Bereits vor einigen Jahren sind wir in dem Architekturführer "Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim" (Bearbeitet von Heinrich Jerchel und Joachim Seeger, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1939) unter "Schrifttum" auf folgenden Literaturhinweis gestoßen:

Wilh. Wolff, Mehrow und seine Geschichte
(Heimat und Welt Nr. 43 bis 45, Niederbarnimer Kreisblatt vom 26. Oktober, 2. und 9. November 1935)


Aber im Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek fehlen genau diese Ausgaben des Niederbarnimer Kreisblattes und in anderen Archiven sind sie nur ohne Beilage zu finden. Deshalb hatten wir hier einen Hilferuf abgesetzt und um Information gebeten, wenn sich die Artikelserie irgendwo anfindet.
Jetzt haben wir damit Erfolg gehabt. Roland Lemke, Ortschronist für Blumberg, ist bei seinen Recherchen im Archiv der Landesgeschichtlichen Vereinigung auf einen privaten Nachlass mit Zeitungsartikeln gestoßen. Darin befand sich auch, sauber ausgeschnitten und zusammengeklebt, ein Artikel von Wilhelm Wolff (Wensickendorf) über "Mehrow und seine Geschichte". Leider fehlt ein Hinweis darauf, welcher Publikation dieser Artikel entnommen wurde, aber wir können wohl davon ausgehen, dass es sich um den gesuchten, dreiteiligen Artikel aus "Heimat und Welt" Nr. 43 bis 45 von 1935 handelt. Herrn Lemke sei an dieser Stelle sehr herzlicher Dank gesagt und den Besuchern dieser Seite die Lektüre des Artikels empfohlen.


Wilhelm Wolff - Wensickendorf

Mehrow und seine Geschichte

Das kleine Dorf Mehrow, das noch vor wenigen Jahren aus einem Gemeinde- und einem Gutsbezirk bestand, von denen der letztere der an Einwohnern größere Teil war, liegt im Osten unseres Kreises, abseits jeder größeren Verkehrsstraße. Um nach diesem Ort zu gelangen, müssen die Bewohner des nördlichen Kreisteiles über Blumberg bezw. Ahrensfelde, die im Süden und Osten wohnenden die Straße Neuenhagen-Hönow benutzen. Nur eine Chaussee, die eine Verbindung zwischen der Berlin-Werneuchener Heerstraße, der alten Königschaussee, und der Berlin-Altlandsberger Straße herstellt, berührt den Ort. Diese schon im Mittelalter bestehende Straße hat nie eine wichtige Bedeutung erlangt. Der nördliche Teil der fruchtbaren Mehrower Feldmark wird von der neuen Reichsautobahn, die sich noch im Bau befindet, durchschnitten.

Das stille Mehrow mit seiner ausgedehnten Feldmark bildet noch heute einen rein ländlichen Bezirk; irgend eine Siedlungstätigkeit, wie wir sie in den umliegenden Ortschaften antreffen, hat hier noch nicht eingesetzt.

Nähert man sich dem kleinen Dorf mit seinen 300 Einwohnern, so gewahrt man nördlich des umfangreichen Gutsgehöfts eine ausgedehnte Parkanlage mit der Größe von 42 Morgen. Schon färben sich die Laubbäume dieses Parks; golden sinken die Blätter zur Erde und künden mit ihren prächtigen Farben den nahenden Herbst. Am Anfang dieses Jahrhunderts hatte der damalige Gutsherr von Mehrow den Park mit großen Kosten angelegt. Für später plante der Besitzer in dem Park mit seinen Teichen und silbernen Wasserläufen die Erbauung eines Schlosses. Doch kurz vor dem Kriege raffte der Tod den unermüdlichen, von hohem Erfindergeist beseelten Manne dahin, und aus dem Plan des Schloßbaues wurde nichts.

Heute nun freilich sieht es in diesen „Parkanlagen“ nicht sonderlich gut aus. Viehkoppeln bedecken die weiten Rasenflächen; auf den Wegen wuchert das Gras, und das Buschwerk verwildert. Nur in der Nähe des alten Dorfteiches bietet der Park mit seinen Trauerweiden ein schönes Bild.

Rechts auf einer Anhöhe thront die kleine Feldsteinkirche mit Turm und dem Gottesacker. Vor uns liegt der Gutshof mit dem Gutshause und den ausgedehnten Wirtschaftsgebäuden, und linker Hand ziehen sich dem Dorfteich gegenüber die Wohnhäuser der Gutsarbeiter entlang, denen sich die Wohnstätten der übrigen Eingesessenen anschließen. Etliche Bauernhöfe und die Schule, westlich der Kirche liegend, vervollständigen das Dorfbild von Mehrow.

Urkundlich wird Mehrow, das man in alten Schriften auch Mere, Mhere und Mernn nennt, das erstemal am 21. Mai 1327 erwähnt. Der Ort ist somit einer der ältesten in unserem Kreise, wenn man von dem Lehninschen Klosterbesitz und den Ortschaften Blumberg, Börnicke, Ruhlsdorf, Groß-Schönbeck und Metzdorf absieht. In der vorerwähnten Urkunde verleiht Markgraf Ludwig der Aeltere an Reinicke v. Zehlendorf „Hebungen aus dem Dorfe Mere“, die zu dem Burglehn Alberts v. Schneitlingen gehörten. „Reynekin dicto de celendorp ... quinque talentorum redditus situs in villa mere“, heißt es wörtlich an einer Stelle dieser lateinischen Urkunde. Also: Fünf Talente Abgaben (1 Talent - Pfund - gleich 20 Schilling oder 1 Wispel Roggen oder Gerste oder 16 Scheffel Weizen usw. Eine jede dieser Mengen hieß 1 Frustrum oder Stück und war dem anderen an Wert gleich).

Reinicke v. Zehlendorf entstammt einem märkischen Adelsgeschlecht, das einstmals auf Zehlendorf (Teltow) ansässig war. „Alwerich de Snytlinge“, wie der v. Schneitlingen in der Urkunde genannt wird, besaß das Burglehn Spandau, das schon um 1250 bestand. Er selbst wird als „Burgmann“ bezeichnet. Als solcher tritt er 1271 das erstemal in Urkunden auf und wird dann später des öfteren erwähnt. Die Schneitlinge saßen auf der Burg Schneitlingen bei Aschersleben im Magdeburgischen. Das Original dieser ältesten Urkunde trägt den Ausstellungsort reppin (Ruppin) und lagert im Geheimen Hof- und Hausarchiv zu Wien.

Die nächste Urkunde über Mehrow - ebenfalls lateinisch - ist am 3. Januar 1344 vom Markgrafen Ludwig dem Aelteren erlassen. In derselben „vereignet“ der Fürst an Tyle Brugge aus Berlin vier Hufen im Dorfe Mehrow für einen innerhalb der Parochie der Stadt Berlin zu errichtenden Altar. „Tyle brucghe sex frusta annuorum”, heißt es in dem Schreiben. Dieser Tyle Brugge war ein angesehener Berliner Bürger, der am 25 Juli 1345 die Berliner Stadtgerichte mit der Münze pachtete und später sehr reich wurde. In alten Schriften wird er als ein „redlicher Münzmeister und unbestechlicher Richter“ bezeichnet. Sein Haus lag in der media platea = Mittelstraße in Berlin. Sein Sohn war in den letzten Tagen des falschen Waldemars ein mutiger und tatkräftiger Vertreter der wittelsbachischen Sache in Berlin.

Am 19. Februar 1346 datiert eine weitere lateinische Urkunde des Probstes Gerwinus zu Bernau, in der dieser die Stiftung des Katharinenaltars für die Pfarrkirche zu Bernau genehmigt, wozu „tria frusta in villa Mhere“ als Abgaben kommen. Der Altar der heiligen Katharina wurde, soweit Mittel vorhanden, von den Kalandsbrüdern unterhalten. Schon 1345 hatte der Margraf Ludwig der Aeltere den Altar beschenkt, zu dem 1347 noch die Abgaben eines Hofes in Kaulsdorf kamen.

Ueber die Besitzverhältnisse in Mehrow nach dieser Zeit gibt uns das karolinische Landbuch vom Jahre 1375 Auskunft. Es sagt: „Mere hat 52 Hufen, wovon 4 dem Pfarrer und eine der Kirche gehören. Der Schulze - nach späteren Nachrichten besaß er 4 Hufen - gibt ein Talent (für das Lehnpferd). Die übrigen Hufen geben Pacht, Zins und Bede. Es sind 5 Kossäten vorhanden, wovon 2 der Kirche und 3 dem (Gutsherrn) Johannis v. Wyningen zinsen müssen. Der Krug gibt 6 Schillinge und 1 Huhn. - Von diesen Abgaben erhob: einer namens Palmdach den Zins von 14 Hufen; ein Altar (der schon erwähnte Katharinenaltar zu Bernau) 3 Talente vom Zinse und v. Wyningen die Bede. Dieser hatte auch das Gericht und den Wagendienst.“ Palmdach hatte übrigens auch Abgaben aus Börnicke und Großschönebeck.

Mehrow kam später in den Besitz eines Rathenows aus Berlin. Unterm 11. Januar 1431 genehmigte der Markgraf Johann, daß der Bürger Siegmund Rathenow zu Kölln mehrere Besitzungen zu Mehrow verpfänden darf. „Wir Johannes von gots gnaden marggraff zu Brandenburg etc.“ - so beginnt die Urkunde – „Bekennen, daß vnser lieber getrewer (getreuer) Sigmund Rathenow, purger (Bürger) zu Coln, für vns kommen ist vnd vns fleissiglichen gebeten hat, jm (ihm) zu gönnen vnd zu uolborten (bevollmächtigen), daß er vor seiner anligenden nod (Not) wegen hansen bruck vnd herman Rodensee, purger zu Salzwedel, disse hirnachgeschrieben guter, ierlich (jährliche) czinse vnd rente, mit namen in dem Dorff zu Mere alles das, was der gnant (genannte) Sigmund jn (in) demselben dorff von vns zu lehn hat, mit dem halben gerichte, uberste vnd niderste, vnd mit dem kirchlehn für czweighundert schog (Schock) und achczig schog uerkauffen muge“. Dieser Verkauf bezog sich auch auf die Dörfer Buckow, Lichterfelde und Schöneberg auf dem Teltow sowie auf Kaulsdorf und Wendisch Buch (Buch) im Niedern Barnim.

Der oben erwähnte Markgraf Johann, der Sohn des ersten Kurfürsten von Brandenburg, vertrat seinen Vater des öfteren in Regierungssachen. Daher finden wir seinen Name, obwohl der Vater noch am Leben war, in der obigen Urkunde. Die Rathenows gehörten ebenso wie die Brügges zu den angesehensten Berliner Bürgern. Sie bekleideten zeitweise das Amt eines Oldermanns (Bürgermeister).

1438 beleiht Markgraf Friedrich, der spätere Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn, den Hansen, Sigmund, Albrecht und Paul Rathenow, Vettern, mit Besitzungen und Gerechtsamen in Mehrow, darunter mit vierundzwanzig Stück Geldes, mit dem Kirchlehn, diensten, oberstes und niederstes Gericht, Zehnt und Rauchhühnern. Diese Beleihung muß nur vorübergehend gewesen sein, denn im Schoßkataster vom Jahre 1450 steht folgendes verzeichnet: „Mere jst (ist) myns hern (des Kurfürsten). Uff (Auf) der feltmarck seyen LII (52) huben, dauon (davon) hat der pfarrer IIII, das gotshus I. Dy andern syn busatz (besetzt), gibt iglich (jede) V schfl. roggen, V schfl. habern (Hafer), VIII gr.; IIII Cosseten geben zusammen XLIX gr., II huner (Hühner). Alles gerechnet vff (auf) XXIIII stück. VI gr. geben II schock VIII gr.“

Ein Jahr vorher, am 18. Mai 1449 „beleibdingte“ der Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn die Gattin des Jakob Heidecken mit Lehnstücken in Mehrow. Die sehr ausführliche Urkunde, die uns einen beachtenswerten Einblick in die damaligen Mehrower Besitzverhältnisse gewährt, lautet nach der üblichen Einleitung folgendermaßen: „... daß wir von befundener gunst vnd gnaden wegen vnserem lieben getrewen (getreuen) Jacob Heidecke vnd Katharinen seiner elichen huffrouwen (ehelichen Hausfrau), solch guter (Güter), die jm (ihm) Hans Rathenow met volwort vnd wissenschafft Segemunds vnd Pauels, seines Vetters vnd Bruders, zu einem widerkouff verkouft had, nemlich twe wispel roggen, twe wispel hauern (Hafer) vnd III schog gr. (Groschen) an guten Berlinischen pfenningen, ye (je) acht pf. für iclichen (jeden) gr., jerliche Rente jn (in) deme dorffe Mere, uf deme Barnym gelegen, vnd uf diße nachgeschriebene houe (Höfe) vnd hufen. Zum ersten uf olde Berlins hof vmd drittehalb hufe dritzendehalben scheffel roggen, dritzenhendhalben scheffel hauern (Hafer), an gelde actzehn gr. vnd sechs pfenninge; vf das godeshuß (Gotteshaus) halbe hufe drittehalben scheffel roggen, drittehalben scheffel hauern, dvie gr. VI. pf; vf Mittelpforten hof III hufen, XV scheffel roggen, XV scheffel hauern vnd XXIII gr., vnd uf seinen kossetenhoff III gr. vnd VI. pf.: vf Blankenborger hof vnd II hufen X scheffel roggen, VIII scheffel hauern vnd XV gr.; uff Claus Jegers hoff vnd III hufen XXIII gr.; uf Lindemans hof vnd II hufen XV gr.; vf den krug (Krug) vnd II Hufen XV gr: uf olde Jegers hof vnd III hufen XXIII gr.; uf deme gerichte (Lehnschulzenhof) vnd II hufen XV gr.; vf Vogelscorps kossetenhof X gr.; uf Hans Herdens hof XVIII pf. Darzu das halbe ourste vnd nyderste gerichte, halben tegit (Tag) dienst, Rochhuner vnd das halbe Kirchlehn zu einem rechten Liepgedinge gelihen haben. Gebin zum Berlin am Mittwoch nach dem Sonntag, als man in der heiligen kirchen singet vocem Jocunditatis.“

Überdies hatte der Kurfürst schon 1433 der Katharine Heideke in Schöneiche einen von ihrem Manne verkauften Hof zum Leibgedinge verliehen. Außerdem kamen im Jahre 1449 in Schöneiche noch Abgaben von 20 Hufen für das Leibgedinge der Ebengenannten hinzu. Der Kurfürst hatte dieser Frau ein überaus reichliches Altenteil verschrieben, mit dem es sich schon leben ließ. Die „armen leutte“ (Bauern) wurden schon damals gehörig ausgenutzt. Kamen sie ihren Verpflichtungen nicht nach, dann wurden sie von Haus und Hof gejagt; denn ihnen gehörte eben nichts.

Eine weitere Urkunde des Kurfürsten Friedrich II. Eisenzahn vom 25. Januar 1458 belehnt zu Kölln den Berliner Bürger Heinrich Krewitz mit dem Gericht in Mehrow. Das Schreiben lautet: „... das wir vnnsern lieben getrewen hinrich krewitz, Bürger zu Berlin gelyhen haben das gerichte zu Mere, dor ettwen (da einst) Jorg Borsewitz vf gesessen hat vnd itzunt Clawes (Klaus) kratz bewonet, myt funf huffen, die zinsen ierlichen (jährlich) XXV schfl. roggen, XXV schfl. habern (Hafer) vnd XXV schilling pfennige, den zehenden (Zehnten), ein rokhun vnd sust (sonst) mit allem rechte, doch vnschedlich (unschädlich) dem lipgedinge, dem gnanten Borsewitz von vns getan vnd gelegen, das soll hyrinne gantz abgesundert vnd myt dissen obgeschrieben lehn, zinsen vnd gutern gar nichts zu tun haben usw.“ Wir ersehen aus vorstehendem, daß das früher festgesetzte Leibgedinge für die Ehefrau des Jacob Heidecke von obiger Beleihung nicht berührt wird. rokhun = Rauchhühner nannte man die Hühner, die von jeder Rauch- oder Feuerstelle abgegeben wurden.

Zwei Jahre später, am 22. April 1460, belehnt derselbe Kurfürst den Claus Wins zu Berlin mit dem Angefälle des Borsewitzschen Leibgedinges in Mehrow: „... das wir Clawsen Wynsen, Burger zu Berlin zu einem rechten Angefälle und Manlehn gelihen haben alle solchen guter, Jerlich zinß vnd Rente, die Jorg Borsewitz vnd sein elich haußfrawen jm dorff zu Mere zu leipgedinge gehabt, auch noch haben, die der gnante Claws Winß von dem wirdigen vnserm Secretarien lieben getrewen Mysters Sigmunde v. Rotenburg erflichen (erblichen) gekauft hat, dem wir die zu Angefelle geliehen hatten.“

Übrigens kauft später Claus Wins von Borsewitz dessen Gesamtbesitzungen, vor allem den um 1454 durch diesen erworbenen („ausgekauften", nannte man es damals) Lehnschulzenhof, worauf er auch vom Kurfürsten damit belehnt wurde.

Am 12. April belehnt der Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn einen Heintz Howeck außer mit Schöneiche und Mahlsdorf auch mit dem „halben dorff zu Mere, mit dem halben kirchlehn, obersten vnd nidersten gerichten, straßenrechten, mit der halben Fischerey vf den Sehen (Seen, Krummensee und die Steinhöfel), die helft der huner (Rauchhühner), den halben zehenden (Zehnten) vnd sust (sonst) mit Zinsen vnd Renten an getreide vnd an gelde etc.“

Zwei Neubelehnungen durch den „Kurfürsten Albrecht“ an Heintz Howeck mit Mehrow einschließlich Schöneiche und Mahlsdorf finden am 11. November 1471 und am gleichen Tage auch 1472 statt. Es handelt sich hierbei wiederum um „das halbe dorff zu mere mit dem halbenn kirchlehenn, obersten und nidersten gerichtenn vnd strassenrecht, mit der halben vischerey Auf den seen. die helft der huner, den halben zehenden vnd sunst mit zinsen vnd renten an getreid vnd gelde, nach laut der briue (Lehnbriefe) Jm (ihm) von vnserm lieben bruder seligenn darüber gegebenen, die das furter und clerlicher Inne haltenen, Sunderlich die brede lands zwischenn vnnser hohen kopenischen (Cöpenicker) heide und der malsterdorffischen (Mahlsdorfer) greintz (Grenze) in seinen vier greintz gelegenn, Jm (ihm) vnd seinen lehnserbenn die helfft vnd peter pletz auch die andere helfft usw.“ Der Küchenmeister Peter Pletz hatte also die andere Hälfte von Mahlsdorf. wer um diese Zeit in Mehrow die andere Hälfte besaß, ist aus den alten Urkunden nicht ersichtlich. Es ist aber anzunehmen, daß Claus Wins, der später wieder mit Beleihungen in Mehrow auftritt, auch noch den andern Teil des Dorfes inne hatte.

Nach Fidicin „Geschichte des Kreises Niederbarnim“, sollen beide Anteile des Dorfes bald nachher an die Familie von Britzke zu Britz im Teltow gekommen sein, die den Besitz bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts behauptete. In ihren Lehnbriefe ist jedoch stets vermerkt, daß die Dienste der Bauern nicht ihnen, sondern dem Kurfürsten gehörten. In der Hauptsache waren die v. Britzkes im Teltow reich begütert; aber auch in unserm Kreise besaßen sie außer Mehrow noch einige Dörfer.

Aus den „Belehnungen Berliner Bürger vom Jahre 1472“, unter dem Kurfürsten Albrecht Achilles entnehmen wir, daß Claus Wins mit „Mernn und Wesendahl“ (Oberbarnim) beliehen wird. Es heißt in der betreffenden Urkunde, die am „Sampstag nach purificationis Mariae“ (Mariä Reinigung) ausgestellt ist: „Item im dorff zu Mernn vf Daus Engels hou (hof) vnd VI huben XX schfl. rocken, XX schfl. habern vnd XV gr. (Groschen); Item vf claus Jegers houe VII huben XXIII schfl. rocken, XXIII schfl. habern XXVII gr. II den (2 Denare-Pfennig); Symon Willicken houe IV huben XII schfl. rocken XII schfl. habern XV gr.; kopernick houe IV huben XX schfl. rocken XX schfl. habern XV gr.; Schonenfelt krugers (Krüger, Gastwirt) IV huben, XX schfl. rocken; item kratz gibt von V huben XXV schfl. rocken, XXV schfl. habern und XXXVII gr.; Merten Jegers, des Schulten, VII huben, dar sind vier frey vnd gehoren zu dem gericht, vnd gibt von den andern dreyen huben XV schfl. rocken, XV schfl. habern vnd helt ein lehenpferd, angeschlagen für 1 schock; Caspar Meermann IV huben, X schfl. rocken; Munchberg VI huben, XV schfl. vnd XXVI gr., die nymbt heinrich Howeck. Item der Burkhartin houe gibt II gr. vnd II huner; item das halb kirchlehen. In dem obgenannten dorff, facit (Schlußsumme) I schock; item das halbe oberst vnd niderst gericht doselbst, facit I schock; item den halben zehenden daselbst, angeslagen für VI gr.; item die halben rauchhun; item II wispel haberns. In dem genanten dorff zu Mernn, die er von Niclas glogaw, Vogt zu Spandau, erkaufft hat. Actum Cöln an der Sprew usw.“

Claus Wins entstammte einem alten Berliner Patriziergeschlecht, dessen Haupt einstmals die beiden Ratsherren Niklas und Thomas Wins gewesen waren, die mit den Quitzows im Streit lagen. Bei dem Kampfe mit diesen Raubgesellen an der Tegeler Mühle am 3. September 1410 fiel Niklas Wins den Quitzows als Gefangener in die Hände. Im Gefängnis auf der Burg Bötzow (Oranienburg) mußte Wins lange Zeit schmachten.

In den Lehnsregistern des Kurfürsten Joachim I. Nestor aus den Jahren 1500-1536 ist wieder von einem Wins die Rede. „... Jacob Winse hat Otto Britzke verkauft das dorff Meren“, so stehet verzeichnet, „das soll man Otten vnd seinen leibes lehns erben leihen vnd Achim, Ebell, Heinrichen, Hannsen, Georgen vnd Heinen seinen vettern, damit gesameln vsserhalb (außerhalb) eines Wispel vnd XVIII scheffel roggen vnd souill (soviel) Habern, so Jacob von den Hubecken (Hobeck) gekauft hat, domit soll man sein vettern nicht versameln, vorbehalten der herschaft den dinst (Relator Georg Flans, Marschalk).“ Demnach hatte Jacob Wins Mehrow bis Anfang des 16. Jahrhunderts in Besitz. Von nun an scheinen die v. Britzkes alleinige Besitzer dieses Dorfes mit den Hebungen zu sein, mit Ausnahme der kleinen Getreideabgabe, die Wins weiter bezog.

Bis zum Jahre 1617 findet sich gar keine Spur von einem Rittersitz oder ritterfreien Hufen in Mehrow vor. Erst das Schoßkataster vom Jahre 1624, jenes dünne Aktenstück, das wohlverwahrt im Geheimen Staatsarchiv in Dahlem ruht und das für unseren Kreis betitelt ist „Schoß-Catastrum des Niederbarnymschen Kreyses de anno 1624“, erwähnt, das Alexander v. Britzke einen Bauernhof mit vier Hufen ausgekauft und freigewilligt bekommen habe. Nach Eickstedt soll eine andere Nachricht besagen, dies habe Heine v. Britzke getan. Außer diesem Bauernhof war der v. Britzke auch Besitzer des Lehnschulzenhofes, den schon i. J. 1454 Georg Borsewitz oder Borßellitz ausgekauft und dem Bürger Heinrich Krewitz zu Berlin veräußert hatte, von diesem aber später an die v. Britzkes im Kauf abgetreten wurde. Nach diesem „Auskauf“ verblieben noch 43 Pachthufen im Besitze von 9 Bauern, neben denen im Jahre 1624 drei Kossäten, 1 Laufschmied und 1 Hirte bestanden. An Einwohnern waren damals in Mehrow 92 vorhanden. Von nun an befand sich ein Rittergut im Ort, das vorläufig nur wenige Hufen Landes besaß. Nach Fidicin sollen es um 1650 nur die obigen vier Hufen gewesen sein, die die v. Britzkes in Mehrow besaßen. Diese Angabe scheint auf einem Irrtum zu beruhen, da zum neuen Rittersitz auch noch die sieben Hufen des Lehnschulzenhofes gekommen waren. In neuerer Zeit ist dann das Rittergut durch den weiteren Aufkauf von Bauerngütern bedeutend vergrößert worden. Übrigens gehörten den v. Britzkes in dem Dorfe Seeberg bei Altlandsberg acht freie Hufen. Bis zum Jahre 1716 blieb Mehrow bei dem ebengenannten Adelsgeschlecht. Dann wurde im gleichen Jahre der Kammerdiener Thomas Streit mit dem Besitz belehnt. Nach Streits Tode ging das Gut auf den Schwiegersohn des Verstorbenen, den Hofrat Philipp Franz Laging, über, und im Jahre 1726 erbte die Witwe desselben das Rittergut. 1750 war Amtsrat Jeckel Besitzer, der Mehrow im Jahre 1764 an den Kriegskommissar Lehr für 26000 Taler verkaufte. 1773 erwarben das Rittergut die Kriegsrat Olandschen Eheleute, die es 1782 an die Oberhofmeisterin Oranie Louise v. Keith, geb. Freiin v. Knüpphausen veräußerten. Nachdem kam der Kammerherr Freiherr v. Keith in den Besitz des schon ziemlich stark vergrößerten Rittergutes, von dem es um 1816 der Gutsbesitzer Luther erwarb. Das Besitztum rechnete von nun an zu den landtagsfähigen Rittergütern. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts besaß Martin Heyse das Gut, der das Vorwerk Trappenfelde erbaute. Nach seinem 1883 erfolgte Tode kam es zur Versteigerung des großen Besitzes, in dessen Verlauf (Juni 1884) die Ritterschaftsbank als die Meistbietende hervorging, das Rittergut zugeschlagen bekam und es bis 1900 besaß. Tüchtige Gutsinspektoren verwalteten dasselbe, bis es im ebengenannten Jahre der Fabrikant Robert Stock kaufte. Stock ist rühmlichst bekannt geworden durch seine Erfindungen auf maschinellem und technischem Gebiet. Er ist u. a. Erfinder des Spiralbohrers, der Verbesserer des Fernsprechers usw. In Berlin, Zeughausstraße und in der Köpenicker Straße, hatte er Fabriken. In letzterer wurden in der die Bohrer hergestellt. Dann legte sich Stock auf die Anfertigung von Motorpflügen, die praktisch auf der Mehrower Feldmark erprobt wurden. In Breslau gründete er eine Zweigstelle. Kurz vor dem Kriege starb der begabte Mann in Treptow, wodurch so manche Pläne von weittragender Bedeutung nicht mehr zur Ausführung kamen, darunter auch ein Schloßbau in dem von ihm angelegten Park zu Mehrow. Die Erben wurden die beiden Töchter. Unter Stock kam im Jahre 1911 noch eine Mehrower Bauernwirtschaft (Müller) in der Größe von 134 Morgen zum Gute. Dieses Gehöft dient heute dem Bürgermeister und Gutsverwalter, Johann Voß, als Wohnung.

Das kleine Feldsteinkirchlein aus dem 13. Jahrhundert ist in den langen Jahren seines Bestehens nur wenig verändert worden. Das Gotteshaus macht den Eindruck einer Gutskirche. Die Kirche wird in der Seelsorge von Ahrensfelde aus verwaltet; früher gehörte sie zu Blumberg. Ausführliches über dies immerhin bemerkenswerte Gebäude nebst seiner Geschichte werden wir in einem späteren Aufsatz bringen. Zugleich erfolgt dann auch eine Schilderung des Werdegangs der Schule.

Das heutige Gutsgebäude ist nicht mehr so, wie es einstmals Rittergutsbesitzer Luther in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbaut hatte. Größere bauliche Veränderungen an diesem Gebäude, das in den Ring der übrigen Gutsgebäude, wie Stallungen, Scheune und Brennerei, eingefügt war, hatte schon Heyse vorgenommen. Unter Stock fanden dann nochmals Umbauten an dem Gutshause statt. Seit dieser Zeit ist nichts mehr verändert worden. Heute zeigt sich dies Gebäude als ein zweistöckiger Bau mit einem von vielen schmalen Fenstern durchsetzten Trempel und ziemlich flachem Dach. Rückwärts eine größere massive Veranda, mit anschließendem kleinen Garten, hinter dem der hochgelegene Kirchhof mit der alten Feldsteinkirche aufragt.

Die Gutsfeldmark, vor 300 Jahren nur aus 4 Hufen = 240 Morgen bestehend, hat zurzeit ein Größe von 3200 Morgen. Diese außerordentlich große Zunahme an Acker ist lediglich auf den Erwerb einiger ehemaliger Bauern- und Kossätenwirtschaften zurückzuführen. Der letzte Ankauf eines Bauernhofes fand 1911 statt. Im übrigen befinden sich heute in Mehrow nur noch drei Bauern- und eine Kossätenwirtschaft. Auf der Feldmark entspringen einige Quellen, deren Wasser sich in die Wühle ergießen; u. a. entwässert auch der Dorfteich in diesen Bach.

Der ehemalige alte Krug, bereits 1375 erwähnt, stand auf der Stelle, auf der sich heute die Gastwirtschaft der Frau Meißner befindet.

An Einwohnern hatte Mehrow im Jahre 1624 9 Bauern, 3 Kossäten, 2 andere Personen, zusammen 92 Personen. Nach Bratring waren 1805 im Orte vorhanden 5 Ganzbauern, 1 Ganzkossät, 3 Einlieger, 1 Schmied (Laufschmied) und 1 Krug mit zusammen 11 Einwohnern. Außer 43 Hufen Acker gab es noch 50 Morgen „Holz“. 1856 waren nur noch 4 Bauern, kein Kossät und 58 andere Personen, die sämtlich in 26 Wohnhäusern wohnten, bei einer Einwohnerzahl von 246 Personen im Orte. Heute beträgt die Zahl der Einwohner 310.

Im Jahre 1787 wird das erstemal ein Schulhalter namens Friedrich Wilde erwähnt. Ob schon damals eine Schule bestand, ist nicht zu ermitteln. 1793 wird die Küsterei zu Ahrensfelde gelegt und von dort verwaltet. Eine Trennung von Ahrensfelde erfolgte im Jahre 1811. Weil der alte Friedrich Wilde des Orgelspiels unkundig war, versah der Hilfslehrer Gustav Dormack von Ahrensfelde aus den Dienst. Er hielt abwechselnd drei Tage in Eiche und drei Tage in Mehrow Schule. 1851 wurde Hermann Schröder für Mehrow als Lehrer angestellt. Er wohnte in Falkenberg bei seinen Eltern. Im folgenden Jahre bezog er das Schulhaus in Mehrow, das sich auf dem Kirchhof befand, aus Fachwerk mit Lehm erbaut war, und nur eine Stube und eine Kellerkammer enthielt. Auf Veranlassung des Schulrats wurde im Jahre 1859 ein neues Schulhaus erbaut, das heute noch benutzt wird und das durch seine großen Räume allgemein auffällt. Schröder bezog sein neues Heim 1860. Den fünfviertel Morgen großen Schulgarten trat der damalige Patron, Rittergutsbesitzer Heyse, gegen den alten Plan ab. Nach reichlich 50jähriger Dienstzeit verstarb Lehrer Schröder am 16. Juli 1902. Er ruht auf dem Mehrower Kirchhof. Vom 1. Januar 1903 bis zum 1. April 1927 amtierten Lehrer Weier und von 1927 bis Dezember 1929 Lehrer Köppe in Mehrow. Heute hat dieses Amt Lehrer Grensing inne.

Wie man aus den Schilderungen über Mehrow ersieht, kann auch der kleinste Ort seine umfangreiche Geschichte haben. Selten stießen wir im Geheimen Staatsarchiv auf eine derartige Fülle alter Urkunden über ein Dorf, wie es bei Mehrow der Fall war. Und was im Archiv nicht zu finden war - fast immer ist es die neuere Geschichte - das wurde mündlich durch Mehrower Einwohner berichtet.