Wohl jedem hier im Ort, die Neu-Mehrower mal ausgenommen, ist diese Dame bekannt: Rund 20 Jahre war sie Lehrerin an unserer Dorfschule und fast alle der jetzt 40- bis 60-Jährigen dürfte bei ihr "die Schulbank gedrückt" haben. Darüber hinaus war sie viele Jahre Mitglied der Gemeindevertretung und Sekretär des Rates der Gemeinde und hat die Geschicke der Gemeinde mit beeinflußt.

Frau Lindholz wurde am 4. Dezember 1912 als Tochter eines Forstarbeiters in Mariendorf im Posener Gebiet (jetzt Polen) geboren.
In Suschen, wo sie ihre erste Stelle als Lehrerin hatte, lernte sie ihren Ehemann kennen, der seinerzeit Direktor der dortigen Schule war. Während andere in solcher Position froh waren, vom Kriegsdienst verschont zu bleiben, hat dieser sich freiwillig gemeldet, wie ihre Kinder jetzt mit reichlicher Enttäuschung erzählen.

Die Folgen blieben nicht aus - der Vater fiel im Krieg und Frau Lindholz stand mit 6 Kindern allein da und mußte mit diesen aus der Heimat fliehen.


Nicht nur ihre Kinder, sondern auch viele hier im Ort, mit denen wir über sie gesprochen haben, zollen ihr große Anerkennung dafür, daß sie, obwohl selbst ununterbrochen berufstätig, ihre Kinder allein durchgebracht und zu ordentlichen Menschen mit guten Berufen gemacht hat.

Hier sind die Orgelpfeifen zu sehen (v.l.n.r.):
  • Heinz (geboren 1937)
  • Konrad (geboren 1938)
  • Ekkehard (geboren 1940)
  • Traude (geboren 1941)
  • Ingeborg (geboren 1943)
  • Reinhilde (geboren 1944)

Wie die beiden Ältesten schmunzelnd erzählen, haben sich die Eltern keine großen Pausen gegönnt ...
Das Bild entstand in Wensickendorf, wohin sie die Flucht zunächst geführt hat und wo sie von 1946 bis 1949 als Lehrerin tätig war. Im August 1949 wurde sie dann nach Mehrow versetzt, da der hiesige Lehrer, Otto Tarrach, aus Altersgründen ausschied.

Frau Lindholz zog mit ihren Kindern in das seinerzeit noch einstöckige Schule, in der die linke Hälfte Klassenraum und die andere Hälfte eine Lehrerwohnung mit 4 Zimmern und Küche war. Wasser und Klo gab's auf dem Hof. Einziger Luxus war ein Garten vor dem Haus, von dessen Birnbaum in der Mitte Heinz und Konrad jetzt noch schwärmen.

Ende der 40er Jahre wurden in Mehrow noch 4 Klassen zusammen unterrichtet und sogen. Mehrstufenunterricht durchgeführt. Insgesamt wurden 20...24 Kinder unterrichtet.
Später waren es dann drei Klassen, wie dem Protokoll der Volksvertretersitzung vom 5.9.1963 entnehmen ist:

"Die Schulleiterin Kollgn. Lindholz gab einen kurzen Überblick über das letzte Schuljahr 1962/63. Es wurden im Durchschnitt 27 Kinder in den Klassen 1-3 unterrichtet. Planrückstände entstanden nicht. Aus der Klasse I-III, kamen 8 Kinder in die polit. [!] Oberschule Ahrensfelde. Aus der II. Klasse kamen 8 Kinder in die III. Aus der I. in die II. Klasse kamen 10 und 6 Schüler wurden eingeschult. ... In den großen Ferien wurden die Ferienspiele durchgeführt. Der Durchgang dauerte 10 Tage und 24 Kinder nahmen daran teil. Die Kinder fanden Erholung und Entspannung in dem Spiele und kleinere Wanderungen durchgeführt wurden. Ein Besuch im Tierpark sowie eine Fahrt zum Pionierpark, Wuhlheide brachte große Begeisterung. Ausserdem wurde noch ein kleines Sportfest veranstaltet, die Schüler, die gute Leistungen vollbrachten wurden prämiert. Den Abschluß bildete ein Fackelzug."

Die angesprochenen Ferienspiele müssen sich allgemeiner Beliebtheit erfreut haben, denn schon Jahre zuvor hieß es im Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 19.6.1958:

"Zu Punkt 3 [Ferienaktion] gab uns die Kollegin Lindholz einen aufschlussreichen Bericht über die Feriengestaltung und was mit den unteren Klassen in dieser Zeit durchgeführt wird. Von allen Volksvertretern wurde anerkannt, dass unsere Jüngsten unter solcher guten Anleitung die Ferientage freudig verleben können."



Ingrid Ellsel kann uns auf diesem Bild wenigstens noch die Mehrzahl der Mädchen benennen, von links nach rechts: Elfi Bernhard, Reinhilde Lindholz, Helga Bree, Hannelore Schulz, Renate Binder, Ingrid und Lydia Ellsel, ..., ..., Doris Prötzsch, Nelli Harnisch

Und auch Krankheit kann sie in ihrem Engagement nur vorübergehend einschränken, wie man im Protokoll der Ratssitzung vom 2.7.1964 lesen kann:

"... berichtete Kollgn. Lindholz, daß trotz ihrer längeren Krankheit, der Lehrplan eingehalten und zu 100% erfüllt wurde. Der Leistungsstand der einzelnen Klassen ist zufriedenstellend, Sitzenbleiber sind nicht zu verzeichnen. Die örtlichen Ferienspiele beginnen am 7.7.64 es findet ein Durchgang statt. Des weiteren betonte sie, daß überwiegend Spiele und kleinere Wanderungen in unsere Umgebung durchgeführt werden. Eine Tagesfahrt zur Wuhlheide und zum Tierpark ist geplant. Hierbei sollen die Kinder gleichzeitig das Verhalten auf der Straße sowie im öffentlichen Verkehrsmitteln kennenlernen. Den Abschluß soll, wie in allen Jahren, ein kleines Sportfest bilden."

Im Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 27.1.66 taucht dann schon ihr Sohn Konrad als Kollege auf, der inzwischen auch Lehrer ist und an der POS (Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule) in Ahrensfelde unterrichtet.
An ihn hat sie mittlerweile auch die 3. Klasse "verloren", so daß nunmehr nur noch zwei Klassen in Mehrow zu unterrichten sind:

"Kollgn. Lindholz gab in ihren Ausführungen einen kurzen Einblick über die Arbeit der Schule, des Hortes und über die Zusammenarbeit mit der Zentralschule Ahrensfelde. Sie brachte zum Ausdruck, daß sie zur Zeit 2 Klassen, mit einer Stärke von 15 Kindern unterrichtet. Hiervon entfallen auf die 1. Klasse 10, auf die 2. Klasse 5 Schüler. Des weiteren ging sie auf den präzisierten Lehrplan ein und betonte, daß sie in allen unterrichtenden Fächern, bis auf Körpererziehung auf dem laufenden ist. Dieses ist auf die gute Zusammenarbeit mit dem Hort und den Eltern zurückzuführen. In den Unterrichtsfächern Körpererziehung ist im Winter die Möglichkeit nicht gegeben, die im Lehrplan verlangten Übungen durchzuführen, da ein geeigneter Raum fehlt. Ähnlich ist es im Sommer, da wir im Ort keine Turnwiese haben. Sie betonte weiter, daß die Kinder aus Trappenfelde einen weiten Schulweg haben, der im Winter durch Witterungseinflüsse besonders erschwert wird und das Fehlen der Kinder oftmals darauf zurückzuführen ist. Dies wirkt sich nachteilig auf das Fortkommen einiger Schüler im Unterricht aus. Weiter bemerkte sie, daß die Schuluntersuchungen regelmäßig durchgeführt werden. Ein gutes Ergebnis war bei der letzten Vorschuluntersuchung im Monat Januar zu vezeichnen. In den weiteren Ausführungen wies Kollgn. Lindholz au die Volkskontrolle durch die ABI im August 1965 hin, bei welcher folgende Mängel festgestellt wurden.: 1. Dach umdecken 2. Giebelriß beseitigen 3. Bereitstellung eines Fahrradschuppens Von diesen 3 Beanstandungen konnte 1 im Jahr 1965 realisiert werden. Die anderen beiden sind im Maßnahmeplan für die Instandsetzung 1966 aufgenommen. Des weiteren stellte sich heraus, daß dringend eine Aschengrube benötigt wird. Hier wurde von Seiten des Rates die Zusage gemacht, daß Selbige nach Beendigung des Frostes zu erstellen ist. Koll. Fritzsche dankte Kollgn. Lindholz für ihre Ausführungen und erteilte dem Koll. Lindholz (Vertreter der Schule Ahrensfelde) das Wort. Koll. L. ging auf die 45 Stundenwoche ein, betonte, daß diese in der Schule noch nicht durchzuführen ist, da die Kinder den Lehrstoff in 5 Tagen nicht aufnehmen können."

Bald danach wird der Mehrstufenunterricht abgeschafft und in Mehrow und Eiche jeweils nur noch eine Klasse unterrichtet: in Mehrow die 1. Klasse und in Eiche die 2. Klasse.
Ab der 3. Klasse gehen alle Schüler nach Ahrensfelde in die Schule.

Ab 1970 wird dann komplett in Ahrensfelde unterrichtet und Frau Lindholz, die noch zwei Jahre bis zur Rente zu absolvieren hatte, verbringt diese an der dortigen Schule.

Hildegard Tarrach, die Tochter von Frau Lindholz' Vorgänger an der Mehrower Schule, hat uns nebenstehendes Bild von einer Sylvesterfeier im Hause Lindholz geschickt.

Von links nach rechts sind darauf zu sehen: Traude Lindholz (vorn), Hildegard Tarrach (hinten), Erna Melcher, Konrad Lindholz, Gertrud Lindholz, Horst Brauer, Heinz Lindholz, Reinhilde Lindholz, Dagmar Melcher, Willi Melcher.
Frau Lindholz ist 1987 im Alter von 75 Jahren gestorben und wurde auf dem neuen Mehrower Friedhof beigesetzt. Ein schlichter Stein schmückt dort ihr Grab.

Ihr Sohn Konrad, der in Ahrensfelde unterrichtet hat und ein sehr beliebter Lehrer war, ist zwischenzeitlich berentet und wohnt in Ahrensfelde. Sein Bruder Heinz, verheiratet mit einer Mehrowerin, genießt sein Rentnerdasein in Eiche.