Über unsere letzten Gutsbesitzer und "Schloß"-Bewohner haben wir ja schon an verschiedenen Stellen ansatzweise berichtet. Nun soll da mal etwas Ordnung hereingebracht und mit dem Lückenschließen begonnen werden.

Anna Bothe, geborene Stock, ist am 9.1.1887 als zweite Tochter des aus Hagenow (Mecklenburg) stammenden Berliner Industriellen Carl Christian Robert Stock und seiner Frau Sophie Christina Dorothea Stock, geb. Lübbert, geboren worden.
Max Bothe wurde am 17.4.1876 als Sohn des Somborner Gastwirtes Carl Bothe geboren und hat in Uslar eine Metall-Hütte und in Berlin, zunächst nur in Charlottenburg und später auch in Weißensee, Gießereien besessen.

Am 29.6.1918 haben beide (er mit 42, sie mit 31) geheiratet und sind auf das Rittergut Mehrow gezogen, das Anna von ihrem 1912 verstorbenen Vater Robert geerbt hatte.
Robert Stock hat 1900 nach dem Ausscheiden aus der von ihm gegründeten (und heute unter DeTeWe firmierenden) Telefonfabrik das Rittergut Mehrow zusammen mit Gütern in Werneuchen, Saarmund und in Pommern (Sophienwalde) gekauft.

Das Werneuchener Gut hat Annas ältere Schwester Frieda Marie Luise, die am 8.9.1882 geboren wurde, noch zu Lebzeiten von Robert Stock übertragen bekommen, vermutlich als Mitgift anläßlich der Heirat am 4.10.1906. Ihr Bräutigam, Hans Anton Max Jakob Müller, geboren am 7.2.1883, war übrigens ein Mehrower Landwirt - auf "Müllers" Hof (jetzt Dorfstraße 4), bevor dieser in das Rittergut Mehrow aufgegangen ist.

In den Jahren nach dem Tod ihrer Eltern (Robert Stock: 1912 und Sophie Stock: 1914) hat Anna bei ihrer Schwester Frieda, mit der sie in der "Villa Stock" in Treptow aufgewachsen ist, im Werneuchener Schloß gewohnt. Hans und Frieda Müller haben sich um 1908 in Werneuchen das Schloß bauen lassen, das jetzt noch trotz bröckender Fassade und seit Jahren mit "schmückendem" Baugerüst versehen, einen herrschaftlichen Eindruck hinterläßt.

In Werneuchen haben sich Max Bothe und Anna Stock kennengelernt - Datails dazu kann man der Hochzeitszeitung entnehmen, die wir in Anna Bothes Nachlaß gefunden haben. Dort sind wohl auch die Bilder entstanden, die Max und Anna als Liebespaar zeigen.
In Werneuchen fand auch am 29. Juni 1918 die Hochzeit statt, über die es bald einen Bildbericht geben wird. Vorab haben wir schon mal im sorgsam gepflegten Album der Hochzeitstelegramme geblättert und mal aufgelistet, wer da so alles gratuliert hat - ein paar der Namen sind uns ja schon mal untergekommen.

Bald nach der Hochzeit sind Max und Anna in das "Mehrower Schloß" gezogen, das damals aber wirklich (zumindest innen) recht herrschaftlich aussah. Hier haben sie es sich gut gehen lassen und wohl auch recht häufig den erst jüngst wiederentdeckten Weinkeller frequentiert.

Max Bothe, durch und durch Industrieller, hat dem Vernehmen nach den Gutsbetrieb wie eine Fabrik geführt und überall anbauen und aufstocken lassen, wie z.B. bei der Mühle, die ursprünglich nur ein eingeschossiges Getreidelager für die nebenstehende Brennerei war. Die Molkerei auf dem Gutsgelände hat er mit modernster Technik ausgestattet (elektrische Melkmaschinen in den zwanziger Jahren!) und die Tierhaltung unter strenge veterinärmedizinische Kontrolle gestellt, um die hier produzierte Milch als Kindermilch odeer "Sanitätsmilch" an Krankenhäuser und Reformläden in Berlin liefern zu können.
(Der leider schon verstorbene Hans Prötzsch, der zeitweise die Milchlieferungen nach Berlin begleitet hat, und Elise Dietrich, die in der Meierei tätig war, haben uns davon erzählt.)

Ende der zwanziger Jahre ging's dann aber mit dem Mehrower Gut wirtschaftlich auf Talfahrt und als Max Bothe im November 1930 starb, war nicht mehr viel zu retten. Ende der dreißiger Jahre mußte Anna Bothe, die inzwischen hoffnungslos verschuldet war, das Gut verkaufen, was zugleich das Ende des Rittergutes bedeutete, da dieses anschließend von der Siedlungsgesellschaft "Eigene Scholle" in knapp 20 Einzelgrundstücke geteilt und zur Besiedelung durch Neubauern hergerichtet wurde.

Zwar nicht gerade zum Vorteil des Gutes, aber zu unserer großen Freude hat Anna Bothe viel Zeit ihrem Hobby, dem Fotogafieren gewidmet, woduch uns einige Bilder über Dorffeste in den zwanziger Jahren und von der Innenausstattung des "Schlosses", aber auch völlig unspektakuläre Alltagsbilder aus dem Dorf und über die Situation der Mehrower Landwirtschaft in den dreißiger Jahren erhalten sind.