrin, Kr. Königsberg (Neumark), freihändiger Ankauf Kl. Döbern, Cottbus, Vorkaufsrecht zusammen: 2231,56 ha c) Luchverfahren Staffelde, Kr. Osthavelland, freih. Jahnberge, Kr. Westhavelland, freih. Bergendamm, Kr. Westhavelland, freih. Rhinschleuse, Kr. Westhavelland, freih. Wustrau, Kr. Ruppin, freih. Die Neubauernsiedlung Mehrow, Kreis Niederbarnim, wird als SS-Siedlung, die Neubauernsiedlung Wittstock, Kreis Königsberg (Neumark) als SA.-Siedlung errichtet. Beide Siedlungen entstehen im Jahre 1938. Die Aufteilung erfolgt, wie alle Siedlungen, durch die Gesellschaft nach den Richtlinien für die Neubildung deutschen Bauerntums, die Auswahl der Neubauern unter Beachtung der Richtlinien des Reichsnährstandes von der SS bzw. SA. Die ausgewählten SS-Männer erhalten zur Bestreitung der Anzahlung und zur Beschaffung des Inventars zusätzliche Mittel der SS aus den Mitteln des Rasse- und Siedlungsamtes, die SA.-Männer Mittel aus dem Dankopfer der Nation. Bei der Planung und Ausgestaltung dieser beiden Neubauerndörfer sind die Wünsche und Vorschläge der SS bzw. der SA. weitgehend berücksichtigt worden. [Anhang:] Zusammenstellung des Siedlungsergebnisses 1937 ... Regierungsbezirk Potsdam ... Verfahren: Mehrow Kreis: Niederbarnim Ankaufsjahr: 1937 Bestand am 1.1.1937, ha: -- Neuerwerb: 806,66 ha Anliegerland für bestehende Kleinbetriebe und sonstige Abverkäufe: Zahl: 2, ha: 7,15 Landbestand am 31.12.37: 799,51 ha Die Gesellschafterversammlung der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H. hat die nachstehende Neufassung der Satzung am 8. Dezember 1938 beschlossen: Satzung der Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H. zu Frankfurt a.d. Oder Die im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt a.d. Oder unter Nr. B 246 auf Grund des Gesellschaftervertrages vom 28. Juni 1910 eingetragene Gesellschaft errichtet folgende Satzung: §1 Gesellschafter Gesellschafter sind 1. das Deutsche Reich, vertreten durch den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft 2. der Provinzialverband der Provinz Brandenburg 3. die aus der Anlage ersichtlichen weiteren Gesellschafter. Die Gesellschaft führt die Firma Landgesellschaft Eigene Scholle G.m.b.H. und hat ihren Sitz in Frankfurt a.d. Oder §2 Geschäftszweck Gegenstand des Unternehmens ist: Die Neubildung deutschen Bauerntums nach Maßgabe der Gesetze und der Richtlinien der Reichsregierung sowie die Durchführung der damit in Zusammenhang stehenden Geschäfte. Die Tätigkeit der Gesellschaft ist gemeinnützig; sie soll nach kaufmännischen und wirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden. Der Anteil der Gesellschafter am Reingewinn darf 4 v. H. des Nennwertes der Geschäftsanteile nicht übersteigen. ... §14 Bekanntmachungen Alle Bekanntmachungen der Gesellschaft, die vom Gesetz oder vom Registergericht gefordert werden, erfolgen ausschließlich durch den "Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger" oder das amtlich an seine Stelle tretende Blatt. [Anlage:] Verzeichnis der Gesellschafter ... 1. Deutsches Reich: 2.243.080 RM 2. Provinzialverband der Provinz Brandenburg: 1.020.000 RM 3.-60. div. Kreise (darunter: Niederbarnim: 14.875,-) 61. Stift Neuzelle 44.600 RM 62.-202. div. Banken, Firmen und Personen Summe bis hier 4.140.055,- Landgesellschaft selbst: 45.065,- + 12.095 Kapitalspitzen = 57.160,- RM Insgesamt: 4.197.215,- RM |
Quelle: Akte 'R 2301 / 3836' im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Akte 23.01 Rechnungshof des Deutschen Reiches, RH Pr.Geb II 4 Landgesellschaft "Eigene Scholle" Frankfurt (Oder), Dez. 1937 - Okt. 1939 |
Die o.g. "Richtlinien bei der Neubildung deutschen Bauerntums", nach der die Vergabe der Siedlerstellen in Mehrow erfolgte, finden sich am gleichen Ort unter "NS 2 /60". |
Die Siedlung Mehrow findet auch Erwähnung in den Akten des Reichsfinanzministeriums, und zwar unter "Sonstige soziale Maßnahmen". Aus dem Geschäftsbericht 1939 geht hervor, daß zwei Jahre nach dem Siedlungsbeginn von den ursprünglich 806,66 ha (1.1.1937) noch 31,67 ha im Bestand der Landgesellschaft waren. Was daraus geworden ist, werden wir noch ergründen. |
Geschäftsbericht 1939: Verfahren 1938: Mehrow Kr. Niederbarnim Bestand am 1.1.39: 38,7770 ha Anliegerland für bestehende Kleinbetriebe und sonstige Abverkäufe: Zahl: 5 Größe: 7,1012 Landbestand am 31.12.39: 31,6698 ha |
Quelle: Akte 'R2 / 19006' im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Reichsfinanzministerium Abt. 1, Gruppe: Sonst. soziale Maßnahmen Inhalt: Landwirtschaftliche Siedlung, 17.1.39 - 3.1.44 |
Den bei der Schaffung der Siedlung Mehrow "übrig" gebliebenen knapp 32 ha werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch nachgehen. |