Bei unseren Recherchen im Niederbarnimer Kreisblatt sind wir im Jahrgang 1927 überraschend auf folgenden Artikel gestoßen:

Mehrow. Ein Leuchtmast, der den Fliegern, die Mehrow passieren, zur Orientierung dienen soll, wurde am Montag aufgestellt. Solange haben sich die Flieger bei Dunkelheit nach dem roten Licht, das an der Mühle angebracht war, gerichtet.


Artikel aus dem Niederbarnimer Kreisblatt vom 13. Mai 1927, gefunden im Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek

Wo mag denn damals solch ein Mast hier gestanden haben ?
Da liegt nichts näher, als Herrn Friedrich Wilhelm Voß, den Sohn unseres letzten Vorkriegsbürgermeisters, zu befragen, der seine Jugend hier verlebt hat und sich noch sehr gut an viele Einzelheiten erinnert. Und prompt konnte er das Rätsel auflösen:

Ich glaube, ich schrieb schon einmal, dass wir im Winter wahrscheinlich im Januar 1929 in Müllershof eingezogen. Seitdem kenne ich den Leuchtmast. Ich weiß nicht das Datum genau. Aber es muß etwa 1925 gewesen sein, dass eine regelmäßige Fluglinie für Personen und Fracht, vor allem Post, zwischen Berlin-Tempelhof und Stettin eingerichtet wurde. Die Flugzeuge mußten sich nach Bodenpunkten orientieren, da es noch keinen Blindflug gab. Das Postflugzeug flog täglich am späten Abend - etwa 22 Uhr - über Mehrow. Für dieses Nachtflugzeug benötigte man also eine Leuchtfeuerstrecke. Ein Teil davon war das Leuchtfeuer in Mehrow.

Ob vor dem Mast ein Feuer auf der Mühle stand, weiß ich nicht. Die Mühle ist etwa 10 bis 12 Meter hoch. Der Mast war meiner Erinnerung nach etwa 20 Meter hoch. Er stand auf Meißners Grundstück zwischen dessen Gehöft und der Straßenecke gegenüber den Silos des Gutes, verhältnismäßig dicht am Bauernhof. Das lag sicher daran, dass man dort an das Elektrizitätsnetz kam. Der Mast war ein Stahlgittermast, wie er auch für Überlandhochspannungsleitungen verwendet wurde. Die Grundfläche betrug etwa 1,5 m im Quadrat und verjüngte sich nach oben etwas. Oben war eine kleine Plattform auf der die rote Blinklampe leuchtete. Sie war bis unmittelbar vor Kriegsbeginn in Betrieb. Nach dem Krieg wurde sie entbehrlich.

Natürlich haben wir uns an der beschriebenen Stelle sofort auf die Suche gemacht, aber an der beschriebenen Stelle - zwischen Dorfstr. 1 (ehemalige LPG-Baracke und jetzt Sitz der Firma Rahlf) und der Dorfstr. 2 (ehemals Meißners Hof), also links auf dem nebenstehenden Bild, war nichts mehr zu finden, was nach dem Fundament eines solches Mastes aussieht.

Vermutlich wurde das Fundament spätestens herausgerissen, als die Zufahrt zur Broilerfarm der LPG (später Getränkehandel "BELI" und jetzt nur noch Schandfleck) gebaut wurde.

Herr Voß hat uns daraufhin aber noch mit nachfolgender Notiz den Ausschnitt eines altes Meßtischblattes geschickt, auf dem es aber bei der vorliegenden Auflösung leider schwer fällt, den Mast auch nur zu erahnen:

Bei dieser Karte handelt es sich um eine Karte des Vermessungamtes, die herausgegeben ist im Jahre 1942. Aufgenommen wurde sie bereits vor dem Kriege.


Am Ausgang Richtung Ahrensfelde und Eiche genüber der Kiche sehen Sie zwei kleine Quadrate. Das sind Müllershof und und Meißnershof. Neben dem letzteren ist noch ein kleineres Viereck mit einem Punkt darin. Dies mußte der Leuchtturm gewesen sein.

Um etwas über die erwähnte Nachtfluglinie zu erfahren, haben wir uns im Internet umgeschaut:

Der in Mehrow aufgestellte Mast könnte nach den Beschreibungen von Herrn Voß etwa so ausgesehen haben, wie der links auf dem Bild sichtbare Mast einer Luftpolizeistation (um 1927), allerdings ohne das aufgesetzte Windrichtungs-Flugzeug.
Das Bild und einen interessanten, mehrteiligen Beitrag über die Geschichte der Flugsicherung haben wir auf der Webseite einer Reservistenkameradschaft der Bundeswehr (RKMobAFSBw) gefunden.
Autor des Beitrags ist Hauptfeldwebel Dieter Alt vom Amt für Flugsicherung der Bundeswehr.
Das Bild entstammt nach Angaben des Autors der Quelle
Deutscher Luftfahrtverband
Ins Reich der Lüfte, Einführung in die Luftfahrt
Voigtländer Verlag, Leipzig 1927

Im Beitrag von Dieter Alt findet sich folgende Auskunft über die Leuchtfeuer auf den Nachtflugstrecken der Deutschen Lufthansa:

Die ersten Flughafenfunkstellen wurden 1924 durch das Reichsverkehrsministerium auf den Flugplätzen Hamburg, Berlin - Tempelhof, München - Schleißheim und Königsberg - Hardershof errichtet. Im gleichen Jahr wurde der Luftverkehr bereits durch den Flugwetterdienst des Deutschen Wetterdienstes meteorologisch abgesichert. Der Funkverkehr der Flugfunkstellen beschränkte sich überwiegend auf Wetter- und sonstige Meldungen. Dies ermöglichte den Flugleitern der Flugplätze nur eine grobe Orientierung über die Standorte der Flugzeuge und gestattete eine dürftige Information über den Flugverlauf. Die ersten in dieser Zeit eingerichteten Nachtflugstrecken wurden durch Leuchtfeuer, die Bahnstrecken und Wasserläufen folgten, abgesichert. Der Betrieb dieser Anlagen erfolgte durch die "Signaldienst für Luftverkehr GmbH".
Quelle: http://home.t-online.de/home/g40231/fsg1.htm

In der Online-Galerie "Airline Timetable Images" von Björn Larsson & David Zekria haben wir dann auch noch Titelseiten der Lufthansa-Flugpläne aus dieser Zeit (1927/28) gefunden.

Bei Larsson&Zekria findet sich auch ein Flugplan der Junkers Luftverkehr AG (aus der die Deutsche Lufthansa hervorgegangen ist) aus dem Jahre 1925, in dem es noch heißt, dass die Aufnahme des Verkehrs Berlin-Stettin noch bekanntgegeben wird.

Quelle: http://www.timetableimages.com/ttimages/dlh.htm
bzw. .../junk25i3.htm

Ein paar interessante Details aus einem Flugplan der Deutschen Lufthansa von 1929 einschließlich Streckennetz haben wir auf einer Webseite von P.M.Chuang gefunden.
Daraus lassen sich folgende Flugverbindungen der Deutschen Lufthansa über unser Gebiet hinweg ablesen.

Berlin - Stettin (Ausschnitt rechts):
9.50 Uhr Berlin >>> 10.50 Uhr Stettin
12.20 Uhr Berlin >>> 13.20 Uhr Stettin
13.15 Uhr Stettin >>> 14.15 Uhr Berlin
16.50 Uhr Stettin >>> 17.50 Uhr Berlin


Berlin - Danzig
9.00 Uhr Danzig >>> 12.00 Uhr Berlin
14.15 Uhr Berlin >>> 17.15 Uhr Danzig

Berlin - Königsberg
17.30 Uhr Königsberg >>> 22.00 Uhr Berlin (über Danzig)
23.00 Uhr Berlin >>> 3.45 Uhr Königsberg



Quelle: http://thepenster.com/pmc/air/flugplan/lh/lhtt19290521/index.html

In den zwischenzeitlich vergangenen Jahrzehnten hat sich da natürlich einiges geändert.
Wie wir im Beitrag "Luftverkehr" bereits berichteten, hat man 1938 im "Kalender des Kreises Niederbarnim" stolz verkündet, dass täglich 15 (1) Flugzeuge den Barnim überfliegen:

Doch nicht nur die von Berlin abgehenden Flugzeuge, sondern auch diejenigen, die aus dem Ausland oder aus anderen deutschen Städten hier ankommen, berühren unseren Kreis, so daß
täglich etwa 15 Flugzeuge bei uns vorüberfliegen. ...

Heute macht sich wohl keiner mehr die Mühe, die Flugzeuge zu zählen, die unseren Ort oder gar den gesamten Kreis überfliegen. Die Flugzeuge, die beim Anflug auf Tegel oder beim Abflug von dort über Mehrow ihre Schleifen ziehen, rufen auch nicht gerade Begeisterung hervor - außer man sitzt d'rin und genießt den Blick auf unser Dorf. Beliebter sind da schon die höher fliegenden Maschinen, die keinen Krach hinterlassen, aber mitunter solche Figuren im Himmel, wie nebenstehende, aufgenommen in Mehrow im Mai 2003.

Na, und gelegentlich verirrt sich ja auch mal ein Flieger ins nahe gelegenen Werneuchen, wie die Crossair-Saab, die im Juli 2002 bei Sturm dort notlandete und dann überwintern mußte, weil offenbar keiner das nur leicht beschädigte Flugzeug haben wollte.