Über die französische Besatzungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es viel zu lesen, aber Nachrichten, die sich konkret auf unsere Gegend beziehen, sind doch dürftig.
In Zeitungsbeilagen und Kalendern haben wir sehr interessante Artikel von Lehrer Meyer (Hönow) und Max Rehberg (Erkner) gefunden, die sich mit dem Thema befassen und in unseren Beitrag über den Franzosenfriedhof zwischen Hönow und Mehrow eingeflossen sind. Aber diese sind über hundert Jahre nach dem Geschehen geschrieben worden.

Jetzt sind wir in einem Buch von 1863, das sich mit den fünfzig Jahre zuvor statt gefundenen Ereignisse befasst, auf einen interessanten Augenzeugenbericht gestoßen. Der Husaren-Leutnant von Hobe berichtet, wie eine kleine Kosaken-Truppe hier durch unsere Orte (vorbei an dem französischen Außenposten in Werneuchen) zieht, um in Berlin durch einen blitzartigen Überfall die dort in großer Menge stationierten Napoleonischen Truppen zu attackieren. Der Überfall führte zwar nicht wie erhofft zu einem Aufstand der Berliner Bevölkerung gegen die Besatzer, war aber letztlich doch ein Grund dafür, dass sich die Franzosen ein paar Tage später aus der Stadt zurückzogen.

Unter „Die Kosaken vor und in Berlin“ wird dort auch auf Otto von Arnim eingegangen, der bei Werneuchen als einer der ersten deutschen Offiziere beim Rückmarsch der Franzosen durch unser Land ums Leben kommt. Das für ihn hundert Jahre später errichtete Denkmal im Blumberger Lenné-Park (direkt an der B 158) ist erst vor wenigen Monaten wieder hergerichtet worden - wir haben im August / September / Oktober 2010 darüber berichtet. Sein leider demolierter Grab- und Gedenkstein steht in Werneuchen neben der Kirche.

Vor fünfzig Jahren.

Nach den Aufzeichnungen von Augenzeugen und den
Stimmen jener Zeit.
Von
Friedrich Adami.
Berlin.
Verlag und Druck von F. Heinicke.
1863

Gefunden bei Google Books:
http://books.google.de/books?id=AJBBAAAAcAAJ

Titel  Vor fünfzig Jahren
Autor  Friedrich Adami
Verlag  Heinicke, 1863
Original von  Bayerische Staatsbibliothek
Digitalisiert  17. März 2010



Seite 278...279
... Nahe bei Werneuchen, wo der General Poinsot seit gestern stand, kam es heute wieder zu einem Scharmützel und hier verlor Tettenborn einen seiner tapfersten Waffenfreunde, den Lieutenant Otto von Arnim, von dem er an Stein schrieb: „Sehr bedauere ich den Verlust eines Herrn von Arnim, der einst bei Schwarzenbergs Ulanen stand und jetzt bei mir als Volontair diente.“ Die Todesanzeige erschien erst 16 Tage nachher (zwei Tage nach dem Abmarsch der Franzosen aus Berlin) in der Spenerschen Zeitung. Sie lautet:
„Am 18. Februar, bei dem in der Gegend von Werneuchen stattgehabten Gefecht zwischen den russisch-kaiserlichen und alliirten Truppen blieb Otto von Arnim, aus dem Hause Suckow, durch eine Flintenkugel durch die Brust getroffen. Sein Tod war schnell und ohne Schmerz für ihn, und rühmlich für Ehre und Vaterland.“

... Ueber seinen Tod hier bei Werneuchen schreibt der damalige Husaren Lieutenant A. von Hobe (im Februar 1813 vom General von York zum Obersten von Tettenborn commandirt): „Es hatten sich in den Tagen vom 16. zum 17. Februar viele ehemalige preußische Offiziere beim Obersten von Tettenborn eingefunden, theils nur um ihn zu sprechen, theils um sich ihm als Freiwillige anzuschließen. Unter diesen waren die Lieutenants von Bornstedt, von Dobeneck (lebt in Berlin als General-Lieutenant a. D.), von Arnim (starb als Oberst a. D. in Crieven an der Oder), Nöldechen (mir unbekannt, wo er hingekommen), auch Otto von Arnim. Dieser war am 18., etwa um die Mittagsstunde zu den vordersten Kosaken geritten, welche mit Würzburger reitenden Jägern flankirten. Die Kosaken hatten fast durchgängig französische Infanteriegewehre übergehängt und bedienten sich ihrer beim Flankiren. Die Würzburger hatten Carabiner, und durch die Kugel eines solchen fiel Otto von Arnim. Als wir heran ritten, war er schon todt! - Es ist ein seltener Fall, daß beim Flankiren der Cavallerie gegen Cavallerie Jemand getroffen wird; ich habe dies stets für eine unglückliche Schickung angesehen. - Einem ältern Bruder des bei Werneuchen Gefallenen nahm später vor Lübeck eine französische Kanonenkugel in meiner Gegenwart den Kopf weg. Er commandirte das hanseatische Ulanen-Regiment und auf der Stelle wo er fiel, haben die Hanseaten ihm ein Denkmal errichtet.“

Otto von Arnim, dessen Leiche nach Werneuchen gebracht worden, ruht auf dem dortigen Kirchhofe. ...

Seite 285...294
Noch ein ächtes Zeugniß über den kriegerischen Hergang des 20. Februars, das genaueste von allen, geben die bisher ungedruckten Aufzeichnungen des damaligen Husaren-Lieutenants von Hobe (jetzt Landrath und Rittmeister a. D. in Dyrotz bei Nauen). ...
... In der Nacht vom 17. zum 18. Februar traf ich wieder bei dem Obersten von Tettenborn in Hirschfelde ein. An diesem und dem folgenden Tage wurde auf den Vorposten wieder geplänkelt; am 19. Nachmittags sagte mir Tettenborn, daß nunmehr, nachdem auch der General von Tschernitscheff mit seinem Corps über die Oder gesetzt, beide Corps sich gegen Abend in aller Stille nach Alt-Landsberg hinschieben würden; ich möge ihn um 9 Uhr zum Abendessen dort aufsuchen: er habe einen Auftrag für mich. Als es schon dunkel geworden, die Vorposten für die Nacht ausgestellt (vor der Gielsdorf und Blumenthaler Haide, Front gegen Werneuchen), auch viele Feuer angemacht waren, marschirten beide Corps über Wiesenthal nach Alt-Landsberg ab; nur einige Pulks Kosaken ließen wir hinter uns. Sie hatten den Befehl, die Feuer die ganze Nacht über brennend zu erhalten; der Feind bei Werneuchen sollte über unsern Abmarsch getäuscht werden und in der Meinung bleiben, sämmtliche Russen lägen ihm gegenüber im Bivouac. Beide Corps bestanden zumeist aus Kosaken; es mögen zusammen 16 bis 20 Pulks gewesen sein. Doch waren sie nicht stark, und die Stärke der Pulks verschieden; mehr als etwa 1800 betrug deren Gesammtheit nicht. Außer den Kosaken waren noch 2 Escadrons vom Isumschen Husaren-Regiment (etwa 200 Pferde) da, ebenso viel Dragoner (Kasansche, wenn ich mich recht erinnere) und an Artillerie 2 Geschütze reitender Artillerie, dazu zwei Kosaken-Kanonen.
In Folge des erhaltenen Befehls stellte ich mich am 19., Abends 9 Uhr, in Alt-Landsberg ein. Dort, im Hause des damaligen Hofpredigers, traf ich den General Tschernitscheff und den Obersten Tettenborn in einem Gewühle von Offizieren und andern, mir unbekannten Personen, so daß es wohl eine Stunde dauerte, bis wir uns zu Tische setzten, etwa zwölf Personen. Beide Corps-Chefs befragten mich über meine Kenntniß von der Gegend und sagten mir: wie es die Absicht sei, die Franzosen in Berlin zu überrumpeln. Man wisse, daß der Marschall Augereau mit etwa 12,000 Mann Infanterie und nicht gerade geringer Artillerie, aber mit sehr wenig Cavallerie die Hauptstadt besetzt halte. Es liege zu Tage, daß die beiden russischen Corps, nur aus Cavallerie und vier Kanonen bestehend, den Franzosen nichts anhaben könnten; aber man habe vertraute Personen in Berlin, und nach den Mittheilungen, welche diese gemacht, sei anzunehmen, daß die Bewohner der Stadt sich gegen die Besatzung erheben würden, so bald sich nur Kosaken zeigten. Mit sämmtlicher Cavallerie der beiden Corps in die Stadt einzufallen, erscheine nicht rathsam; man müsse die Möglichkeit im Auge behalten, daß das von uns umgangene französische Corps bei Werneuchen von unserm Vorrücken Kunde bekäme und sich dann auf Berlin zurückzöge. Für diesen Fall müsse man bereit sein, diesen Feind auf- und von Berlin abzuhalten. Morgen (am 20.) früh 7 Uhr solle von Alt-Landsberg aufgebrochen werden; Kosaken-Patrouillen seien bereits gegen Werneuchen und gegen Berlin bis Biesdorf, Marzahn und Ahrensfelde hin entsendet; sie hätten theils schon Meldungen gemacht, daß kein Feind angetroffen wäre; theils würden sie noch mit ihren Meldungen erwartet. Im Zusammenhang mit diesem Plane wurde ich beauftragt, sogleich mit einem Commando von 50 Kosaken von Alt-Landsberg abzugehen; ein mir dazu überwiesener Unteroffizier von den Isumschen Husaren, der deutsch und russisch sprach, sollte mir als Dolmetscher dienen. Etwa bei Hönow sollte ich auf der Straße nach Berlin eine Feldwache etabliren, mit Vorposten gegen Marzahn und Kaulsdorf, und dort die Nacht über bleiben, aber kleine Patrouillen entsenden in der Richtung auf Eiche, Marzahn, Mehrow und die von Berlin nach Frankfurt führende Straße. Morgens um 6 Uhr etwa sollte ich dann mit gehöriger Vorsicht aufbrechen und zwar nach Malchow zu, sollte mich dort, Front gegen Berlin, postiren, die Dörfer Heinersdorf, Weißensee und Hohen-Schönhausen beobachten und an dieser Stelle unser Corps oder weitere Befehle erwarten. Bis dahin sollte ich von Zeit zu Zeit durch einzelne Kosaken den beiden Führern melden lassen: ob irgend etwas Verdächtiges vorgekommen, auch Niemanden nach der Gegend von Berlin hin durchlassen.
Die Nacht über passirte weiter nichts, als daß ein Reiter, der ganz allein von Berlin her kam, von dem Vorposten angehalten und mir zugeführt wurde. Es war der Kammerherr von Podewils; er wollte zum Grafen Tschernitscheff, er kannte ihn schon aus der Zeit, als dieser noch in Berlin der russischen Gesandtschaft attachirt war. Durch einen Kosaken ließ ich ihn nach Alt-Landsberg geleiten. (Früher nicht Soldat, hat Podewils den General Tschernitscheff während des Krieges von 1813 und 14 begleitet; nach dem Frieden stand er als Major bei der preußischen Garde du Corps und starb vor mehreren Jahren als General a. D. Verheirathet mit einer Baroneß von der Recke, bewohnte er lange das bekannte von der Reckesche Haus in der Leipziger Straße. Er war ohne Zweifel einer von denen, welche damals von Berlin aus mit Tschernitscheff in Verbindung standen.)
Es mochte etwa 6  Uhr Morgens sein, als wir am 20. Februar, nach Einziehung der Vedetten und Patrouillen in der Richtung auf Malchow, aufbrachen. Dort im Kruge des Dorfes, wohin ich mit einigen Kosaken geritten, um eine Tasse Kaffee zu suchen, überraschten wir zwei Würzburger reitende Jäger beim harmlosen Frühstücke; nichts ahnend, hatten sie ihre Pferde draußen vor der Schenke angebunden. Sie ergaben sich ohne Widerstand; sie waren, wie sie aussagten, von Berlin abgeschickt, um zu erkunden, ob sich etwa Kosaken hätten blicken lassen, oder ob vielleicht von Werneuchen her durch Landleute Neuigkeiten hier herum ruchbar geworden. Dafür mußten sie jetzt erzählen, was es in Berlin Neues gäbe, und wurden dann als Gefangene den anrückenden russischen Corps entgegen geschickt. Freilich nicht, ohne daß die Kosaken sie erst rein ausgeplündert hatten. Nackt ausgezogen hätten sie sie, wäre ich nicht dazwischen getreten; denn darin verfuhren die Kosaken abscheulich.
Um zehn Uhr etwa trafen Tschernitscheff und Tettenborn mit ihren Corps bei Malchow ein. Es waren die 2 Escadrons Isumsche Husaren, die zwei Escadrons Kasansche Dragoner, die zwei Kanonen von der reitenden Artillerie und ein paar Pulks Kosaken. Eine Stunde später waren sie zwischen Weißensee und Berlin aufmarschirt, Front gegen die Stadt, aber in mehr als Kanonenschuß-Weite von derselben ab. Kleine Detachements von Kosaken waren schon auf dem Hermarsche abgetrabt, um die Gegend nach Werneuchen hin zu beobachten, andere wurden jetzt entsendet, um scharf auf die Stadt und besonders deren Thore auf der rechten Seite der Spree zu merken. Die zwei Geschütze der Kosaken setzten sich gegen das Bernauer Thor (jetzt Königs-Thor) in Bewegung; der General von Tschernitscheff und der Oberst von Tettenborn, in deren Gefolge ich mich befand, nahmen an der Spitze von etwa zwei- bis dreihundert Kosaken die Richtung auf das Schönhauser Thor. Die zwei Kanonen der Kosaken führte der Hauptmann von Blomberg, früher in preußischen Diensten, jetzt bei der russisch-deutschen Legion und commandirt als Adjutant bei Tschernitscheff. Er hatte den Auftrag, das Bernauer Thor einzuschießen und dann mit den Kosaken, welche seinen Kanonen als Bedeckung beigegeben waren, wo möglich in das Thor hineinzusprengen.
Als die Kosaken gegen das Schönhauser Thor hin sich, ohne vom Feinde etwas gewahr zu werden, so weit vorgeschoben hatten, daß sie nur noch knappe hundert Schritte davon entfernt waren, setzten wir uns in ein rascheres Tempo, fanden das Thor weit geöffnet (durch wen, weiß ich nicht) und jagten in dasselbe hinein. Es ging die Schönhauserstraße entlang bis zur Münzstraße und, links in diese einbiegend, bis zum Alexander-Platz. Hier wurden wir vom französischen Gewehrfeuer begrüßt, und es ging nun eben so rasch zurück; dabei waren Tschernitscheff und Tettenborn natürlich nicht vorn, sondern ziemlich hinten, und die Kosaken, jetzt die Vordersten, versäumten es, rechts in die Schönhauserstraße einzubiegen, dahin, woher sie gekommen. Sie jagten vielmehr in der Münzstraße geradeaus fort, während Tschernitscheff und Tettenborn mit ihrem Gefolge an der Ecke der Münzstraße die Schönhauserstraße einschlugen und so wieder zum Schönhauser Thor hinaus gelangten. Mit ihnen nur eine sehr geringe Zahl Kosaken. Die übrigen, die Münzstraße verfolgend und dann nicht wissend, wohin sich wenden, um wieder aus der Stadt zu kommen, zerstreuten sich natürlich in Berlin. Daß sie da nicht zum großen Theil gefangen worden sind, ist unzweifelhaft auch den ihnen als Wegweiser dienenden Berlinern zu danken. ...
Einen etwas ausführlicheren Auszug aus diesem Buch finden Sie hier:
  • "Vor fünfzig Jahren" von Friedrich Adami, 1863

  • Nachfolgende Links führen zu Seiten mit Auszügen aus anderen Büchern zum gleichen Thema:
  • "Beiträge zur Geschichte des Jahres 1813" von Karl Ludwig von Prittwitz, 1843
  • "Geschichte der deutschen Freiheitskriege" von H. L. Beitzke, 1854
  • "Geschichte der deutschen Befreiungskriege" von Fr. Förster, 1857