Seit Monaten gibt es Streit, wie das "Dreieck Schwanebeck", d.h. der Abzweig der A11 nach Prenzlau/Stettin vom Berliner Ring (A10) künftig heißen wird, denn der Landkreis will das Dreieck zwecks Tourismusförderung umbenennen, wogegen sich aber heftiger Widerstand regt.

Die Schwanebecker, neben deren Dorf das bestimmt ansonsten nicht sonderlich geliebte Autobahndreieck liegt, bestehen natürlich darauf, dass dieses den Namen "Dreieck Schwanebeck" behält, so wie sich die Leute in Gibraltar gegen die Umbenennung der "Straße von Gibraltar" wehren würden.


Das Amt Panketal, dem die Gemeinde Schwanebeck angehört, witterte allerdings, dass das weltberühmte Schwanebeck möglicherweise künftig als Namensgeber verschmäht werden würde und hatte vorsorglich schon mal angemeldet, dass in diesem Fall das Dreieck doch "Dreieck Panketal" heißen sollte.


Als Argument wird u.a. vorgetragen, dass das Dreieck nun nicht gerade im Zentrum des Barnim liegt.
Das stimmt, aber bis zur Panke sind es auch noch ein paar Meter.
Im Übrigen: Hätte sich die Hauptstadt 1920 bei der Bildung von "Groß-Berlin" nicht so schamlos an unserem Kreis bedient, läge das Dreieck zwar auch noch nicht im geografischen Zentrum, aber doch tief drinnen im Landkreis Barnim.

Die Wogen sind zuletzt so hoch geschlagen, dass nicht nur sinnvolle Argumente, sondern auch ganze Buchstaben "auf der Strecke" blieben - was im Übrigen (wie wir im Falle "Ahrensfelde" nachgewiesen haben) nützlich sein kann.

Die Begehrlichkeiten des Landkreises als Dritten und letztendlich Mächtigsten liegen aber schon lange auf dem Tisch: Da der Barnim bundesweit und erst recht im Ausland kaum bekannt ist, will man jede Gelegenheit nutzen, auf unseren Landstrich zu verweisen. Ein Autobahndreieck mit diesem Namen, das auf jeder Karte verzeichnet ist, auf vielen Schildern erscheint und (leider) immer wieder im Verkehrsfunk genannt wird, wäre da eine ganz gute und vor allem fast kostenfreie Werbung.

Die Umbenennung des Autobahndreiecks war somit ein heeres Ziel und ausschließlich zum Wohle der Menschen im Barnim gedacht - wie (nahezu) alles im Kreistag Geplante und Beschlossene. Und deshalb obsiegte bei der Abstimmung am 30. März 2004 im Kreistag der Barnimsche Patriotismus gegen Schwanebecksche Sturheit und Panketalschen Stolz. Es wurde mehrheitlich beschlossen, beim Verkehrsministerium eine Umbenennung zu beantragen, was wohl auch durchkommen wird - bei so vielen Fehlentscheidungen in der Vergangenheit und entsprechend schlechter Presse in der Vergangenheit, wird man sich dort hoffentlich freuen, mal etwas beschließen zu können, was die Mehrheit wünscht.



Nutzen wir mal die Gelegenheit zu einem kurzen Rückblick auf die Geschichte des umstrittenen Dreiecks:

Im März 1934 wurde der erste Spatenstrich für die Reichsautobahn Berlin-Stettin getan.
(siehe "Reichsautobahn Berlin-Stettin in Arbeit" im Niederbarnimer Kreisblatt vom 22.3.1934)

Eine Verkehrsübergabe dieser Strecke war für 1936 geplant.
(siehe "Beim Bau der Reichsautobahn Berlin-Stettin" im Niederbarnimer Kreisblatt vom 23./24.6.1934)

Im Januar 1935 wurde das Konzept des Berliner Rings öffentlich vorgestellt, der Abschnitt von Blumberg bis zum Abzweig Frankfurt war aber schon seit Mitte 1934 im Bau.
(siehe "Der Ring der Reichsautobahnen um Berlin" im Niederbarnimer Kreisblatt vom 5.1.1935)

Am 4. April 1936 wurde der erste Abschnitt der Autobahn Berlin-Stettin eröffnet
(siehe "Heute Eröffnung der Reichsautobahn" im Niederbarnimer Kreisblatt vom 4.4.1936)

Im Niederbarnimer Kreisblatt vom 6. April 1936 wird wie folgt über die Eröffnung berichtet:


Der erste Teilabschnitt der Reichsautobahn Berlin-Stettin, die Teilstrecke von Berlin nach Joachimsthal, wurde am Sonnabend nachmittag durch Ministerpräsident Hermann Göring feierlich dem Verkehr übergeben. ...

... Es war ein Ereignis für Berlin und den Gau Kurmark, er an diesem Tage seine erste Autobahn aus der Taufe hob. Beim Eintreffen des Ministerpräsidenten, in dessen Begleitung sich Staatssekretär Körner, Ministerialrat Gritzbach und der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Dr. Todt, befanden, kam ihm an der Sperre hinter Schwanebeck, am sogenannten Stettiner Dreieck, der Gauleiter der Kurmark, Oberpräsident Staatsrat Wilhelm Kube, zur Begrüßung entgegen.
...
Die Eröffnung der Teilstrecke Schwanebeck-Joachimsthal der Reichsautobahn Stettin-Berlin am Sonnabend war gerade für unseren Heimatkreis Niederbarnim ein besonderes Ereignis; liegen doch etwa 20 Kilometer dieser 45 Kilometer betragenden Teilstrecke innerhalb unseres Kreises, wozu nach Fertigstellung der Gesamtstrecke von Berlin ab noch zwei Kilometer bis Schwanebeck hinzukommen, die auch bereits einigermaßen befahren werden konnten. Kein Wunder, wenn daher die Kreisbehörde, die Kreisparteileitung, die örtlichen Amts- und Parteidienststellen und die Kreisbevölkerung der durchzogenen Gegend an dem Eröffnungsakt und der Eröffnungsfahrt, die sich bei sonnigem Frühlingswetter abgespielt haben, regen Anteil nahmen.
...

Ausführliche Bericht über das Niederbarnimer Teilstück der Autobahn Berlin-Stettin und den östlichen Berliner Ring gab es auch im "Kalender des Kreises Niederbarnim":

Über die Auswirkungen der Autobahn auf Bernauer Verkehr wird Ende Mai 1936 berichtet.
(siehe "Bernau und die Reichsautobahn" im Niederbarnimer Kreisblatt vom 30.5.1936)

Die Fertigstellung der Strecke Berlin-Stettin wird für den Herbst 1936 angekündigt.
(siehe "Reichsautobahn Berlin-Stettin im Herbst fertiggestellt" im Niederb. Kreisbl. vom 24.7.1936 und "Am Sonntag Inbetriebnahme der Gesamtstrecke Berlin-Stettin" im Niederb. Kreisbl. vom 25.8.1936)


Baedeckers "Autoführer Deutsches Reich" von 1939 war der Autobahnabschnitt wie folgt beschrieben:


Das jetzige "Dreieck Schwanebeck" hieß also ursprünglich "Stettiner Dreieck".


Quelle: Atlas für Motortouristik der D..D..R..
VEB Landkartenverlag Berlin
1. Auflage, Redaktionsschluß: Juli 1962
Nach dem Krieg behielt man zwar das Verfahren bei, die Autobahndreieck nach den Zielorten der abzweigenden Autobahnen zu benennen - aber Stettin lag nunmehr im polnischen Ausland, der deutsche Name dieser Stadt konnte also keinesfalls weiterhin benutzt werden und mit "Dreieck Szczecin" hätte wohl mancher ein Ausspracheproblem gehabt.

Also blieb das Dreieck lt. Kartenmaterial erst einmal eine Weile namenlos (1962).


Quelle: Atlas für Motortouristik der D...D...R...
VEB Landkartenverlag, DDR-102 Berlin
1. [!] Auflage, Redaktionsschluß: Januar 1973
Später (1973) hat man es dann mit "Abzweig Penkun" versucht.

Aber Penkun, vor der Grenze der letzte Ort an der Autobahn, war dann wohl doch nicht sonderlich geeignet, die Orientierung der Kraftfahrer zu erhöhen.

Auf nebenstehender Karte von 1973 ist übrigens schon die Weiterführung des Rings über Schwanebeck hinaus nach Westen als "im Bau befindlich" eingezeichnet.

Später wurde dem Abzweig der Name "Prenzlau" statt "Penkun" verpasst, und damit die Regel beibehalten, die Abzweige nach den Zielorten zu benennen, was recht sinnvoll ist, weil man so auf Fernstrecken ganz gut ohne Karte auskommt.

Kartenausschnitt und Zeichnung entstammen dem Autoatlas Deutsche Demokratische Republik,
VEB Tourist-Verlag Berlin/Leipzig, 1981


Quelle Beilage zum Baedecker/Allianz-Reiseführer Deutschland 2000
Verlag Karl Baedecker, Ostfildern, 5. Auflage 2000/II
In den 90er Jahren sind dann im Zuge bundesdeutscher Vereinheitlichungssucht die "Abzweige" in "Dreiecke" umbenannt und mit den Namen nahe gelegener Orte benannt worden.

Unser Dreieck hat dabei nach sicher langwieriger, strengster Prüfung durch die Ministerialbeamten den Namen des benachbarten, weithin bekannten Urlaubs- und Erholungsortes "Schwanebeck" verliehen bekommen.

Diese nicht gerade Orientierung fördernde Benennung hat nun aber bald ein Ende und mit "Dreieck Barnim" wird sich künftig in Atlanten und auf vielen Wegweisern ein durchaus angebrachter Hinweis auf unseren Landstrich finden (und damit die Umbenennerei endlich ein Ende haben). Andere Landstriche (Havelland, Spreeau usw.) haben das vorgemacht - mit welchem materiellen Erfolg sei noch fraglich, aber die Benennung dieser Verkehrsknoten hat sicher zum Bekanntheitsgrad der umliegenden Landschaften beigetragen und vielleicht auch manchen Durchreisenden neugierig gemacht.




Stadtplan von Berlin, Hauptstadt der DDR
ca. 1:25000, VEB Tourist Verlag, Berlin/Leipzig, 1977
Schade ist eigentlich nur, dass bei dem ganzen Namensstreit ein früherer Name des jetzigen "Dreiecks Schwanebeck" völlig unter den Tisch gefallen war, obwohl er mal im Munde vieler Tausender im In- und Ausland war: "Bernauer Schleife".

In den Jahren 1952 bis 1973 wurden auf dem Autobahndreieck sehr gut besuchte Motorrad- und Autorennen mit internationaler Besetzung ausgetragen.


Stadtplan von Berlin, Hauptstadt der DDR
ca. 1:25000, VEB Tourist Verliag, Berlin/Leipzig, 1979
Bis zu 70000 Besucher haben sich jedes Jahr zum Rennwochenende an der Strecke eingefunden und ihren Favoriten zugejubelt, wozu zumindest in den ersten Jahren auch viele DDR-Fahrer zählten, wie z.B. der Dresdner Melkus mit seinem futuristisch umgebauten Wartburg.

Und Rennsportbegeisterte bekamen hier auch ein paar echte Flitzer aus dem Westen zu sehen;

Anlässlich des 50. Jahrestages der "1. Bernauer Schleife" gab es vor zwei Jahren (2002) im Bernauer Heimatmuseum eine Sonderausstellung zu diesem Thema und auch jetzt bemühen sich Bernauer Motorsportfreunde darum, das Gedenken an diese Rennveranstaltungen wach zu halten, auch, oder gerade weil eines dieser Rennen (1954) von einem tragischen Unfall mit drei Toten überschattet war.

Wir wollen den Benauern bei ihrer Berichterstattung keine Konkurrenz machen, aber in einem separaten Beitrag über die "Bernauer Schleife" einfach mal das Material "auf den Tisch legen", das uns bei unseren Zeitungsrecherchen zu Mehrow und Umgebung eher zufällig in die Finger geraten ist. Das ist weder lückenlos, noch gut selektiert, sondern einfach nur eine lose Sammlung von Splittern.

Der Verlauf der Rennstrecke innerhalb der Bernauer Schleife,
gefunden im Stadtarchiv Bernau in einem Prospekt der "11. Bernauer Schleife" von 1965.
Anm.: Anfangs umfasste die Stecke am westlichen Ende noch die Autobahnauf- und -abfahrt "Weißensee" und war dadurch noch ein Stück länger (5,8 statt 5,2 Kilometer).