Wo Menschen zusammen treffen, entsteht automatisch Durst. Und wo Durst ist, gibt es bald auch eine Gaststätte oder Kneipe oder einen Krug, wie man das früher nannte.
("Und das ist auch gut so!" wie man heute in Berlin sagt ...).

Der Durst in Mehrow ist jedenfalls schon so alt wie die Geschichtsschreibung: Spätestens 1375, als Karl der IV sein Landbuch anlegen ließ, gab es in Mehrow schon einen Krug, denn im Landbuch ist vermerkt: 

"Der Krug gibt 6 Schillinge und 1 Huhn".

Wo sich damals dieser Krug befand, ist nicht ganz sicher, aber es ist anzunehmen, daß das schon an der Stelle war, wo in einer um 1900 gefertigten Karte "Schmiede und Krug" eingezeichnet sind: In der Straße "Hinter dem Dorfteich", gleich dort, wo sie vom Krummenseer Weg abzweigt.

Meßtischblatt Preußische Landesaufnahme 1901

Was jetzt das "Gasthaus Mehrow" ist, war bis zum Ende des letzten Krieges Gutshaus oder auch "Schloß" genannt - da gab's nichts zu trinken für jederman.
Und das was jetzt "Alte Schmiede" heißt, war nie eine Gaststsätte, sondern stammt aus dem Jahre 1938, als die letzte Gutsbesitzerin, Frau Anna Bothe (die jüngere Tochter von Robert Stock), das Rittergut verkauft hat und die sich erste Runde Neubauern ihre Häuser baute.

Ehemaliges Wirtshaus 'Bolle' mit angrenzender Schmiede Das Haus hinterm Dorfteich, das nun ein schmuckes Wohnhaus ist, war bis in die 50er Jahre eine Gaststätte - und zwar nicht irgend eine, sondern "Bolle".
Danach ist das Haus dann ziemlich verfallen, bis es einer der "neuen" Neubauern kaufte, sicherte und mit seiner Familie bezog. Vor wenigen Jahren haben es dann die Kinder zu einem ansehnlichen Eigenheim aus- und umgebaut.

Daß die angrenzenden Backsteinbauten mal die Schmiede darstellten, kann man sich ganz gut vorstellen. Aber auch am Haus erkennt man noch die Vergangenheit: Wenn man genau hinsieht, dann findet man neben dem Eingang große Kellerluken, die für Kohlen etwas groß bemessen wären, aber für ein feines Faß genau richtig dimensioniert sind...

Und warum hieß der Krug nun eigentlich "Bolle" ? Ganz einfach: Weil in den zwanziger Jahren der Besitzer "Bolle" hieß und sich dieser Name so eingeprägt hat, daß man die Kneipe auch noch "Bolle" nannte, als der gleichnamige Besitzer längst tot war und seine Tochter Olga zusammen mit ihrem Ehemann Herrmann Meißner die Wirtschaft führte. Letzterer hatte außerdem auch den Krämerladen in der damaligen Dorfstraße 8, der später dann Konsum wurde.

Zur Unterscheidung von all den anderen Meißners im Dorf (mit denen gar nicht verwandt war) nannte man ihn einfach "Bolle Meißner".
Er stammte übrigens aus Niemegk und hat als Kaufmannsgehilfe hier eingeheiratet.
Herrmann und Olga Meißner sowie Olgas Schwester Ida Bolle (die lange bei den beiden im Haus und später im Haus mit dem Krämerladen gewohnt hat) sind Ende der 50er / Anfang der 60er ziemlich schnell hintereinander gestorben und zusammen auf dem alten Fiedhof an der Kirche beigesetzt.

Der "richtige Bolle", d.h. Bolle Meißners Schwiegervater, der gelernter Schmied war und tatsächlich nicht nur den Krug, sondern auch die dazu gehörige Schmiede betrieben hat, ist schon vor 1930 gestorben.
Grabstein von Herrmann und Olga Meißner auf dem alten Mehrower Friedhof

"Bolle" war seinerzeit ein so feststehender Begriff, daß niemand sagte, "Ich gehe hinter dem Dorfteich lang", sondern es hieß nur "Ick jeh bei Bollen 'rum", wie Frau Wendtlandt zu berichten weiß. Sie erzählt auch, daß ihr Bruder, seinerzeit ein fanatischer Radfahrer, stets beim Treffen des Turnvereins im "Blauen Salon" von Bolle dabei war. (Wo der "Blaue Salon" seinen Namen her hat, kann man nur spekulieren, denn blau gestrichen war er wohl nicht...)
Wie Hans Prötzsch berichtet, wurde bei "Bolle" wirklich richtig geturnt, z.B. am Barren, und bei schlechtem Wetter zog man einach in den Saal.

Der Mehrower Turnverein, Ende der zwanziger Jahre Das Bild links aus den zwanziger Jahren zeigt den Mehrower Turnverein vor der Gaststätte Bolle.
Leider ist dies da einzige Bild, auf dem noch was von der Gaststätte und dem Wirt zu sehen ist: Der Mann hinten rechts mit der Fliege ist Herrmann "Bolle" Meißner.
In der ersten Reihe vor der Vereinsfahne sitzt der Vorsitzende des Turnvereins, Herr Schwarz.

Aber nicht nur der Turnverein hatte seinen Treffpunkt bei Bolle, sondern auch der Kriegerverein, ein Verein von Veteranen aus dem ersten Weltkrieg. Für den gab's bei "Bolle" auf dem Hof sogar einen Schießstand und wie man erzählt, in einem der Wälder um Mehrow noch einen zweiten für schwereres "Geschütz". Der schon mehrfach erwähnte August Müller war übrigens Kassierer des Kriegervereins.

Vom Kriegerverein haben wir leider kein Bild, aber eins von der Mehrower Jagdgenossenschaft, wo wohl viele der "Krieger" gleichzeitig Mitglied waren.

Es wurde bei einer Treibjagd auf den Feldern um Ahrensfelde zu Weihnachten 1930 aufgenommen.
Die Mehrower Jagdgenossenschaft, Weihnachten 1930

Mehrower Feuerwehrmann, Mitte der dreißiger Jahre
Hans Prötzsch, der seit der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr 1934 dabei ist und dessen Vater, August Müller, lange Zeit Wehrführer war, weiß auch zu berichten, daß sich die Kameraden der Feuerwehr jeden Sonntag Vormittag gegenüber Bolle vor dem Schuppen mit der Feuerspritze zur Übung trafen. Ein gut gewählter Platz, denn danach hatte man es nicht weit zum obligatorischen Stiefeltrinken ...

Auch damals waren schon Feuerlöschen und Durstlöschen sehr eng verwandte Tätigkeiten.

Was der Mehrower Feuerwehrmann links auf dem Bild (aufgenommen Mitte der 30er Jahre) tatsächlich im Kanister auf dem Rücken hat, ist leider nicht überliefert ...

Die Bilder vom Turnverein, von der Jagdgenossenschaft und von der Feuerwehr hat uns freundlicherweise Hans Prötzsch zur Verfügung gestellt.