Es gibt doch immer wieder schöne Zufälle: Da sitzt einige Dörfer weiter, in Grüntal bei Biesenthal, jemand über dem Nachlass seines Großvaters und liest in dessen Lebenslauf, dass dieser in den 1920er Jahren eine Zeitlang als Melker in Mehrow gearbeitet hat. Auf der Suche nach Informationen über den Ort ist er auf mehrow.de gelandet und hat hier nicht nur einiges über das Rittergut und die Sanitätsmeierei gefunden, sondern sogar ein Bild entdeckt, auf dem sein Großvater, Richard Schröder, zu sehen ist.


Richard Schröder (3. v.l.) zusammen mit Kollegen vor dem Kuhstall der Mehrower Sanitätsmeierei. (1925/26)

Auf dem Bild aus dem Nachlass von Anna Bothe, unserer letzten Gutsbesitzerin, ist er zusammen mit einigen Kollegen und (vermutlich) der Familie des Melkermeisters vor dem Kuhstall der zum Rittergut Mehrow gehörenden Sanitätsmeierei zu sehen.
Wie schon mehrfach ausgeführt wurde, gab es hier in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine große Anzahl Kühe, die in modernen Stallungen gehalten und, was damals noch außergewöhnlich war, elektrisch gemolken wurden. Die Milch wurde in der „Sanitätsmeierei“ des Rittergutes besonders schonend behandelt und in Flaschen verpackt als „Mehrower Kindermilch“ bis weit nach Berlin hinein geliefert.

Erfreulicherweise hat der im Internet fündig gewordene Enkel seine Freude nicht für sich behalten, sondern zum Telefon gegriffen und unseren Ortschronisten (und Verfasser dieser Seite) angerufen. Der hat interessiert die im Lebenslauf von Richard Schröder enthaltenen Details zur Kenntnis genommen und gleich um die Bereitstellung der entsprechenden Passagen und weiterer Bilder jenes „Mehrowers auf Zeit“ gebettelt, um hier mal wieder jemanden vorstellen zu können, der seine Erlebnisse in unserem Dorf für die Nachwelt festgehalten hat.

Postwendend kamen per Email ein Stück des Lebenslaufes und zwei weitere Bilder, auf denen Richard Schröder als Melker zusammen mit Kollegen zu sehen ist. Ein Bild ist definitiv in Mehrow (oder auf dem zum Rittergut gehörenden Vorwerk „Trappenfelde“) aufgenommen worden, denn da sind zum Teil die gleichen Personen zu sehen, wie auf dem uns bereits vorliegenden Bild: Zwei Herren mit Lederhosen, eine Frau im Dirndl und ein etwas sehr ernst dreinschauendes kleines Mädchen - vermutlich die Familie des Melkermeisters, dessen Namen (Karl Fickler) wir nun Dank des Lebenslaufes von Richard Schröder kennen.


Richard Schröder (5. v.l.) zusammen mit anderen Melkern des Rittergutes Mehrow. (1925/26)

Hier sind die Eckdaten zu Richard Schröders Leben:

Er wurde am 5. Dezember 1907 in Ströbeck geboren. Als Siebzehnjähriger kam er nach Mehrow, wo er ein Jahr lang als Melker auf dem Rittergut tätig war und dort moderne Melktechnik kennen gelernt hat.

Im Jahre 1934 heiratete er in Gersdorf und zog im gleichen Jahr nach Grüntal, wo er eine Anstellung als Schweizer auf dem Gut des Grafen Bernhard von der Schulenburg fand. Im September des gleichen Jahres absolvierte er erfolgreich seine Melkermeisterprüfung in Luisenhof bei Oranienburg.

Von 1946 ab war er Kriegsgefangenschaft u.a. in Weesow, Sachsenhausen und zuletzt in Sibirien. Nach seiner Rückkehr 1949 war er zunächst selbständiger Bauer in Grüntal und nach der Zwangskollektivierung Melker bei der dortigen LPG. Im August 1961 flüchtete er nach West-Berlin, wo er bis zu seinem Tod am 11. November 1996 lebte.


Über seine Zeit in Mehrow schreibt Richard Schröder in seinem Lebenslauf:

... Jedenfalls bin ich am 1. Dezember 1925 als noch Siebzehnjähriger sogar freudig von zu Hause weggegangen. Es lag schon viel Schnee. Mit dem Milchwagen fuhr ich zur Bahnstation Wilmersdorf und bin mit meinen Habseligkeiten im Pappkarton in Berlin gelandet. Meine erste Nachfrage beim Melkerverband (gleichzeitig Stellenvermittlung) Schlegelstraße war ohne Erfolg. Aber schon am nächsten Tag klappte es, ich bekam eine Stelle als Gehilfe in Mehrow bei Ahrensfelde bei Melkermeister Karl Fickler. Unbedingt muss ich noch bemerken, daß es bei den Stellennachweisen nur so von arbeitslosen Melkern wimmelte. Sicherlich hatte mein Vater bei dem Verbandskollegen angerufen, (denn der erteilte mir gleich eine Rüge, warum ich vom Vater weggehe), mir behilflich zu sein. Jedenfalls kam ich ab Schlesischem Bahnhof über Ahrensfelde nach Mehrow. Mein Monatslohn betrug 55 M, für die Wäsche musste ich selbst sorgen. Im Vergleich zu dem, was ich bisher kannte und gesehen hatte, war alles großzügig und neu für mich. Vorher kannte ich auch kein elektrisches Licht bei der Arbeit!

Der Betrieb nannte sich „Vorzugsmilch“. Die Milch wurde per LKW nach Berlin in Krankenhäuser und Sanatorien geliefert, damals in Flaschen a Liter zu 56 Pfg. Zum Betrieb gehörten 300 Milchkühe, 200 standen im Hauptbetrieb Mehrow und 100 im Vorwerk Trappenfelde, alle unter ständiger Veterinär-Kontrolle. Jeder Melker musste 20 Kühe in 2 ½ Std. Melken - das schaffte nicht jeder! -

Genau im Dezember 1925 wurde in diesen Betrieb schon eine elektrische Melkmaschinen-Anlage gebaut, Typ Alfa-Laval. Aber die Technik war noch nicht so fortgeschritten wie heute. Wir haben oft nur per Hand gemolken.

Für mich war eine neue Situation entstanden, indem ich mich der allgemeinen Atmosphäre und den Arbeitskollegen anpassen musste. Immerhin zählten wir 12 - 14 Kollegen, arbeiteten in 3 Ställen, wohnten unter einem Dach in mehreren Räumen und nicht immer waren nette Rabauken dabei. Jedenfalls habe ich mich im Umgang mit den Kollegen durchgesetzt - arbeiten hatte ich ja schon gelernt. Gewechselt wurde am laufenden Band. Im Juli 1926 nahm ich eine Woche Urlaub, natürlich unbezahlt. Ich war nun schon ein wenig neugierig auf zu Hause und wollte auch zeigen, dass ich neu und gut eingekleidet war. Als ich wieder zurückkam, habe ich erfahren, daß ich nach meiner Leistung ungerecht bezahlt wurde und bin eben gleich abgehauen ...


Richard Schröder (hinterste Reihe in der Mitte) zusammen mit anderen Melkern - der Ort ist unbekannt.

Bei einem weiteren Bild von Richard Schröder, können wir leider nicht sagen, wo es aufgenommen wurde. Vermutlich nicht in Mehrow, sonst wären sicher wieder die beiden Herrn mit ihren Lederhosen und die Dame im Dirndl mit auf dem Bild. Das Haus hinten links im Hintergrund sieht auch nicht aus, wie eines hier im Dorf. Andererseits gab es aber damals in unserer Gegend nicht sehr viele Güter, die so viele Kühe besaßen, dass eine so große Schar an Melkern Beschäftigung hatte.

Es bleibt hier nur zu hoffen, dass sich von den anderen 13 abgebildeten Melkern ein Enkel findet, der hier auf dieses Bild stößt, seinen Großvater darauf erkennt und uns sagen kann, wo das Bild aufgenommen wurde.


Zur Meierei des Rittergutes und zur Produktion und Vermarktung der „Mehrower Kindermilch“ sei auch auf folgende Beiträge verwiesen: