Der Jahreswechsel 2002/2003
von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde

Der Vormittag des Silvestertages 2002 lädt ein zu einem Rundgang um unser Dorf Ahrensfelde. Der strahlend blaue Himmel und die tief stehende Wintersonne geben dem kalten Morgen die Frische des Aufbruches. Minus 4 Grad Celsius habe ich am Haus abgelesen, sicher ist es draußen im frischen Wind noch kälter.

Von der Schillerstraße aus gehe ich der Sonne entgegen durch die Goethe- und Herderstraße Richtung Ulmenallee. Einige Meisen lassen ihren Ruf erklingen, von ferne höre ich das Martinshorn der Feuerwehr, der wenige Schnee knirscht unter den Füßen. Ein Hubschrauber knattert fern in der Luft, aber die Stille in der Siedlung wird kaum unterbrochen. In meine Nase steigt der altbekannte Geruch von Ofenfeuer, Holz- und Kohlerauch, aber die wenigsten heizen noch so.

Die Herderstraße ist nun fast fertiggestellt, von der Goethestraße aus gesehen sind noch einige Bauplätze frei, aber es rundet sich ab und irgendwann werden wir dann auch ungehindert diese Gesamtachse nicht nur mit dem Fahrrad benutzen können. Das hofft man ja auch für die Ulmenallee, dass der begonnene Abwasserbau dann im neuen Jahr 2003 fertiggestellt wird. Und noch einmal mehr für die Lindenberger Strasse, dass sie bald zwischen Bahngleis und Dorfstraße fertig wird.

Einige Tauben fliegen über mich hin und die nächsten Meisen lärmen in einer Gartenhecke der Ulmenallee. Dann stehe ich vor dem Bahndamm und überlege, wie ich ins „Kleine Ahrensfelder Dreieck“ komme. Die Bahn hat ja zur Sicherheit einen Zaun aufgestellt. Na ja, ich bin angekommen und stapfe durch die Bauminsel auf das freie Feld. Letzte Vegetationsreste zeigen die nun zu Ende gegangene Nutzung als Kornfeld, der größte Teil des Mutterbodens ist schon abgeschoben, mit der Erschließung wurde sichtbar begonnen. Ja, zwei oder gar drei ganz Mutige haben schon die Bodenplatten für ihr Einfamilienhaus gießen lassen. Seien sie und alle anderen Neubürger uns dann in Ahrensfelde willkommen. Mit Ihnen werden wir die amtlich festgestellte Anzahl von 4.364 Einwohnern dann bestimmt um über 300 Menschen überschreiten – schaffen wir gar die 5.000er Grenze ?

Etwas ungemütlicher ist mir hier der Wind „Am Ährenfeld“ und „“Am Roggenschlag“ (so heißen hier die neuen Straßen) geworden, so dass ich versuche am „Kutschersteig“ den zugefrorenen Graben zu überwinden, was an einer Stelle auch gelingt. Übrigens der Kesselbrunnen im Kutschersteig hatte tatsächlich Wasser.

Nun wird es von der Dorfstrasse her lauter und lauter von dem unablässigen Autoverkehr. Ein LKW ist an seiner Front dick vereist. Auch auf dem Parkplatz des REWE-Marktes geht es lebhaft zu. Die angepriesenen Pfannkuchen und den heißen Glühwein suche ich aber vergeblich; vielleicht war ich auch zu früh da – macht nichts – diese Werbung ging eben an mir vorbei. Rückblickend sehe ich den schmucken roten Doppeltriebwagen der Deutschen Bahn nach Berlin fahren, eines der letzten Male im Jahr 2002. Und ein „innerer Rückblick“ erzählt mir angesichts einiger unserer erhalten gebliebenen bäuerlichen Hof-Grundstücke an der Dorfstraße so manche Geschichte von backsteinroten Scheunen und Stallungen...

Geht man zur Hohenwalder und Döllner Straße hoch, liegt die Jauert´sche Siedlung (Block D) linker Hand und Marzahn rechter Hand. Ich will wieder in die Stille und das gelingt auf der Döllner Straße. So schaue ich nach Eiche hinüber: Eigentlich sind wir gute Nachbarn, wenn uns auch die Meinung zur Variante 1 der Umgehungsstrasse trennt.

„Unsere“ Wuhle fließt munter vor sich hin, trotz der Kälte keine Spur von Eis. Gerümpel sehe ich auch weniger, das Wasser ist klar. Sie speist sich ja hier auch aus dem Feuchtgebiet an der Chaussee nach Eiche sowie aus den Wiesen von der ehemaligen Gärtnerei Wollermann her und fernerhin aus dem oben erwähnten Graben, der vom „Hasenwinkel“ kommt. Also vor dem Zusammenfluss direkt hinter den Dorfstraßengrundstücken ist die eigentliche Wuhle, wie sie vom Sonnenwinkel her kommt, dann doch eher ein Rinnsal.

Hier weht der Wind kräftiger, die vielen Krähen auf dem Feldweg frieren genau so wie ich. Ich strebe die große Eiche an und freue mich über einige sehr ordentliche Gärten, die hier am Wiesenrand liegen, hier wird kaum jemand entlang kommen. Ein Nachbar erntet gerade den frostigen Rosenkohl und ich stelle mir vor, wie gut er nachher schmecken wird.

Die Mehrower Straße ist bis zur Dorfstraße hin wieder laut, viele fahren noch zum Kaufpark Eiche wegen letzter Einkäufe. „Unser“ Storchennest ist gut auf dem Schornstein zu sehen, hoffentlich kommen sie wirklich wieder. Und ab geht es in den Schleifweg. Die beiden Ponys bekommen ihre Streicheleinheiten. Ich wandere dem Horizont entgegen. Ab dem Hollunderbusch kann man dann die vier Kirchtürme sehen: Gerade-voraus den Blumberger, rechts neben der Mühle den Mehrower, zwischen den kahlen Bäumen rückwärts den Eicher und natürlich den Ahrensfelder in der Achse des Weges. In Richtung Lindenberg sehe ich wenigstens den Sendemast. Und weit hinten, Richtung Ost, ahnt man hinter der Autobahn noch Trappenfelde, eben in die Richtung, wo sich die fünf plus eins Windräder am Horizont drehen. So weit wird ab dem Herbst 2003 also Ahrensfelde reichen, wenn die Mehrower dann kommunal mit zu uns gehören – auch hier ein Willkommen und der Wunsch eines immerwährenden guten Miteinanders der Ahrensfelder mit (den Ortsteilen) Mehrow und Trappenfelde.

Hier, am höchsten Punkt der Landschaft, mitten in den vereisten Feldern, hört man den Verkehrslärm der B 158 bei Ostwind gar nicht, man sieht nur die Kette der Automobile. Man sieht ja auch die grau-weißen Häuserwände von Marzahn und Hohenschönhausen hier nur als Hintergrund-Kulisse unseres Dorfes. Die Ahrensfelder „Rehwiese“ liegt im Gegenlicht und die tief stehende Wintersonne malt ein weit ausgreifendes Drei-Schichten-Bild von der Landschaft: Oben der weite blaue Himmel, als schmaler mittlerer Trennstrich die Häuserzeile von Ahrensfelde und als breite sichere Basis die Felder.

Näher betrachtet ist es östlich der ab hier neu angepflanzten Allee nach Mehrow hinüber eine weite Senke mit einzelnen Baumgruppen (Weiden) in den Feldern, darin eingebettet Feuchtgebiete. Geradezu, nun nicht mehr im Horizont, sondern zum Greifen nahe, die Häuser von Blumberg. In der Mulde des frei liegenden Teiches ist es fast windstill. Er ist dick zugefroren und dem Kindheitsvergnügen, quer über das Eis zu gehen gebe ich gerne und doch vorsichtig nach.

Indem ich wieder die Höhe auf den Feldern erreiche, bietet die Landschaft nun im Gegenlicht ein wunderbares Schwarz-Weiß-Bild. Ob es der Habicht über mir auch so sieht ?

Unten am Waldesrand des Rehhahnes ist es ganz still. Die Sonne wärmt hier gut, es geht auch ohne Handschuhe. Zwei gegenläufige Fußspuren verraten einen weiteren Wanderer, der wohl den gleichen Weg hin und zurück machte. Sonst nichts als Stille.

An der Straße am Walde nehme ich unser Ortsschild „Ahrensfelde, Landkreis Barnim“ ganz bewusst wahr: Wie verschieden wir es doch erleben, heim zu kommen, sei es hier, sei es von Berlin aus am S-Bahnhof oder an der Heinestraße, sei es von Mehrow und Eiche aus, sei es von Neulindenberg oder von Lindenberg aus oder (ganz versteckt durch das Naturschutzgebiet) von Falkenberg aus.

Die Schwarzdrossel, die einige Meter im Wald vor mir herhüpft, geht eher ihrer Futtersuche nach. Wieder weg von der B 158 wird es stiller. Ich höre wieder den Schnee knirschen, zwei Hunde begleiten mich im Grundstück mit aufmerksamen Augen. Das Pärchen weit vor mir haben sie verbellt, ich bin ihnen weniger interessant.

Am Heideweg sehe ich den Abwasserbau. Nun sind sie fast fertig mit diesen Aufgaben in Ahrensfelde, aus Chronistensicht eine relativ kurze Zeit in der dies alles vonstatten ging.

Eigentlich hätte ich mir jetzt wieder den schmucken roten Doppeltriebwagen der Deutschen Bahn am Übergang zum Bundesgrenzschutz gewünscht, aber alles kann man nicht haben. Dafür bestaune ich anstelle der Betonmauer der Stasi den ober-akkuraten Zaun mit Beleuchtung und innerem Patrouillenweg des Bundesgrenzschutzes. Die uniformierte BGS-Beamtin muss wohl auf ihrem Weg mit ihrem Kollegen auch nicht allzu vielen Menschen begegnen, denn wir schauen uns an und grüßen uns spontan durch den Zaun. Da fallen einem dann doch die alten Geschichten ein, wie wir 1990 mit unserem heutigen Bürgermeister mit Kindern und Mitbürgern zum Stasi-Kommandanten gezogen sind und Information und Öffnung begehrten.

Ich folge nicht mehr dem Wegweiser nach Neulindenberg, sondern gehe nach links in den Wald. Erstmal schaut mich ein Fernseher an. Zum Glück war es der einzige. Sicher nicht als „Kunst im Walde“ gemeint, keimt einen Moment Ärger auf und der unfromme Wunsch nach schlimmsten Strafen für die Müllmacher. Aber eine kräftige ¤uro-Buße tut es vielleicht auch, wenn man sie erwischt.

Versöhnt werde ich durch das braun-goldene Licht im Wald und den leichten Geruch von moderndem Holz und Waldboden. Der Boden ist an einer Stelle aufgewühlt, das mögen Wildschweine gewesen sein. Und ein wenig wie im Urwald geht es ja auch zu. Umgestürzte Bäume und nachwachsendes Unterholz versperren den freien Durchgang.

Längs des Weges am Graben scheint die volle Sonne. Da kommt von weitem auch das Pärchen und noch ein paar Leute sind hier unterwegs. Ich aber will hinüber zur Höhe der Straße nach Neu-Lindenberg. Das geht nur quer durch den Wald und dann entlang des Feldraines. Das Reh dort mitten im Feld lässt sich nicht stören, der unter dem Schnee liegende Raps bietet wohl gutes Futter.

Hier auf der Höhe sehe ich nun auch den Kirchturm von Lindenberg – hallo Nachbarn ! Aber da will ich jetzt nicht hin, sondern Richtung Märchenwald (seit unsere Kinder ihn vor ca. 30 Jahren so nannten, heißt er immer noch so in den Stadtplänen). Links noch der industrielle Erdwall und auf der Straße die Jogger, mit denen ich lachenden Gruß tausche, auch mit der guten Bekannten, die ihrem Haus entgegenrennt. Im Block B liegt Mittagsstille. Etwas wandermüde gehe ich durchs Gartentor: Ich habe fast ganz Ahrensfelde umlaufen. Das „Innere“ kenne ich von der Alltäglichkeit her ganz gut – die Außensicht zeigte etwas Schönes : Bleib so Ahrensfelde !

Paul Plume, Ortschronist Ahrensfelde


Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde, zur Verfügung gestellt.
Weitere Jahresrückblicke von ihm finden Sie hier:
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