Der 31.12.2013 – Silvester – im Ortsteil Ahrensfelde
Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde.

Es ist wieder so weit: Um 9:00 trete ich vor die Haustür und schnuppere das Wetter. Wir haben Null Grad Celsius, die Dächer sind weiß und ein frischer Morgen beginnt. Von Ferne höre ich die ersten Böller, Nachbars Katze (ich meine die schwarz-weiße, weil wir auch eine graue haben!) springt durch den Garten. In diesem Jahr riechen die abziehenden Böller-Rauchschwaden nach Kunststoff … Am blau-grauen Himmel (Zirruswolken) kommen die Flugzeuge nach Tegel rein.

Übrigens, wir hatten sehr milde Tage im Dezember – weiße Weihnachten fand nur auf den Kalenderblättern statt und unsere letzte Rose blühte noch bis zum heiligen Abend, die Himmelsschlüsselchen haben einfach weiter geblüht, mal sehen wie sie dem noch nicht statt gefundenen Winter weiter stand halten. Immerhin: Autoscheiben kratzen mussten wir schon.

Wie gesagt, es gibt weiße Dächer und nur dort, wo die Mauerköpfe nicht gedämmt sind oder Dämmlücken in der Dachhaut bestehen, sind die Ziegel feucht-naturfarben.

Von der Lindenberger Straße her höre ich Autos rauschen und wende mich dem Dorfzentrum zu. Auf den Birken unserer Kindertagesstätte sitzen zwei Elstern und zwei Amseln huschen durch das Gebüsch. Ein Nachbar winkt herüber und ein Radfahrer bringt frische Brötchen heim. Vor mir auf dem Fußweg liegen immer noch die letzten Reste des Höhenfeuerwerkes vom Ahrensfelder Weihnachtsmarkt - statt Engel am Himmel also Raketen und Böller, passt das besser zum Jahreswechsel? Aber mir wolle ja nicht miesepetrig sein: Man gönnt sich ja sonst nichts!

Vor mir das neue Bürgerhaus: Super! Wir hatten ein wenig länger warten müssen, bis es fertig war (da hatten wohl einige Firmen Probleme mit sich selber), aber dann haben wir es gleitend in Besitz genommen mit Faschingsfeier und noch einer Feier und so weiter. Und jetzt zum Jahresende denkt man, es hätte schon immer dort gestanden. Das ist wohl ein Indiz für die intensive Nutzung, wenn „alle schnell heimisch wurden“. Ich selber erinnere mich an die muntere „Kinder- und Jugend-Konferenz“ unserer fünf Ortsteile am 19. September im Saal, die fröhliche Zusammenarbeit dazu mit den AWO-Jugend-Koordinatorinnen und anderen Ehrenamtlichen, die Gespräche mit der Senioren-Beratung der Lobethaler Diakonie, an die Eröffnung der Bibliothek nach deren Umzug aus dem Haus des „alten“ Kindergartens und an die Zusammenkünfte der Siedlergemeinschaft. Aber auch den Gästen der Kirchengemeinde aus Caibarièn in Kuba haben wir voller Freude das nagelneue Haus zeigen können – die haben gestaunt, was so eine post-sozialistische Kommune sich und ihren Bürgern bieten kann, weit über den freundlichen Händedruck des Alcalden (Bürgermeisters) Herrn Gehrke hinaus!

Gefeiert haben wir dort auch das 10-jährige Jubiläum des Zwangszusammenschlusses zur „Gemeinde Ahrensfelde“, nun bestehend aus den 5 Ortsteilen. Es war trotz aller Bedenken eine Erfolgsgeschichte. Nach den rasanten Investitionsjahren kommen jetzt die Jahre der vernünftigen Bestandspflege, sagte Bürgermeister Gehrke. Zugleich zeichnete er verdiente Bürger für ihr Ehrenamt aus. Von „uns“ war es Klaus Kieper für seine hingebungsvolle Arbeit an der Kindereisenbahn der Kirchengemeinde. Das hat schon vielen viel Freude gebracht!

Auf dem Parkplatz vor der Kita steht das Polizeiauto und im Polizei-Büro des Rathauses brennt Licht. Wir kommen mit den Beamten gut zurecht; das wünschen wir aber den Einbrechern in unsere Häuser nun gleich gar nicht. Immer wieder erschreckten uns Meldungen und Nachbar-Berichte von Einbrüchen und man wünscht sich sehr, dass das mal wieder aufhört. Jawohl: Aufhört und nicht „zurück geht oder auf ein Minimum begrenzt wird“, einfach aufhört!

Aufhören muss auch die Schnapsflaschen-Wegwerf-Trasse vor unserem Kindergarten. Da ist jemand irgendwie krank, der immer wieder seine Flachmänner genau dort hin schmeißt. Und dann splittern sie auch noch und das immer wieder. Hat der Mensch ‘was gegen kleine Kinder? Will er auf sich aufmerksam machen? Will er die jungen Eltern provozieren? Vielleicht spricht er mich mal an, ich würde zuhören, aber mit dem Ziel, dass dort keine Flaschen mehr landen und allen geholfen würde!

Ein Nachbar mit Hund strebt wieder seinem Hause zu. Schon höre ich das nächste Flugzeug.

In den Sträuchern vor unserem Rathaus liegen Glitzer-Pailletten von einer Hochzeit. Immer wieder bleiben Passanten stehen und freuen sich über das Glück und den Optimismus der Brautpaare und geben dann gerne Raum vor dem Rathaus in dem das Ja-Wort gegeben wird.

Ich laufe genau der Sonne entgegen, sie lugt knapp über die Dachfirste von Eiche her herüber. Die Uhr an der Sparkasse zeigt 9:15 und ich gehe schnell ein paar Schritte weiter, um dies mit der Kirchturmuhr zu vergleichen: Exakt stimmt die himmlische Zeit überein, sicher weil beide jetzt über Funk ihre Impulse bekommen.

Und im wunderbar korrekten Deutsch (wir lieben es, uns so auszudrücken) lese ich das Schild „Ortsteilzentrum“ mit den Unterbegriffen „Veranstaltungssaal“, „Büro Ortsvorsteher“ , „Seniorenbegegnungsstätte“, „Tagespflege“, „Bibliothek“. Man müsste mal eine Anwen­dungs­statistik machen. Lieber Leser: „Wann und wie häufig haben Sie das letzte Mal die Worte ‚Ortsteilzentrum‘ usw. in den Mund genommen?“ Ich wette, man hat öfter „Lufthansa“ gesagt, obwohl das Wort auf dem Flugzeug da oben von hier aus nicht lesbar ist.

Beim Blumenladen trete ich ein, um ein Gutes Neues Jahr zu wünschen. Dann treffe ich die Pfarrerin, Frau Sieder, und wir verabreden, dass wir noch ein paar Tomaten und Gurken zum abendlich/nächtlichen Treff mit unseren katholischen Nachbarn und denen von der Christus­gemeinde mitbringen. Nach dem Glockenläuten um 12:00/0.00 Uhr wollen wir noch für das Jahr 2013 in der Kirche danken und für das Wohlergehen unserer Nachbarn im Jahr 2014 bitten (Sie wissen schon: Die von den Kirchen beten immer!). Gesagt - getan.

Das Wohlergehen auf der Dorfstraße ist eher ein Wohlfahren, denn unaufhörlich rauschen die Autos aus Berlin kommend an mir vorbei. Während ich in Vorjahren immer in den Siedlungen die Flugzeuge hörte, höre ich nur die Automobile, von den Flugzeugen sehe ich hier nur die Kondensstreifen am Himmel.

Mein Weg führt mich auf der Südseite, also gegenüber dem Dorfplatz, wo früher die alte Gastwirtschaft von Wilhelm Hase, 1904, stand (letztes Schlusenbier getrunken mit Frau Bürgermeisterin Ilsegret Lange nach dem Arbeitseinsatz gegen die Sturmschäden vom Herbst 1978 – waren wir besoffen!) und heute der Autoplatz ist. Hier hat man mit der Südsonne einen guten Foto-Blick auf die Nordseite der Dorfstraße: Eine Taube fliegt durch die Baumkronen des Dorfplatzes, die Kirchengemeinde hat einen neuen Schaukasten und einen neuen Grundstückszaun. Die Wiese an der Wuhle ist noch abgezäunt, aber in 2014 ist dann der dort angelegte „Wuhlewanderweg“ zur Fasanenstraße hin freigegeben und man erreicht den geplanten Kinderspielplatz dort hinten dann ganz gut. Mal sehen, wie sich das alles entwickelt.

Jedenfalls führt die Wuhle einiges Wasser und das nächste Haus da drüben (Nr. 55) bekommt eine Dämmfassade. Auf meiner Seite ist Detlefs Trödelscheune in dem ehemaligen HO-Industriewaren-Laden, wo Frau Thode Verkaufsstellenleiterin war, eingerichtet. Da geht mancher schon mal gerne stöbern. Thodes wohnten gleich gegenüber (Nr. 50) im Dachgeschoss unter sehr einfachen Bedingungen. Er war ein klassischer BEWAG-Ingenieur: „Wir alleine wissen, wie Berlin-Elektrisch gehen kann und muss – Niemand sonst, auch nicht die DDR!“ Ob das heute bei Vattenfall noch so ist? Als sie Rentner wurden, sind sie weg gegangen.

Derweil stinkelt und bröckselt ein 601er Trabi vorbei und jemand hupt aus dem Audi: Kaira sah uns beim Plaudern stehen mit dem Nachbarn, der hier im Sonnenwinkel ein Haus gekauft hatte, sein Sohn, der beim Notar „damals 1995 “ noch ein Mini-Mensch war, studiert jetzt Bio-Technologie! Bei Auto-Wolf kann man immer ein Fahrzeug mieten, besonders die Kleinbusse sind interessant, wenn man sie nicht vom „Sport“ geliehen bekommt. So waren wir mit den beiden Kubanern (der dritte, der Jüngste, ist auf der Reise nach Europa in Richtung Madrid „abhanden“ gekommen) im Brandenburgischen unterwegs. Aber hier lebt und arbeitet auch die Tochter der ehemaligen Bürgermeisters, Herrn Gohr, dessen Erinnerungen an die Zeit um 1945 ich verwahre. Auf meiner Seite ist die Bäckerei (Nr. 28) offen und man sieht, wie jede Menge Pfannkuchen verkauft werden.

Ach ja, Bürgermeister: Gegenüber, wo heute die Freifläche vor der neuen Feuerwache des Ortsteiles liegt, stand früher die alte „Gemeinde“. Das Haus wurde abgetragen und existiert nur noch im Bild auf DDR-Postkarten. Ich erinnere mich noch an die Bürgermeister Herrn Streich, Frau Lange und Frau Schön. Das war wohl nicht immer leicht, die Interessen der Bürger mit dem objektiv Machbaren der DDR-Ökonomie in Übereinklang zu bringen. Das ist in der „Versorgung der Bevölkerung“ mit Dingen des täglichen Bedarfes, mit Wohnraum und Baumaterial usw. nicht immer gelungen, aber bei der Schule hat es immer ganz gut geklappt.

Also, die neue Feuerwache und ihre neue Fahrzeugausstattung sind schon eine Freude. Zumal immer in der Adventszeit der Ortsvorsteher die Ehrenamtlichen ins Obergeschoss einlädt. Dann gibt es gegen einen kleinen Obolus immer gutes Essen, Getränk und Geselligkeit und man schaut sich um, wer denn dazu gekommen ist. Wie gut, dass Peter Hackbarth dann auch alle noch einmal benennt und man sich herzlich freuen kann, wie viele Bürger hier mitarbeiten. „Ich lebe gerne hier!“ sagen die alten und neuen Ahrensfelder.

Ich werfe noch einen Blick zurück zu dem schmucken Mehrgeschosser, wo die „Allianz“ residiert – früher war das der HO-Lebensmittelladen von Herrn Bernd.

Immer geblieben sind Briesemeisters (Nr. 30). Herr Briesemeister war ein freundlicher Mensch, LPG-Bauer, immer in Stiefeln. Aber „Tante Erna“, oder Erna, wie man sie nennen durfte, war zudem ein guter Geist. Insbesondere ihre Aufmerksamkeit, die der gegenüber liegenden Gemeindeverwaltung (ehemalige Schule, heute Büro-Objekt) galt, ist legendär. Die Frau werktags in der Kittelschürze und bei kühlem Wetter mit der grünen Strickmütze gehörte einfach dazu! Aber Feiertags, zum Empfang, zur Kirche, da kam Frau Briesemeister in bester Garderobe, frau wusste schließlich, was sich gehört für eine Bäuerin. Ihr abwartender Blick, der aus jederfrau und jedermann auch die letzte Neuigkeit herauslächelte, blieb freundlich und beteiligt. 2013 ist sie verstorben und wir denken genau so lächelnd an sie zurück!

Gegenüber steht eines der originalen alten Häuser von Ahrensfelde (Nr. 46). Klein und bescheiden, jetzt aber aufs Liebevollste erhalten und gepflegt mit wunderbarem weihnachtlichen Fensterschmuck. Hat es die Baugeschichten der 1870er und folgenden Jahre überlebt, als die Gründerzeit unsere Gemüsebauern wohlhabend machte und sie alsbald neue und repräsentative Vierseitenhöfe bauten? Die Bewohnerin wechselt später mit mir einige freundliche Worte und lässt meine Frau grüßen. Hier auf „meiner“ Straßenseite geht es modern zu, da wo es die Wintergärten zu kaufen gibt (Nr. 33). Nur diese knappe Treppe passt nicht ganz? Tja, das bleibt eben so, wenn auch die Planung hoffte, sich über die Ahrensfelder „Baugesetze“ hinweg setzen zu können – Preußen bleibt Preußen!

Preußisch ging es auch hinter der schmalen Tür und dem einzelnen Fenster (geschlossene Rollläden Nr. 34) zu Hier arbeitete in den 60er Jahren noch der Dorf-Friseur, Herr Horn (die anderen an der Wuhle waren Frau Kühne und die Eheleute Große). Und da ich mich nur an Herrn Horn‘s Arbeitsergebnisse bei meinem Schwiegervater erinnern kann, sah das so aus : Alles bis 2 cm über den Ohren gaanz kurz und „oben“ ein strenger Seitenscheitel – iss heute wida modern ey!

Ich beschleunige meine Schritte, vorbei an den Zaunanlagen von Alcatraz (das ist doch die Gefängnisinsel bei San Francisco?) und an „Bäcker Zinn“ – also dem indischen Restaurant, bis auf die Ecke Mehrower. Hier sieht man noch das verwitterte Firmenemblem des „Wagenbau , Huf-Beschlag , Karl Schmöcker, Schmiedemeister“. Ich erinnere mich noch des Schmiedemeisters Frädrich, der mir ein Gartentor baute. Ich glaube, er ließ mich auch mal den Hammer schwingen …Und oben drüber hatten wir auf dem Schornstein mal Störche !

Nicht, weil die Mehrower Straße früher der Kietz hieß, sondern weil heute die Dorfstraße dran sein soll, schaue ich nur mit dem Fotoobjektiv hinein und entere über die Kreuzung rechts von der Total-Tankstelle zum Schleifweg, der nach Blumberg führt. Dabei schaut mir der Weihnachtsmann aus der Schubkarre vor dem Inder nach, vielleicht ist es ja auch Väterchen Frost, der kommt ja in Russland erst am 6. Januar oder er ist der Mittelsmann zwischen den Ländern?

Waren es solche Wege, auf denen die ersten deutschen Ansiedler hier ankamen? „Sag mir, wo die Männer sind, wo sind sie geblieben?“ … die im 2. WK dort oben abgeschossenen Piloten des Lancaster-Bombers? … die Wehrmachtsangehörigen, die französischen und polnischen Kriegsgefangenen, die verletzten Russen der zweiten Welle …? Jedenfalls haben sich in der Gemeindeverwaltung noch einmal Verwandte aus Großbritannien gemeldet und wir haben ihnen Bericht gegeben, der zur Aussöhnung führte.

Unter den Gebrauchtwagen hier auf der Ecke steht auch ein Ami-Schlitten, „Airport Police Los Angeles“, ja, da waren schon manche von uns, in Los Angeles, und gut dass soviel Frieden und Freiheit herrscht, dass das geht !

Drüben zweigt die Kirschenallee ab, aber es ragt die Dorfstraße weit hinein mit der Nummer 38 (dicker großer gelber Briefkasten!) und dann stehen da auch bald die letzten Kirschbäume …

Aber ich wollte ja nicht abschweifen und so rutsche ich über die flache Eispfütze im Wendekreis wieder auf die Dorfstraße zu, diesmal auf der Nordseite. Genau in die Ecke schmiegt sich ein kleines Haus (Nr. 39), in dem der Sattlermeister Bredereck tätig war. Ich glaube, es gibt heute noch mindestens eine Leder-Einkauf-Tasche aus seiner Hände Arbeit, sozusagen unkaputtbar!

Da drüben bei Total stehen wieder die beiden Sportbusse, die man mal leihen kann und hier rechts gab es dafür die Papiere, meistens mit fröhlicher Kommunikation aus dem Fenster heraus. Ich kann jetzt schneller ausschreiten, denn ich habe ja schon Vieles von drüben aus geschildert. Zwischen der Physiotherapie und den Wasserbetten schaue ich nach Eiche hinüber, so als hätte sich an diesem Zwischenblick seit Jahrhunderten nichts geändert, ja auch „unseren“ Fischreiher gibt es noch – eben flog er vorüber.

Ich lasse mich vom OT Ahrensfelde „Herzlich willkommen“ heißen und gehe auf das nächste Schild von „Elektro Lemme“ zu. Mit dem Senior, Herrn Karl-Heinz Lemme, hatten wir die Freie Wählergemeinschaft Ahrensfelde gegründet und genau hier in seinen Räumen war auch einmal ein Treff der Aktivisten.

Aber das ist schon Geschichte. Genau so wie die Geschichten des nächsten Anwesens (Nr. 49), also des langjährigen Schulgebäudes, vormals des Gasthofes Kahlow und später des Verwaltungsgebäudes „Amt Ahrensfelde-Blumberg“. Das muss extra erzählt werden! Jedenfalls haben sie das Vordergebäude schon richtig Wärme-gedämmt, neue Fenster und so nur noch hinten, wo der „Saal“ ist und die Küche und auch noch Klassenräume waren, nagt der Zahn der Zeit an den Holzfenstern. Mal sehen was passiert! Jedenfalls „vorne“ erfolgt schon „Intensiv-Pflege“ in einer Wohngruppe.

Die Dächer sind noch weiß und ich bewundere noch einmal drüben das schöne Metalltor (zu Haus Nr. 27?) neben Detlefs Trödelscheune. Indem ich auf das Pfarrgrundstück zu laufe, habe ich einen auch fast historischen Blick auf das Kirchen-Ensemble, als wäre die Zeit unverändert. Nur das NOVA-Schild von City-Haus auf der Wiese passt seit langem nicht mehr!

An der Ampel kann man ungefährdet (am Silvestertag, sonst bitte aufpassen!) wieder auf die Südseite wechseln. Ich gucke bei Försterling (Nr. 23) ins Schaufenster und entdecke meine Jugend! Da steht doch ein Moped SR 2, genau so, wie ich es 1957 geschenkt bekam. Und die anderen Kleinkrafträder sind auch super – alle von Simson! Bald daneben auch der Automobil-Laden von Skoda, wer erinnert sich da nicht an die alten Felicitas und Oktavias, und an den großen schwarzen mit der Heckflosse wie aus einer nicht-sozialistischen Design-Schule!

„Drüben im Eckhaus“ immer noch die Firma Sommer. Jürgen Sommer war einer der Aktiven und Gründer des Ahrensfelder Motorclubs (Ulmenallee) zu DDR-Zeiten.

Die Doppelhäuser von ehemals Dietz (Bäckerei) und Jauert (ehemals privater Kaufmann) erzählen ihre eigenen Geschichten Herr Dietz hatte in den ersten Nachkriegsmonaten die Kinder der gegenüber liegenden alten Schule (Grundstück Netto) alsbald mit Brötchen versorgt, damit sie nicht hungern müssen. Und „Onkel Willi“ Jauert war einer der aktivsten Sportler und Sportförderer von Grün-Weiß Ahrensfelde. Immerhin: Jauerts gibt es noch und eine Tochter von Herrn Dietz lebt wieder in Ahrensfelde. Die „Jauertsche Siedlung“, das ist die Feldstraße usw., hat ja auch ihren „Namen“ von einem der Jauert-Verwandten im Zuge des Landverkaufes um 1928 ff. bekommen.

Auf dem Gelände des Eckhauses der heutigen Apotheke war früher die Gärtnerei Datz und genau gegenüber war die alte Post, die auch den Namen für die dahinter liegenden Grundstücke gab. Mal sehen, was aus dem grünen Haus wird, nachdem sich schon einige Mitmenschen bemüht haben, daraus etwas zu machen – zuletzt ein Döner-Laden!

Übrigens im 1.OG des Eckhauses residierte einmal für ca. ein Jahr der Architekt Herr Ludwig aus Frankfurt am Main, dem die Einwohner des Sonnenwinkels allermeist ihre Hausentwürfe verdanken. Nachdem die Betrüger der BK Bau GmbH das Feld räumen mussten, hat die NOVA Projekt GmbH (Berlin, Kurfürstendamm) dann alles übernommen und gebaut. Von Ludwig haben sie sich aber auch getrennt. Die NOVA wollte noch das Rathaus bauen, aber dazu kam es dann nicht und so kamen nur die Erschließung des kleinen Ahrensfelder Dreiecks und ein Nachzüglerbau an der alten Post zustande.

In die Feldstraße schaue ich nur hinein und werde wohl später einmal über die unglückliche Umgehungsstraße schreiben, per heute sagen alle wichtigen Leute: „Nichts Neues“! Dabei haben wir dort drüben auf einem sehr hohen Gerüst gestanden (7 m, so hoch kommt die Straße!) und haben mit den Demonstranten trotzige Lieder zur Gitarre gesungen …

Ich lasse Netto mit den Birken hinter mir und schaue rüber zu dem gesichtslosen neuen EDEKA-Markt, mich fragend, warum die Post-Filiale hinter mir „STOR 17“ heißt, klar doch: Es ist lediglich die Hausnummer 1. Also: Ein Gutes hat EDEKA neu gebracht: Freiere Sicht für die Einwohner hinter der alten Post. Dafür musste das Anwesen von ehemals Flettner-Lüfter weggeräumt werden und die daneben liegenden alten Bauern-Grundstücke sind nun Parkplätze. Schaut man von Berlin aus kommend in die Nordseite der Dorfstraße, fängt das Dorf erst ab der alten Post an. Der Eindruck bis dahin: Kaufen, kaufen, kaufen …

Hier auf der Südseite in Richtung Berlin findet man noch gut erhaltene Hofgrundstücke, die die Vier-Seiten-Konzeption erkennen lassen. Warm-rote Backsteine an den Nebengebäuden (z.B. Nr. 14) lassen das märkische Dorf ahnen und die alten Wohnhäuser einen gewissen Wohlstand der damaligen Erbauer. Mich grüßt ein Nachbar. Im Vorgarten von Nr. 10 steht eine Esel-Figur (aber die hatten doch Pferde!) und drüben im Ahrensfelder Einkaufcenter (wieder einmal renoviert) kündigt der Fahrrad-Laden erneut seine Auflösung zum 30. oder 31.12.2013 an – alles muss raus! Da haben ja auch schon Aldi und andere Kaufhallen aufgegeben – mal sehen was jetzt ab geht!

Nr. 8 ist ein Kleinod geworden! Da haben wir Party gefeiert mit den Kubanern und gegrillt, als es um die Vorstellung des Buches über die kirchliche Partnerschaft mit Britzingen ging. Hinten im musterhaften großen Garten wird immer noch Gemüse angebaut und Hühner gibt es auch noch, sorgsam von Netzen überspannt. Der Norma-Parkplatz ist eben nur ein Parkplatz (obgleich innendrin sich die Verkäuferinnen richtig Mühe geben!) und der Auto-Stellplatz unter der Hochspannungsleitung ist auch nicht gerade ein Erholungspark. Übrigens weiter hinter der Bahn war auch ein abgeschossenes Kampfflugzeug in die Leitung gestürzt.

Die letzten Häuser bis zur Nummer 1 sind noch einmal „unsere“ und drüben die weiße Scheune von 1949 (gebaut von Herrn Wegener?) auch. Das umliegende kleine Feld bringt immer noch Blumen (Tulpen oder Gladiolen) zum Selbstpflücken hervor – letzte Erinnerung an dörfliches Leben, eben wie auch die Trecker, die hier ein Nachbar gesammelt hat – wir trafen uns auf der BRALA in Paaren-Glien.

Am „Auf Wiedersehen-Schild“ wechsele ich die Straßenseite. Etwa hier stand ja der sowjetische Kontrollposten (vor der Nr. 1) zwischen Berlin und der „Zone“ und die Volks­polizei kontrollierte gleich mit. Das Haus Nr. 2 hier ist 1908 gebaut! Es trägt das Schild der ältesten Brandenburger Versicherung: „Feuersozietät seit 1718“ und die gibt es heute noch.

Aha, jetzt sehe ich wieder ein Flugzeug! (Air Berlin nach Tegel). Den Weg nach Berlin vermeide ich heute, zumal mich die Ortseingangsschilder verwirren: Rechts befindet sich „Berlin Lichtenberg“ (eigentlich nach Weißensee) und links auf gleicher Höhe „Berlin Bezirk Marzahn-Hellersdorf“ - da liegt eigentlich am Ende Lichtenberg. Also der kleine Neubau rechts ist schon in Berlin nebst dem stattlichen älteren Haus. Die hatten früher nicht mal Elektro-Anschluss, weil sie von Berlin aus jenseits der Bahnschienen lagen. Man könnte meinen, es wäre die Dorfstraße Nummer Null oder wenn schon „der letzte Berliner“, aber der lag wiederum drüben am Bahnhof als Gaststätte vor der Firma Jokiel, die uns mit Jägerzäunen belieferte, aber vor allem mit Braunkohlebriketts. Übrig geblieben sind nur die Bahnhäuser mit den roten Lämpchen – sie wissen schon.

Zurück ins Dorf! Standardweg der S-Bahnbenutzer! Und irgendwie verläuft sich dann der Fußgängerstrom über viele kleine Nebenwege in die Wohnbereiche.
Nach der Arbeit nach Hause kommen:
Ahrensfelde, Sommertag 1942 (von Lucie Pehlke, Ahrensfelde)
-- Ausgang am Stadtrand --
Nicht weit vom Lärm
Und Getriebe der Stadt
Und geschäftigem Großstadtleben
Verliert sich mein Herz
In Wiese und Feld
Landluft und dörflichem Streben.
Es läuten die Glocken zur Mittagsruh`.
Schwer rasselt der Bus
seinem Endziele zu.
Pantinengeklapper und
Poltergespann,
zerreißen die dörfliche Stille.
Aus der Schmiede dringt fest
Ein heller Klang
Von Hammer, Eisen und Wille.
Nun liegt das Dorf zur Mittagsrast
Im Bild des geruhsamen Schweigens.
Mein Herz hat die Melodie erfasst,
Die Sinfonie des dörflichen Reigens.
Das Gedicht übersandte mir Frau Doris Machalet aus Berlin im September 2012.

Vorbei an der Flagge von „Union“ (hinter der alten Post), einbiegen in die Ruhe, wieder Flugzeuge hören, einen Blick in den Wassergraben werfen: Ja, ist Wasser drin, bloß der Wasser- und Bodenverband müsste nun auch noch die Stützmauern des Kanals zur Dorfstraße wirklich sanieren, EDEKA hat ja nur oben was gemacht …

Hinter den Stahlpollern gibt es noch den alten Plattenweg und dann kommt der Kutschersteig, links die Silberpappeln, aber nicht dort lang, sondern wieder rechts in Richtung Rathaus, es ist ruhiger geworden, eine Taube fliegt hoch oben, hell ist es bei einem Sonnenstand von ca. 15 Grad Winkel über der Horizontalen – aber das wird nächstes Jahr wieder mehr. Uraltes Versprechen: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte,. Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ und zu dieser Erde gehören ja auch wir Ahrensfelder mit unseren Nachbarn.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Neues Jahr 2014!
Ihr Chronist des OT P. Plume


Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Paul Plume, Ortschronist in Ahrensfelde, zur Verfügung gestellt.
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